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Experten üben Kritik:Wie sinnvoll sind die E-Auto-Steuervorteile?
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Der Verkauf von E-Autos läuft träge. Dem will die Bundesregierung mit Steuervorteilen begegnen. Doch Experten bezweifeln den Nutzen der Maßnahme.
Die Bundesregierung will die sinkende Nachfrage nach E-Autos wieder ankurbeln.
Quelle: dpa
Die Bundesregierung reagiert mit neuen Steuervorteilen auf schleppenden Absatz von Elektroautos - die Maßnahme ist Teil des Anfang Juli beschlossenen Wachstumspaketes und kommt nicht von ungefähr: Neuzulassungen im August brechen drastisch ein und Volkswagen steht vor historischen Einschnitten.
Diese Maßnahmen sind geplant
Die Bundesregierung will signalisieren, dass sie die kriselnden deutschen Automobilhersteller nicht im Stich lässt. Nach dem Stopp der staatlichen Kauf-Prämie hat das Kundeninteresse an Stromern nachgelassen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet nun einen "Nachfrage-Push".
Was ist konkret geplant?
- Für Unternehmen soll rückwirkend zum 1. Juli 2024 eine Sonder-Abschreibung für neu zugelassene vollelektrische und vergleichbare Nullemissionsfahrzeuge eingeführt werden.
- Außerdem soll bei der Dienstwagenbesteuerung für E-Fahrzeuge der sogenannte Deckel für den Brutto-Listenpreis von 70.000 Euro auf 95.000 Euro angehoben werden.
- Die Regelung umfasst ausschließlich neu angeschaffte, rein elektrisch betriebene Fahrzeuge. Sie soll für Anschaffungen im Zeitraum von Juli 2024 bis Dezember 2028 befristet eingeführt werden.
Die temporäre Begrenzung setzt Anreize für zügige Investitionsentscheidungen.
aus dem Gesetzentwurf
Kritik entzündet sich daran, dass Privatkäufer leer ausgehen, die Maßnahme vor allem Gutverdiener begünstigt:
"Um die Elektromobilität für eine große Kundengruppe erreichbar zu machen, muss es Anreize auch für Privatkunden geben, die gerade im unteren Preissegment zwischen 20.000 und 25.000 Euro vergeblich nach Elektroautos suchen", sagt Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft von der Universität Ostfalia.
Ankündigung von Habeck "mit geringer Wirkung"
Der Preisunterschied im Kleinwagensegment und unterem Kompaktwagensegment zwischen Verbrenner und vergleichbarem E-Auto sei um mehrere tausend Euro teurer als bei den Oberklassemodellen.
Die ausgelaufene Umweltprämie, die gemeinsam von Politik und Automobilhersteller getragen wurde, war da das bessere Mittel der Wahl!
Helena Wisbert, Professorin für Automobilwirtschaft
Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer hält es für einen Fehler, Privatkunden auszuschließen. Das Ganze sei eine große Ankündigung von Wirtschaftsminister Habeck "mit geringer Wirkung". Der Vize-Kanzler erwartet einen "Nachfrage-Push" für Stromer, weil Dienstwagen für den Gebrauchtwagenmarkt eine wichtige Rolle spielen, da sie meist nach kurzer Zeit wieder verkauft werden.
Mitnahmeeffekte befürchtet
Werden die Maßnahmen der Branche insgesamt helfen? Ja, meint Helena Wisbert - allerdings mit einer Einschränkung: "Es kann zu einem leichten Nachfrageschub führen, der aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein sein wird." Dennoch hält sie die verbesserten steuerlichen Abschreibungsbedingungen bei Dienstwagen "auf jeden Fall" für "sinnvoll, um den Hochlauf der Elektromobilität zu unterstützen."
Zulassungen auf Unternehmen machten schließlich die Mehrheit der Neuzulassungen an Elektroautos aus. Allerdings sind die Verkäufe von E-Autos an Privatkunden seit dem Auslauf der Umweltprämie Ende 2023 sehr viel stärker eingebrochen.
Unternehmen mit einer großen Fuhrparkflotte haben dagegen oft den Anreiz, auf Grund eigener CO2-Unternehmensziele nur E-Autos als Dienstwagen vorzugeben.
Helena Wisbert, Automobilwirtschaftsprofessorin
Dudenhöffer kritisiert: "Die steuerliche Förderung wird viele Mitnahmeeffekte auslösen, ohne der Automobilindustrie wirklich zu helfen." Habeck bediene sich eines Ausgabentricks und verschone die Ausgabeseite, weil dafür kein Geld im Haushalt sei. "Er belastet aber die Seite der Steuereinnahmen."
Die Steuermindereinnahmen werden im Gesetzentwurf für das Jahr 2024 als geringfügig bezeichnet. Im Jahr 2025 werden die Steuermindereinnahmen auf 480 Millionen Euro beziffert, sie sollen bis 2028 auf 540 Millionen Euro steigen.
Die aktuell schwache Lage der Automobilbranche führen Beobachter auch auf die Bundesregierung zurück. Sie stoppte im Herbst 2023 die Kaufprämie für E-Autos kurzfristig, weil im Haushalt das Geld dafür ausging. Obwohl viele Hersteller danach ihre Preise senkten, löste der Prämien-Wegfall unter potenziellen Käufern tiefe Verunsicherung aus.
Ziel der Bundesregierung wird vermutlich nicht erreicht
E-Autos entwickelten sich zu Ladenhütern, die Zulassungszahlen brachen dramatisch ein: Heute meldet das Kraftfahrt-Bundesamt für den Monat August nur noch nur 27.000 Neuzulassungen von PKW mit batterieelektrischem Antrieb - 69 Prozent weniger als im Vorjahresmonat.
Das Ziel der Bundesregierung, bis zum Jahr 2030 rund 15 Millionen E-Autos auf Deutschlands Straßen zu bringen, dürfte vorerst Wunschvorstellung bleiben.
Quelle: dpa
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