Wehrpflicht vor Neustart? Schwarz-rote Regierung uneins
Verstärkung der Bundeswehr:Debatte um Wehrpflicht: Schwarz-Rot uneins
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Steht die Wehrpflicht in Deutschland angesichts wachsender Bedrohungen vor einem Neustart? In der schwarz-roten Koalition gibt es diesbezüglich zunehmend Differenzen.
Kommt eine Wehrpflicht bei der Bundeswehr? Die Debatte darüber läuft. (Symbolbild)
Quelle: dpa
Russische Bedrohungen, chinesische Abhängigkeiten, us-amerikanisch getriebene Unsicherheiten. Es sind viele Gründe, die Befürworter einer stärkeren Bundeswehr aufführen.
Im November 2023 hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius im ZDF gesagt: "Wir müssen kriegstüchtig werden, wir müssen wehrhaft sein und die Bundeswehr und die Gesellschaft dafür aufstellen." In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich Union und SPD schließlich auf einen Wehrdienst verständigt, "der zunächst auf Freiwilligkeit basiert".
Auf der schwedischen Militärbasis in Umeå sind 60 Prozent der Wehrdienstleistenden Frauen. Könnte Schwedens Wehrpflicht zum Vorbild für Deutschland werden?21.05.2025 | 6:36 min
Generalmajor: Freiwilliger Wehrdienst reicht nicht
Einige setzen aber jetzt schon auf ein Pflichtmodell. Die allgemeine Wehrpflicht ist seit Juli 2011 ausgesetzt. Doch die Bundeswehr brauche nunmal mehr Personal, sagte Generalmajor Andreas Henne kürzlich den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland:
Für den Schutz verteidigungskritischer Infrastruktur brauche ich einfach mehr Soldatinnen und Soldaten, als ich zurzeit bekommen kann.
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Andreas Henne, Generalmajor
Deshalb reiche perspektivisch der freiwillige Wehrdienst, der noch in diesem Jahr anlaufen könnte, nicht, sagte er.
2011 wurde die Wehrpflicht in Deutschland ausgesetzt. Angesichts der internationalen politischen Lage beschäftigt die Debatte um eine Wiedereinführung der Wehrpflicht Politik und Bürger.09.04.2025 | 6:40 min
Frei: Nicht bis "Sankt-Nimmerleins-Tag" warten
Die schwarz-rote Koalition ist hinsichtlich eines Pflichtmodells unentschieden. Hatte SPD-Fraktionschef Matthias Miersch Anfang Juni noch keine Gespräche zur Wehrpflicht innerhalb dieser Legislaturperiode gesehen, erhöht Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU) nun den Druck.
Ob die von Pistorius ausgerufenen Ziele von 50.000 bis 60.000 zusätzlichen aktiven Soldaten mit Freiwilligkeit erreicht werden können, sei fraglich. "Wir haben nicht die Zeit, bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag zu warten", so Frei.
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Die schwarz-rote Koalition müsse eine klare Verabredung treffen, "wann wir unsere Strategie verändern müssen, damit wir das allseits für notwendig erkannte Ziel auch erreichen können".
Dann muss man sich überlegen: Wie viel Zeit können wir uns lassen, dieses Ziel auf freiwilliger Basis zu erreichen?
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Thorsten Frei, Kanzleramtsminister
Im Koalitionsvertrag ist die Gesamtzahl von 230.000 bis 240.000 Soldaten festgeschrieben. Wenn der wunschgemäße Weg der Freiwilligkeit nicht zum Ziel führe, "dann entspricht es doch nur dem gesunden Menschenverstand, dass man nach einem anderen Weg sucht", so der CDU-Politiker.
Kriegstüchtig soll Deutschland werden, doch der Bundeswehr fehlen Tausende Soldatinnen und Soldaten. Das Problem ist größer, als es die Verantwortlichen öffentlich sagen.01.06.2025 | 3:48 min
Klingbeil: "Keine Rückkehr zur alten Wehrpflicht"
Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) erteilte den Forderungen nach Wiedereinsetzung der Wehrpflicht dagegen erneut eine klare Absage. Mitte April sagte er, er sei sicher, dass sich ausreichend Freiwillige finden würden. Gegenüber der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft sagte er nun:
Es wird keine Rückkehr zur alten Wehrpflicht geben, bei der alle jungen Männer eines Jahrgangs eingezogen werden.
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Lars Klingbeil, Bundesfinanzminister
Stattdessen müsse die Bundeswehr "deutlich attraktiver für junge Menschen werden". Der SPD-Chef sprach sich im Zuge dessen erneut dafür aus, den kostenlosen Führerschein beim Bund zu integrieren.
Allerdings zeigte sich Klingbeil einverstanden damit, dabei "jetzt schon die Voraussetzungen dafür" zu schaffen, "dass auch verpflichtend eingezogen werden könnte". Das solle für den Fall gelten, dass sich nicht genügend Freiwillige melden.
Die Bundeswehr braucht für die neuen Nato-Planungsziele bis zu 60.000 Soldaten zusätzlich, sagt Verteidigungsminister Pistorius. Die Truppe hat schon jetzt ein Personalproblem.05.06.2025 | 8:07 min
Frühere Verteidigungsministerin will Wiedereinführung
In die Debatte schaltet sich auch die frühere Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) ein. Sie ist heute schon klar für eine Dienst- oder Wehrpflicht. "Ich bin seit langem für eine allgemeine Dienstpflicht für Männer und Frauen", so Kramp-Karrenbauer im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Jetzt gehe es aber viel konkreter um die Sicherheit Deutschlands.
Da ist die Wiedereinführung der Wehrpflicht ohne nötige Grundgesetzänderung sicher der einfachste Weg.
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Auch Bundesverteidigungsminister Pistorius stellte beim Treffen der Nato-Veteidigungsminister Anfang Juni in Brüssel die Frage, ob der neue freiwillige Wehrdienst "über die nächsten Jahre" ausreiche, um die angestrebten Ziele zu erreichen. Er ergänzte jedoch:
Eine Wehrpflicht nützt jetzt gar nichts, weil wir die Kapazitäten weder in den Kasernen noch in der Ausbildung haben. Deswegen müssen diese Kapazitäten aufwachsen. Bis dahin gilt Freiwilligkeit.
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Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister
Sollten die 50.000 bis 60.000 zusätzlichen aktiven Soldaten durch diese Freiwilligkeit nicht erreicht werden, dürfte die Bundesregierung in Zukunft also nicht die Frage diskutieren, ob es zu einer Wehrpflicht kommt, sondern vielmehr wann und wie.
Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) wirbt für einen neuen Grundwehrdienst. Das Ziel: die Bundeswehr "kriegstüchtig" machen und eine mobilisierbare Reservetruppe aufbauen. 02.04.2025 | 13:13 min