Brandenburg: Abstimmung zeigt, wie fragil die Koalition ist

Gespaltenes BSW:Brandenburg: Abstimmung zeigt, wie fragil die Koalition ist

Jan Meier, ZDF-Landesstudio Brandenburg in Potsdam, mit Mikrofon.

von Jan Meier

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Vier BSW-Abgeordnete in Brandenburg haben ihre Partei verlassen, bleiben aber in der Fraktion. Bei einer Abstimmung zeigt sich nun: Das BSW ist gespalten, die Koalition fragil.

Niels-Olaf Lüders (l, BSW), Fraktionschef, nimmt neben Robert Crumbach (r, BSW), Brandenburgs Minister der Finanzen und für Europa, im Landtag am Hauptausschuss teil.

Koalitionskrise in Brandenburg: Vize-Ministerpräsident Robert Crumbach vom BSW stimmte anders als sein Parteifreund und Fraktionschef Niels-Olaf Lüders ab.

Quelle: dpa

Es ist ein in Parlamenten sehr ungewöhnlicher Vorgang. Vier Landtagsabgeordnete in Brandenburg treten aus ihrer Partei, dem BSW, aus, bleiben aber in ihrer Fraktion. Die Regierungskoalition mit der SPD behält also ihre Mehrheit.

Doch aus Sicht des Politikwissenschaftlers Jan Philipp Thomeczek von der Universität Potsdam ist "absolut vorstellbar, dass die Koalition jetzt platzt". Sie hat im Parlament ohnehin nur eine knappe Mehrheit von zwei Stimmen.

Regierungsmehrheit ist in Gefahr

Was die Spaltung der BSW-Fraktion bedeutet, zeigte sich am Mittwoch im Hauptausschuss des Brandenburger Landtags: Vize-Ministerpräsident Robert Crumbach vom BSW stimmte mit Ja, sein Parteifreund und Fraktionschef Niels-Olaf Lüders mit Nein. Im Ergebnis empfahl das Gremium mit fünf gegen vier Stimmen die Annahme von zwei Reformstaatsverträgen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland.

Es nahm damit möglicherweise vorweg, was am 19./20. November im Landtag geschehen könnte, wenn die vier aus dem BSW ausgetretenen Abgeordneten für die Staatsverträge und bis zu zehn weitere BSW-Abgeordnete dagegen stimmen.

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Damit bringt die Regierung in dieser Abstimmung keine eigene Mehrheit mehr auf. Nur mit der oppositionellen CDU kann noch verhindert werden, dass Brandenburg die Staatsverträge kippt, nachdem die Parlamente in allen anderen 15 Bundesländern die Verträge ratifiziert haben. Fraktionschef Jan Redmann hat bereits angekündigt, dass die zwölf CDU-Abgeordneten dafür stimmen werden.

Parteiaustritt wegen radikalisierter Positionen im BSW

Die vier BSW-Abgeordneten begründeten am Dienstag ihren Parteiaustritt unter anderem damit, dass radikalisierte Positionen im BSW dominierten und autoritäre Tendenzen zunehmend das innerparteiliche Klima prägten. Zuletzt verlangte Bundeschefin Sahra Wagenknecht, dass das BSW in Brandenburg gegen die Reformstaatsverträge stimmen solle.

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Wie tief der Riss im BSW ist, zeigte sich zu Beginn der Hauptausschusssitzung. Finanzminister Crumbach stellte sein Namensschild einen Sitz weiter. So saß er nicht mehr direkt neben dem Fraktionschef.

Bereits die Bildung der Koalition mit der SPD vor einem Jahr war schwierig. Nur mit Mühe fand sich eine Kompromissformel in der Russland-Politik. Im Oktober kam es dennoch zum Eklat. Zu einer Ausstellungseröffnung lud das BSW den russischen Botschafter ein. Die SPD-Abgeordneten blieben der Veranstaltung fern.

Dass Parlamentsabgeordnete aus ihrer Partei austreten, aber weiter ihrer Fraktion angehören, passiert äußerst selten.

Im Bundestag ist nur ein Fall bekannt: Im Oktober 2023 traten Sahra Wagenknecht und neun weitere Abgeordnete aus der Linkspartei aus, blieben aber zunächst Mitglieder der Linksfraktion, die aber dann nur noch zwei Monate überdauerte. Keine vier Monate nach ihrem Parteiaustritt bildeten die zehn Abgeordneten im Februar 2024 eine eigene Gruppe im Bundestag, die Gruppe BSW.


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Bereits im März enthielt sich Brandenburg der Stimme bei der Entscheidung im Bundesrat über das sogenannte Sondervermögen mit milliardenschweren Krediten für Infrastruktur, Klimaschutz und Verteidigung, weil das BSW die Aufstockung des Bundeswehretats ablehnte.

Zukunft der Regierungskoalition ist unberechenbar

Die SPD legt Langmut an den Tag, weil sie keine Option auf eine andere Mehrheit im Landtag hat. Doch aus Sicht von Kai Niklasch, Leiter des ZDF-Studios Brandenburg, ist "die bestehende Koalition eine Koalition auf Abruf. Denn die Entscheidungsträger sehen sich bereits nach Alternativen um." Sollten die vier abtrünnigen BSW-Abgeordneten mitspielen, könnte die SPD auch mit der CDU koalieren.

Noch versichern beide Regierungspartner, ihre Koalition stehe. Doch die SPD forderte vom BSW Besserung für die Zukunft: "Wir erwarten, dass das einmalig war." SPD-Fraktionschef Jörn Lüttmann sagte:

Im Land wollen die Menschen, dass wir uns nicht im Klein-Klein verstricken und dass gearbeitet wird.

Jörn Lüttmann, SPD-Fraktionschef

Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke, der Brandenburg seit zwölf Jahren in wechselnden Koalitionen regiert, gibt sich zuversichtlich. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur versicherte er: "Die Diskussionen, die innerhalb des BSW laufen, haben mit der Koalition nichts zu tun." Doch was, wenn das BSW erneut unterschiedlich abstimmt? Die Zukunft des bundesweit einzigen Regierungsbündnisses von SPD und BSW ist ein Stück weit unberechenbarer geworden.

Jan Meier ist Korrespondent im Landesstudio Brandenburg in Potsdam.

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