Bundestag setzt Familiennachzug für bestimmte Flüchtlinge aus

Emotionale Debatte:Bundestag setzt Familiennachzug von Geflüchteten aus

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Der Bundestag hat für die Aussetzung des Familiennachzugs für bestimmte Flüchtlinge votiert. Laut Innenminister Dobrindt soll Migration so begrenzt und besser gesteuert werden.

Familie von hinten in Frankfurter Messehalle
Subsidiär Schutzberechtigte, denen in ihrem Heimatland ernste Schäden drohen, durften bislang in begrenztem Maße Familienmitglieder nachholen. Das hat der Bundestag nun gestoppt.27.06.2025 | 1:34 min
Bestimmte Geflüchtete dürfen schon bald keine engen Angehörigen wie Ehepartner, Eltern oder Kinder mehr nach Deutschland nachholen. Der Bundestag hat am Freitag die Aussetzung des Familiennachzugs für Menschen mit sogenanntem subsidiären Schutzstatus beschlossen. Betroffen sind etwa 380.000 Migranten in Deutschland.
Der Stopp soll ab Inkrafttreten zunächst für zwei Jahre gelten. Ausnahmen sind nur in Härtefällen vorgesehen. Unter den "subsidiären Schutz" fallen häufig Bürgerkriegsflüchtlinge, viele davon aus Syrien.
Für den Gesetzentwurf der schwarz-roten Koalition stimmten laut Bundestagsvizepräsident Bodo Ramelow 444 Abgeordnete. 133 Parlamentarier stimmten mit Nein.
Abstimmung über Aussetzung des Familiennachzugs

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Innenminister Dobrindt wirbt für Gesetz

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte zuvor im Bundestag für die Aussetzung des Familiennachzugs geworben. In der Plenardebatte sagte Dobrindt:

Wir setzen damit die migrationspolitische Überschrift für diese Legislaturperiode: Humanität und Ordnung.

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister

Das Gesetz werde zur Folge haben, dass künftig 12.000 Menschen pro Jahr weniger nach Deutschland kommen, sagte Dobrindt.

Dobrindt: Belastbarkeit der Systeme hat Grenzen

Damit solle eine Überforderung von Staat und Gesellschaft angesichts des Zuzugs vieler Migranten nach Deutschland vermieden werden, sagte der Innenminister. Die Belastbarkeit des deutschen Sozialsystems, des Bildungswesens, des Betreuungssystems und des Wohnungsmarkts habe Grenzen.

Deswegen muss auch der Zuzug nach Deutschland eine Grenze kennen, und die bilden wir politisch ab.

Alexander Dobrindt (CSU), Bundesinnenminister

Das Gesetz ziele außerdem darauf ab, ein "Geschäftsmodell krimineller Banden" zu zerschlagen. Dieses Modell laute: "Es muss nur einer es nach Deutschland schaffen, dann kann die ganze Familie nachziehen", sagte Dobrindt. "Auf dieser Logik basieren kriminelle Geschäftsmodelle von Verbrechern, Schleppern, Banden. Dagegen treten wir heute an."
Familiennachzug: Visa für Angehörige

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Erregte Zwischenrufe der Opposition

Dobrindts Rede im Plenum wurde von teils erregten Zwischenrufen der Opposition begleitet. Bundestagspräsidentin Julia Klöckner erteilte dem Linken-Abgeordneten Luigi Pantisano einen Ordnungsruf, weil dieser den Innenminister in Zwischenrufen der "Lüge" bezichtigt hatte. Die fluchtpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Clara Bünger, sagte, die Koalition betreibe eine "menschenfeindliche Abschreckungspolitik".
Die Aussetzung des Familiennachzugs sei "unbarmherzig", kritisierte der innenpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Marcel Emmerich. Ohne ihre Familien fehle Geflüchteten oft der emotionale Rückhalt, der für eine erfolgreiche Integration notwendig sei. Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Alexander Throm (CDU), konterte die Kritik von Grünen und Linken mit dem Satz, es gehe schließlich "um Zugang zu Personen, die ursprünglich illegal nach Deutschland gekommen sind".
Diana Zimmermann in Berlin.
Innenminister Dobrindt will, dass die Bundesregierung künftig allein entscheiden kann, was ein sicheres Herkunftsland ist. Was er mit dieser Reform bezweckt, berichtet Diana Zimmermann.04.06.2025 | 1:26 min

AfD: "Klitzekleiner Schritt in die richtige Richtung"

Die AfD bezeichnete das Gesetzesvorhaben der Koalition als einen "klitzekleinen Schritt in die richtige Richtung", den sie deshalb unterstütze. AfD-Parlamentsgeschäftsführer Bernd Baumann warf Dobrindt in einer Zwischenintervention vor, mit dem Gesetz Vorstellungen der AfD kopiert zu haben. Dobrindt erwiderte, anders als die AfD stehe die Bundesregierung "nicht für Radikalisierung und Extremismus". Sie stehe vielmehr dafür, "dass die Polarisierung in diesem Land zurückgefahren wird".
Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik (SPD), sagte, man müsse endlich wegkommen, von der "Negativdebatte" über Migration. Schließlich biete diese auch Chancen für die deutsche Gesellschaft. Der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Sebastian Fiedler, räumte ein, die Aussetzung des Familiennachzugs sei "ein Thema, das sich die SPD so nicht ausgedacht hätte".

Pro Asyl will rechtliche Schritte prüfen

Pro Asyl verwies darauf, dass einige der Betroffenen schon seit Jahren auf eine Einreise ihrer Angehörigen warteten. Die Flüchtlingsrechteorganisation kündigte an, sie werde rechtliche Schritte prüfen "und wenn nötig, die Betroffenen darin unterstützen, gegen Rechtsverletzungen zu klagen".
Das Gesetz zur Aussetzung des Familiennachzugs ist das erste große migrationspolitische Vorhaben der neuen Bundesregierung, die sich eine Begrenzung der Migration auf die Fahnen geschrieben hat.
Wer davon betroffen ist und was hinter dem Gesetzentwurf steckt:
Quelle: AFP, dpa, Reuters

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