Debatte bei "Am Puls": "Können wir uns Deutschland noch leisten?"

Hitzige Debatte bei "Am Puls":"Können wir uns Deutschland noch leisten?"

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Wut in den Wohnzimmern, Gelassenheit im Studio: In der großen ZDF-Livedebatte "Am Puls - Deutschland diskutiert" prallen Bürgerfrust und Politikerantworten offen aufeinander.

Am Puls/Deutschland diskutiert mit Christian Sievers

Steigende Preise, hohe Mieten, ungeklärte Fragen bei der Rente: Darüber diskutiert Christian Sievers live mit Spitzenpolitikern und Menschen aus Deutschland.

18.11.2025 | 89:49 min

Der Name der Sendung war Programm: "Ich kriege gerade richtig Puls", sagte Arbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) als es bei "Am Puls - Deutschland diskutiert" um die Zukunft der Rente in Deutschland ging. Christian Sievers hat zur Live-Diskussion ins ZDF-Studio in Berlin eingeladen. Unter dem Titel "Können wir uns Deutschland noch leisten?" debattierten Kanzleramtschef Thorsten Frei (CDU), CSU-Generalsekretär Martin Huber, Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD), AfD-Chef Tino Chrupalla, Grünen-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge sowie Linken-Parteivorsitzende Ines Schwerdtner über die drängendsten sozialen und wirtschaftlichen Fragen des Landes.

Das Besondere an der 90-minütigen Sendung: Bürgerinnen und Bürger waren live aus ihren Wohnzimmern zugeschaltet und konfrontierten die Politikerinnen und Politiker direkt mit ihren Fragen und Alltagssorgen. Die Antwort der zugeschalteten Bürger war eindeutig: Viele können sich Deutschland nicht mehr leisten.

"Puls-O-Meter": Wut in den Wohnzimmern, Gelassenheit im Studio

Gleich zu Beginn offenbarte ein "Puls-O-Meter" die Diskrepanz zwischen Politik und Bürgern. Bei der Aussage "Die Renten sind sicher" - einst als Beruhigung gemeint - blieben Bas und CSU-Mann Huber gelassen. In den zugeschalteten Wohnzimmern dagegen herrschte "viel Wut", wie Sievers feststellte.

Noch drastischer bei "Sei fleißig, dann geht's dir gut": Linken-Chefin Schwerdtner drehte ihren Regler auf maximale Wut und sagte: "Jede Pflegekraft ist fleißiger als die Politiker hier im Raum." AfD-Chef Chrupalla sekundierte: "Wenn sich Arbeit lohnen würde, hätten wir diese Probleme nicht.".

Bürger berichten von Existenzängsten

Die zugeschalteten Bürger machten deutlich, wie prekär die Lage für viele geworden ist. Den größten Applaus von der Videowand bekam der 20-jährge Fabian Simeon, Lokführer aus Berlin, der eine klare Analyse lieferte:

Der Generationenvertrag ist mit dem demografischen Wandel ausgelaufen. Wir bräuchten eine Neuauflage, einen Zukunftsvertrag.

Fabian Simeon, Lokführer aus Berlin

Besonders scharf kritisierte er: "Es wird uns nicht beigebracht, wie wir privat vorsorgen können. Das ist ein riesiges Versagen in unserem Bildungssystem."

Rentner Wolf Dieter Nest (83), ebenfalls aus Berlin lebt von 1.200 Euro Rente, seine Miete steigt wegen Modernisierungsmaßnahmen bald auf 940 Euro. Er "würde sogar arbeiten gehen" in seinem Alter, der Verdienst würde ihm aber zu einem Großteil wieder durch die Grundsicherung abgezogen, berichtet er.

Der alleinerziehende Vater von zwei Kindern, Sven Hoppach (48) wählte ebenfalls drastische Worte: "Kinder sind mittlerweile zum Luxusgut geworden."

Emotionale Debatte über die Rente

Die Rentendebatte zeigte, wie zerstritten die Politik ist. Arbeitsministerin Bas verteidigte die Arbeit der Regierung: "Wir führen eine Debatte nur für eine Generation und das halte ich für falsch. Ich habe drei Generationen, um die ich mich kümmern muss." Sie gab dem jungen Lokführer Simeon recht und forderte eine Reform: "Wir müssen in ein System kommen, wo alle einzahlen: Abgeordnete, Beamte, Selbstständige."

Kanzleramtschef Frei versuchte zu beruhigen und versprach: "Wir werden die Rentenkommission noch dieses Jahr beschließen und zur Mitte des nächsten Jahres zum Abschluss bringen." Zudem räumte er ein:

Wir hatten sechs Jahre kein Wirtschaftswachstum. Das führt nicht dazu, dass die Menschen reicher werden.

