China-Experte: Konflikte mit Europa "gehen ans Eingemachte"

Interview

Europa und China:Konflikte "gehen ans Eingemachte"

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Der chinesische Außenminister Wang Yi ist zu Besuch in Berlin. China-Experte Huotari erwartet, dass die Regierung Merz einen härteren Kurs gegenüber Peking fährt als die Ampel.

Mikko Huotari, China-Experte
Beim Regierungsstart habe Schwarz-Rot andere Prioritäten als China gesetzt, sagt China-Experte Mikko Huotari. Künftig erwarte er aber "einen noch klareren Kurs" als bei der Vorgängerregierung.03.07.2025 | 0:37 min
ZDFheute: Herr Huotari, was erwartet China von diesem Antrittsbesuch seines Außenministers in Berlin?
Mikko Huotari: China möchte ein starkes Signal senden, dass Europa an der Seite Chinas steht, dass die beiden Seiten gemeinsam einstehen für Stabilität im Welthandel, für Sicherheit in den Lieferketten, dass also die Probleme, die eigentlich in den Beziehungen bestehen, ausgeblendet werden.

... ist Direktor des Mercator Institute for Chinese Studies (MERICS). Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Chinas innere und wirtschaftliche Entwicklung sowie Außenpolitik, die chinesisch-europäischen Beziehungen sowie globales (wirtschaftspolitisches) Regieren und Wettbewerb. 

ZDFheute: Worum geht es für Deutschland und auch für Europa?
Huotari: Für Europa ist klar, die Gräben sind weiterhin groß. Die chinesische Unterstützung für Russland im Angriffskrieg gegenüber der Ukraine ist eine Herausforderung für europäische Sicherheit.

In Handelsfragen laufen Europa und China gegeneinander, nicht miteinander. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass aktuell eine Annäherung stattfindet.

Mikko Huotari, China-Experte

Im Gegenteil: Ungleichgewichte im Handel wachsen und Europa fährt immer mehr Instrumente auf, um eigene Interessen zu schützen. Das Wichtigste ist im Moment die Frage nach dem Zugang zu kritischen Rohstoffen, Seltene-Erden-Magneten insbesondere. Hier hat China zuletzt mit Exportkontrollen seine Zwangsmittel gezeigt. Und hier muss Europa sicherstellen, dass wir trotzdem verlässliche Lieferfähigkeit haben.
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ZDFheute: Die Regierung Merz setzt im Koalitionsvertrag im Umgang mit China deutlich auf "De-Risking", also die Minimierung von Risiken und Abhängigkeiten - zusammen mit den europäischen Partnern und den USA. Lässt sich das durchhalten, auch angesichts der Handelspolitik von Donald Trump?
Huotari: De-Risking als Strategie kann nur durchgeführt werden, wenn Europa gemeinsam dafür einsteht. Das ist jetzt die Aufgabe in Berlin: sicherzustellen, dass wir gemeinsam an einem Strang ziehen. Gleichzeitig müssen wir aber auch die Risiken im Verhältnis zu den USA minimieren. Insofern ist das Spiel komplexer und schwieriger geworden.
Es bleibt aber eine Restchance, dass wir bei den Herausforderungen, die viele gleichgesinnte und andere Akteure auf der Welt mit China haben, dass man im G7-Kontext und darüber hinaus stärker zusammenarbeitet, wo möglich mit den USA, wo nötig ohne.
ZDFheute: Wang Yi war im Frühjahr bei der Münchener Sicherheitskonferenz. Sein Auftritt wurde damals als Charmeoffensive wahrgenommen. Danach wurde Chinas Ton trotzdem noch mal rauer, warum?
Huotari: Von dem Charme ist wenig geblieben. Es ist eher ein Schwarm, der gerade über Europa schwappt.

Viele Delegationen, mehr Austausch, viele Besuche, aber in der Substanz ist die Tonalität härter geworden. Die Konflikte zwischen Europa und China gehen ans Eingemachte.

Mikko Huotari, China-Experte

Es geht um die Zukunft des Industriestandorts Europa, es geht um europäische Sicherheit, um Innovationswettbewerb, Cybersicherheit und Resilienz der Demokratie. All das sind Themen, bei denen die Zeichen eher auf Konflikt stehen. China selbst sieht im Moment wenig Notwendigkeit, gegenüber Europa Kompromisse oder Zugeständnisse zu machen.
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ZDFheute: Johann Wadephul hat in Oppositionszeiten zusammen mit Friedrich Merz ein Positionspapier zu China erarbeitet, da ging es um die Neuordnung der Beziehung. Erwarten Sie, dass das, was in Oppositionszeiten deutlich formuliert wurde, jetzt auch Regierungsstrategie wird?
Huotari: Die Regierung hat jetzt erst mal ein paar Wochen gebraucht, um sich zu finden. China-Politik war nicht an oberster Stelle. Das scheint erstmal nachvollziehbar angesichts der globalen Lage, auch wenn in allen Themen - vom Ukraine-Krieg, dem Nahen Osten, zur neuen Außen- und Wirtschaftspolitik der USA, immer mehr China drinsteckt. Aber gerade bei der Frage nach dem Zugang zu Rohstoffen wurde nochmal deutlich, wie dringlich die Aufgabe des De-Risking ist. Ich glaube, hier wird es relativ große Kontinuität mit dem Kurswechsel in der China-Strategie der vorigen Regierung geben.

Von Merz und Wadephul ist insgesamt eine Skepsis und eine größere Vorsicht im Umgang mit China zu hören, das als sicherheitspolitischer und auch als systemischer Rivale gesehen wird.

Mikko Huotari, China-Experte

Insofern erwarte ich insgesamt einen noch klareren und härteren Kurs, als das vielleicht in der vorherigen Regierung der Fall war.
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ZDFheute: Welche Klarheit erwarten Sie beim Thema Menschenrechte?
Huotari: Das spricht das Außenministerium traditionell an und wird es auch bei diesem Besuch machen. Es ist klar, dass die neue Bundesregierung in Deutschland dieses Thema nicht ganz so hoch und laut fahren wird. Aber es bleiben ja normative Konflikte und da müssen wir mit China deutlich kommunizieren.
Das Interview führte ZDF-Hauptstadtkorrespondentin Andrea Maurer.

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