Karlsruhe: Beamtenbesoldung in Berlin jahrelang verfassungswidrig

Beschluss des Bundesverfassungsgerichts:Beamtengehälter in Berlin jahrelang verfassungswidrig

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Entscheidung aus Karlsruhe: Die Beamtenbesoldung in Berlin war jahrelang bis auf wenige Ausnahmen verfassungswidrig. Berlin muss bis Ende März 2027 die Vergütung neu regeln.

Auf der Richterbank im Sitzungssaal im Bundesverfassungsgericht liegen Barette der Bundesverfassungsrichter des ersten Senats, aufgenommen am 30.08.2021

In seinem Beschluss betont das Bundesverfassungsgericht drei Schritte für die gerichtliche Prüfung, ob die Besoldung das Grundgesetz verletzt.

Quelle: dpa

Die Besoldung zahlreicher Berliner Beamtinnen und Beamten war über Jahre hin verfassungswidrig. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden. Die entsprechenden Regelungen im Berliner Besoldungsrecht waren in den Jahren 2008 bis 2020 demnach überwiegend nicht mit dem Grundgesetz vereinbar. Dabei ging es um Gruppen der sogenannten Besoldungsordnung A. Sie erhielten offenbar weniger Geld als verfassungsrechtlich geboten.

Im Ausgangsverfahren hatten sieben Berliner Beamte geklagt. Ihre Eingaben führten dazu, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin sowie das Bundesverwaltungsgericht 2017 und 2018 das Bundesverfassungsgericht anriefen, um die Gehälter überprüfen zu lassen.

Bundesverfassungsgericht

Das Bundesverfassungsgericht hat heute entschieden, dass die Besoldung vieler Beamten im Bundesland Berlin verfassungswidrig ist. Betroffene hatten eine Klage eingereicht.

19.11.2025 | 1:42 min

Das Verfassungsgericht ist zuständig, da das Berufsbeamtentum in Artikel 33 des Grundgesetzes garantiert ist. Dazu gehört auch eine angemessene Besoldung, die von den Karlsruher Richtern überprüft wird. Dass über die Entlohnung von Beamten anders als bei sonstigen Berufsgruppen das Verfassungsgericht wacht, liegt daran, dass Beamte nicht streiken dürfen. Insofern bleibt ihnen nur der Rechtsweg, um ihr Recht auf einen angemessenen Lebensunterhalt wirksam durchzusetzen.

Als Besoldung wird die Vergütung von Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern und Soldatinnen und Soldaten bezeichnet. Nach dem im Grundgesetz gewährten Alimentationsprinzip ist der Dienstherr verpflichtet, diesen Menschen und ihren Familien im aktiven Dienst, bei Invalidität und im Alter einen Lebensunterhalt zu bieten, der ihrem Amt angemessen ist.

Welche Höhe die Besoldung konkret haben muss, hängt von Faktoren wie dem Dienstrang und der damit verbundenen Verantwortung ab. Dass Beamten nach dem Grundgesetz eine amtsangemessene Vergütung zusteht, dient letztlich auch den Interessen der Allgemeinheit. Denn auf diese Weise soll die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Staatsbediensteten sichergestellt und das Risiko erfolgreicher Bestechungsversuche minimiert werden.


Mindestabstand zur Grundsicherung

Seit Jahren gibt es in vielen Bundesländern Streit um die Höhe der Besoldung - der auch immer wieder in Karlsruhe landet. Das Bundesverfassungsgericht hat seit 2015 in mehreren Entscheidungen einen Rahmen definiert, ab wann die Vergütung nicht mehr "amtsangemessen" ist. Diese Grundsätze hat das Gericht in der aktuellen Entscheidung weiterentwickelt.

So musste die Besoldung bislang mindestens 15 Prozent über dem Niveau der Grundsicherung liegen und der Familie einen angemessenen Unterhalt gewährleisten. Diese sogenannte Mindestbesoldung hat das Bundesverfassungsgericht mit der heutigen Entscheidung angepasst. Sie muss künftig bei mindestens 80 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens aller in Deutschland lebenden Menschen liegen.

Simone Fleichmann, Andreas Wunn und Volker Ullrich (rechts)

Sollten Beamtinnen und Beamte weniger in Teilzeit gehen dürfen? Ja, sagt Volker Ullrich, CSU. Nein, sagt Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands.

28.10.2025 | 13:03 min

Bundesverfassungsgericht prüft in drei Schritten

In seinem Beschluss betont das Bundesverfassungsgericht nun drei Schritte für die gerichtliche Prüfung, ob die Besoldung das Grundgesetz verletzt. Zunächst soll geprüft werden, ob die Mindestbesoldung eingehalten wird.

Die Frage, ob die Vergütung oberhalb dieser Schwelle liegt, ist allerdings nur der erste mehrerer Schritte, die laut Bundesverfassungsgericht bei der Überprüfung der Beamtenbesoldung gemacht werden müssen.

Deutscher Gewerkschaftsbund: Entscheidung war absehbar

Im zweiten Schritt soll kontrolliert werden, ob die Besoldung an "die Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards" angepasst sei. Das betrifft dann auch die Vergütung der Beamten, die Einkommen weit oberhalb der Mindestbesoldung erhalten. Falls die ersten zwei Schritte einen Verstoß ergeben, müsse im dritten Schritt geprüft werden, ob dieser eventuell ausnahmsweise verfassungsrechtlich gerechtfertigt ist.

Bärbel Bas (SPD), Bundesarbeitsministerin, nimmt am Landesparteitag der SPD in Nordrhein-Westfalen in der Mercatorhalle teil. Im Hintergrund sitzt die ehemalige Entwicklungsministerin Svenja Schulze.

Die neue SPD-Arbeitsministerin Bas schlägt vor, dass zukünftig auch Beamte und Selbstständige in die Rentenversicherung einzahlen sollen. Der Deutsche Beamtenbund lehnt den Vorschlag ab.

10.05.2025 | 1:46 min

Katja Karger, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin-Brandenburg, sagte, die Entscheidung des Verfassungsgerichts sei absehbar gewesen. Der DGB und seine Mitgliedsgewerkschaften hätten die Berliner Landesregierungen seit vielen Jahren regelmäßig darauf hingewiesen, dass das Land seinen verbeamteten Beschäftigten zu wenig zahlt - vergeblich. Die Beschäftigten erwarteten nun eine rechtmäßige Bezahlung, erklärte Karger.

Welche Länder sind von der Entscheidung betroffen?

Rückwirkend erhalten jetzt allerdings nur die Berliner Beamten eine höhere Bezahlung, die gegen ihre Besoldung Widerspruch eingelegt oder geklagt haben und deren Verfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen sind. Alle übrigen verbeamteten Landesbediensteten können nur mit Wirkung für die Zukunft auf mehr Geld hoffen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Land Berlin bis Ende März 2027 Zeit gegeben, die Besoldung auf ein verfassungskonformes Niveau anzuheben.

Unmittelbar betrifft die heutige Entscheidung nur die Beamtenbesoldung in Berlin. Mittelbar hat sie aber auch Auswirkungen auf andere Bundesländer. Denn auch sie sind an die Grundsätze gebunden, die das Bundesverfassungsgericht aufgestellt hat.

Quelle: dpa, AFP

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