Thorsten Frei, Kanzleramtschef

Merz in Sachsenanhalt

Im Streit um das Rentenpaket stellt sich die junge Gruppe der Union weiter quer. Merz pocht auf Stabilität, SPD und Jusos fordern mehr Gerechtigkeit für künftige Rentner.

18.11.2025 | 2:13 min

Grünen-Fraktionsvorsitzende Dröge verteidigte die gescheiterte Ampel: "Wir haben eine große Rentenreform vereinbart. Wäre die Ampel nicht auseinandergebrochen, wäre die auch gekommen." Sie forderte, dass die Rente "von mehr Schultern getragen werden" müsse und attackierte AfD-Chef Chrupalla scharf: "Politiker wie Herr Chrupalla verbreiten eine rassistische Stimmung, die unserer Wirtschaft und dem Rentensystem schaden."

Chrupalla beklagte das aktuelle Rentenniveau von 48 Prozent. Das sei "für jemand, der 45 Jahre gearbeitet hat, eine Frechheit". Er kritisierte, dass Beamte eine Pension "zwischen 66 und 70 Prozent" bekämen: "Das würden sich manche Rentner wünschen", so der AfD-Chef.

Am schärfsten attackierte Linken-Chefin Schwerdtner: "Dass um 24 Millionen Rentner so ein Machtspielchen getrieben wird, ist ein Skandal." Die Mitglieder der Jungen Union, die das Rentenpaket aktuell blockieren, nannte Schwerdtner "irgendwelche Heiopeis, die noch nie gearbeitet haben." An Bas gewandt wurde sie deutlich: "Kuschen Sie nicht vor der CDU, sondern machen Sie was." Ihre Kernbotschaft:

Es geht nicht alt gegen jung, sondern arm gegen reich. Hohe Vermögen und Erbschaften müssen besteuert werden.

Ines Schwerdtner, Parteivorsitzende Die Linke

Das Einnahmenproblem des Staates - oder gibt es keines?

Beim Thema Staatsfinanzen prallten die Positionen ebenfalls aufeinander. AfD-Chef Chrupalla vertrat die Ansicht, Deutschland habe kein Einnahmenproblem. "Wir haben genügend Steuereinnahmen." Das Geld würde aber an den falschen Stellen ausgegeben. Seine Hauptforderung:

Die CO2-Bepreisung komplett abschaffen. Damit würden sofort Verbrauchspreise bei Benzin, Diesel, Strom und Gas sinken.

Tino Chrupalla, AfD-Parteivorsitzender

Linken-Chefin Schwerdtner widersprach: "Natürlich haben wir ein Einnahmeproblem - hohe Vermögen werden nicht besteuert, hohe Erbschaften werden nicht besteuert." Zur Mietproblematik verwies sie auf die Mietwucher-App ihrer Partei: "Wenn eine Partei per App tausende Vermieter findet, die Wucher betreiben, muss das eine Bundesregierung auch schaffen."

Jan Henrich aus der ZDF-Redaktion für Recht und Justiz

SPD und Linke fordern in der letzten TV-Debatte vor der Wahl eine Vermögenssteuer. Laut ZDF-Rechtsexperte Jan Henrich ist sie möglich, aber schon mal gerichtlich gekippt worden.

21.02.2025 | 4:11 min

Grünen-Fraktionsvorsitzende Dröge kritisierte die Regierung: "Die Stromsteuer wird nicht abgesenkt. Das 49-Euro-Ticket steigt auf 58 Euro. CDU und SPD machen das Leben teurer."

Kanzleramtschef Frei versuchte zu kontern, die Regierung habe Familien entlastet - "160 Euro pro Jahr bei einer vierköpfigen Familie" durch Abschaffung der Gasspeicherumlage.

Fazit: Zuhören als höchstes Gut

Die 90-minütige Sendung offenbarte ein fundamentales Problem: Während die Politik über Haltelinien, Rentenniveaus und Kommissionen streitet, wissen viele Bürger nicht, wie sie über die Runden kommen sollen.

Versöhnlich wurde es gegen Ende der Sendung, als Raumdesignerin Katharina Rebstock von Bärbel Bas gefragt wurde, ob sie konkrete Vorschläge habe, wie kleine und mittelständische Unternehemen entlastet und unterstützt werden könnten. Die Antwort der Firmenchefin aus Baden-Württemberg: Bloß keine kurzfristigen "Feuerlöscher-Aktionen":

Wir brauchen Lösungen, die langfristig wirken.

Katharina Rebstock, CEO bei Rebstock Raumdesign

Es wird sich zeigen, ob die Politik am Dienstagabend zugehört hat und etwas mitnimmt in die vielen Ausschüsse und Komissionen im Parlament.

Quelle: ZDF

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