Prien: Familien müssen Kinderbetreuung organisieren

Interview

Förderung von Kita und Betreuung:Prien will "positives Familienbild vermitteln"

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Familienministerin Prien lobt die Milliarden, die der Bund in Familien investiert, sieht aber Grenzen. Was sie zum Kita-Ausbau sagt und wo sie Männer mehr in der Pflicht sieht.

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28.08.2025 | 44:38 min

ZDFheute: Frau Prien, welche Schulnote geben Sie der deutschen Familienpolitik?

Karin Prien: Ich kann ja nur für die Vergangenheit sprechen, weil ich erst seit Kurzem im Amt bin. Im OECD-Schnitt vielleicht eine Zwei bis Drei.

ZDFheute: Das Versprechen verlässlicher Betreuung ist 20 Jahre alt - eingelöst ist es nicht. Warum?

Prien: Lange Zeit ging man davon aus, Kinder seien am besten in der Familie aufgehoben. Das hat sich erst in den vergangenen zwei Jahrzehnten verändert. Seit etwa 15, 16 Jahren wird der Kita-Ausbau massiv vorangetrieben.

Trotzdem reicht es nicht, weil die Bedarfe immer weiter wachsen. Da bleibt also viel zu tun. Man muss aber auch sagen: Es melden sich eher die, die unzufrieden sind.

Karin Prien im Interview

Will auch Männer stärker in die Kinder- und Sorgearbeit einbinden: Familienministerin Karin Prien

Quelle: ZDF

ZDFheute: Es fehlen 300.000 Plätze. Und selbst wer einen Platz hat, kann nicht sicher sein, dass er verlässlich betreut wird. Wie wollen Sie das ändern?

Prien: Einfach ist das nicht. Alle Ausbildungswege sind offen - klassische Ausbildung, Quereinstieg, Teilzeit (...). Aber die Zahl der jungen Menschen sinkt, sie konkurrieren mit Pflege und Medizin. (...) Deshalb brauchen wir auch Anreize, dass Fachkräfte zeitweise in andere Bundesländer wechseln.

ZDFheute: Viele sagen, der Beruf ist trotzdem nicht attraktiv genug.

Prien: Die Anzahl der Kita-Kräfte hat sich in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Wir haben den Rechtsanspruch geschaffen und die Gruppengrößen verringert.

Unser Anspruch ist sehr hoch - und daran scheitern wir ein Stück weit selbst. Um Verlässlichkeit sicherzustellen, wird man an der einen oder anderen Stelle Abstriche machen müssen.

Karin Prien sitzt im TV-Studio von Markus Lanz

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27.06.2025 | 0:59 min

ZDFheute: Und wenn Träger sagen, sie haben gar nicht genug Geld?

Prien: Der Bund fördert den Kita-Ausbau jährlich mit zwei Milliarden Euro (...). Aber wir müssen uns ehrlich machen: Wir können nicht alles gleichermaßen und dann auch noch kostenfrei finanzieren.

ZDFheute: Viele Familien sagen, steigende Kosten lassen sie an einem zweiten oder dritten Kind zweifeln. Ist das nicht am Ende eine Geldfrage?

Prien: Wir haben in den vergangenen Jahren Leistungen wie Kindergeld oder Kinderzuschlag bereits erhöht und zusätzliche Hilfen etwa im Bildungs- und Teilhabepaket vorgesehen.

Wir haben in Deutschland über 150 Leistungen für Familien und Kinder. Aber es ist mitnichten so, dass mehr Leistungen automatisch zu mehr Lust auf Kinder führen.

Am Ende entscheidet auch die innere Einstellung - also ob Menschen Familie überhaupt als Priorität sehen.

Frauen stehen in einer Reihe und halten Schilder hoch mit der Aufschrift "Leere Wiege, volle Arbeitskraft?"

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ZDFheute: Frauen leisten noch immer 43 Prozent mehr unbezahlte Sorgearbeit pro Tag als Männer. Genau deshalb fürchten viele, dass Kinder einen Karriereknick bedeuten.

Prien: Die Frage ist, inwieweit Politik in die Familien hineinwirken kann und sollte. Wir müssen versuchen, ein positives Familienbild zu vermitteln - eines, das auch Männern deutlich macht: Wenn sie sich stärker an Kinder- und Sorgearbeit beteiligen, ist das ein großer Gewinn. Ohne eine Veränderung des Mindsets werden wir das nicht erreichen.

14.07.2025, Brandenburg, Frankfurt (Oder): In einem Klassenraum einer Grundschule sind alle Stühle hochgestellt. (zu dpa: «In den Ferien daheim - Was können Kinder unternehmen?»)

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ZDFheute: Wenn Sie vom Mindset reden, machen Sie es sich als Politik nicht etwas einfach?

Prien: Natürlich nicht. Diese These wäre ja absurd angesichts der hohen Investitionen, die der Bund außerhalb seiner Zuständigkeit im Kita- und Schulbereich tätigt. (...) Aber ohne dass sich das Mindset verändert und junge Menschen bereit sind, auch eine Priorität auf Familie zu setzen, wird es nicht gehen.

Wahlfreiheit heißt auch, auf Dinge zu verzichten. Wahlfreiheit heißt nicht, alles gleichzeitig haben zu können.

ZDFheute: Heißt das für junge Frauen: Karriere muss erst mal pausieren, wenn sie Familie wollen?

Prien: Nein. Natürlich können sie Karriere machen, auch Top-Karriere. Aber sie müssen Kinderbetreuung organisieren - mit Partner, Familie, Freunden (...). Und ja, das wird anstrengend, weil die Kita keine 16-Stunden-Lösung bietet. Aber Kinder sind heute kein zwingender Karriere-Cut mehr.

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18.06.2025 | 2:01 min

ZDFheute: Viele Frauen zweifeln trotzdem, ob Familie und Beruf wirklich zusammenpassen.

Prien: Das finde ich interessant. Diese Gedanken habe ich mir so nie gemacht. Für mich war klar: Ich will Familie und gleichzeitig einen erfüllenden Beruf. Mein Mann und ich haben gesagt: Wir schaffen das zusammen. (...) Und so war es auch - wenn auch nicht immer leicht. Die Kinderbetreuungssituation war vor 25 Jahren deutlich schlechter als heute. Wahrscheinlich ist auch etwas dran: Je länger man mit dem Kinderkriegen wartet, desto schwerer fällt es, Abstriche von dem Leben zu machen, das man sich eingerichtet hat.

Wir sind heute sehr anspruchsvoll, was persönliche Freiheiten betrifft. Natürlich bedeutet Kinder zu haben, auf anderes zu verzichten - weil man Zeit nur einmal verbringen kann.

Und eine gleichberechtigte Partnerschaft bedeutet richtige Arbeit, weil man das immer wieder neu aushandeln muss. Aber das kann der Staat einem Paar nicht abnehmen.

Das Interview führten Eva Schulz und Julia Friedrichs.

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