Hamburger Zukunftsentscheid: Klimaneutralität vorziehen?

Volksentscheid in der Hansestadt:Früher klimaneutral? Hamburger stimmen ab

von Mareike Domröse
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Soll Hamburg das Ziel der Klimaneutralität von 2045 auf 2040 vorziehen? Am 12. Oktober können rund 1,3 Millionen Wahlberechtigte in einem Volksentscheid darüber abstimmen.

Hamburger Zukunftsentscheid Klimaneutralität

Soll Hamburg schon 2040, fünf Jahre früher als geplant, klimaneutral werden? In diesen Tagen läuft der Endspurt im Wahlkampf um den Zukunftsentscheid, initiiert von NABU, ver.di und Fridays for Future.

10.10.2025 | 2:06 min

Die Initiative "Hamburger Zukunftsentscheid" setzt sich dafür ein, dass Hamburg bereits im Jahr 2040 klimaneutral ist, also fünf Jahre früher, als es das derzeit gültige Klimaschutzgesetz vorsieht. Die Initiative fordert in ihrem Gesetzesentwurf eine verbindliche jährliche CO2-Reduktion, Sozialverträglichkeit in der Umsetzung und eine Klimaneutralität bis 2040. Damit der Entscheid angenommen wird, braucht es ein Zustimmungsquorum von 20 Prozent - das entspricht etwa 262.000 gültigen Ja-Stimmen - sowie mehr Ja- als Nein-Stimmen.

Hamburg hinkt hinterher

Angestoßen wurde die Volksinitiative von der Klimabewegung "Fridays for Future". Unterstützt wird sie von einem breiten Bündnis aus über 160 Organisationen, darunter Umweltverbände wie BUND, Greenpeace und Nabu, aber auch die Gewerkschaft ver.di, der FC St. Pauli und der Mieterverein Hamburg.

Dass in Hamburg Nachholbedarf besteht, zeigt auch das aktuelle Energiewende-Ranking des WWF Deutschland: Im Bundesländervergleich landet Hamburg auf dem letzten Platz.

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Im Wahlkampf war die Initiative mit über 1.000 Ehrenamtlichen aktiv. Es wurden Flyer verteilt, Plakate aufgehängt und Haustürgespräche geführt. Sprecherin der Initiative Annika Rittmann erklärt:

"Unabhängig davon, wann wir klimaneutral werden in Hamburg, ob 2040 oder 2045, müssen wir als Stadt Geld in die Hand nehmen. Es gibt aber keinen großen Unterschied darin, ob wir das jetzt machen oder fünf Jahre später."

Vielmehr ist die Gefahr, dass wir jetzt weiter vor uns rumdümpeln und dann einen noch kürzeren Zeitpunkt haben, um diese Transformation zu schaffen.

Annika Rittmann, Sprecherin Initiative "Hamburger Zukunftsentscheid"

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Gutachten zeigt: Klimaneutralität ist machbar

Ein Gutachten im Auftrag der Hamburger Umweltbehörde hat geprüft, ob und wie Hamburg bis 2040 klimaneutral werden kann. Das Fazit: Es ist möglich, aber nur mit tiefgreifenden Maßnahmen. Dazu zählen ein Verbot von Gas- und Ölheizungen, flächendeckend Tempo 30, die komplette Elektrifizierung des Verkehrs und ein Ausstieg aus Erdgas in der Industrie.

Befürworter sowie Gegner des Volksentscheids sehen sich durch das Gutachten bestätigt. Zu den Befürwortern zählt Dr. Hans Schäfers, Professor für Energieeffizienz an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften:

Der Weg ist zwar herausfordernd, aber besser wir handeln jetzt, als fünf Jahre zu spät.

Dr. Hans Schäfers, Professor für Energieeffizienz an der Hochschule für Angewandte Wissenschaften

Der Zukunftsentscheid würde jährliche Datenerhebungen und verbindliches politisches Nachsteuern gesetzlich vorschreiben.

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Die Wirtschaft bewertet das Vorhaben dagegen kritisch. Handelskammer, Handwerkskammer und die Unternehmensverbände Nord warnen vor negativen Folgen. Philipp Murmann, Präsident der Unternehmensverbände Nord, betont:

Es wird Arbeitsplätze kosten, Wohnen und Leben erheblich verteuern und den Wirtschaftsstandort deutlich schwächen.

Philipp Murmann, Präsident der Unternehmensverbände Nord

Auch der rot-grüne Hamburger Senat lehnt es ab, das Klimaziel vorzuziehen. "Wir haben gesagt, wir wollen spätestens bis 2045 klimaneutral werden," so die Umweltsenatorin Katarina Fegebank (Grüne). "Und ich sehe gerade, dass wir alle sowohl im Bereich Verkehr, Energie- und Wärmewende, Transformation, Industrie, aber auch im Bereich der Gebäude ganz hart daran arbeiten, schnell unsere Klimaziele zu erreichen. Das ist der Kurs, das ist Planbarkeit, das ist Verlässlichkeit und deshalb setzen wir darauf."

Die Entscheidung liegt nun bei den Hamburgerinnen und Hamburgern. Sie stimmen darüber ab, ob die Stadt in Sachen Klimaschutz einen ambitionierteren Pfad einschlagen soll, mit allen Chancen und Herausforderungen, die dieser mit sich bringt.

Am 12. Oktober stimmt Hamburg neben dem Zukunftsentscheid ebenfalls über ein Modell zum bedingungslosen Grundeinkommen ab. Die Initiative "Expedition Grundeinkommen" will einen staatlich finanzierten, wissenschaftlich begleiteten Modellversuch starten: 2.000 Menschen sollen drei Jahre lang monatlich mindestens 1.346 Euro erhalten, unabhängig von Einkommen oder Erwerbstätigkeit. Ziel ist es, Auswirkungen auf das Leben der Menschen und das gesellschaftliche Miteinander zu untersuchen.

Kritiker (u. a. von SPD, CDU, Grünen) befürchten hohe Kosten und eine Gefährdung des Sozialstaats. Befürworter sehen darin eine Chance zur Minderung von Existenzängsten und mehr Chancengleichheit. Für einen Erfolg braucht es auch hier etwa 262.000 Ja-Stimmen und eine einfache Mehrheit.


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