Karlsruhe: US-Drohneneinsätze via Ramstein sind rechtens
Bundesverfassungsgericht urteilt:Weiterhin US-Drohneneinsätze via Ramstein
von Katharina Reiter und Jan Henrich
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Die USA nutzen eine Air Base in Ramstein, um Radiosignale für Drohnenangriffe weiterzuleiten. Laut Bundesverfassungsgericht muss Deutschland gegen die Nutzung nicht vorgehen.
Deutschland verstößt nicht gegen das Völkerrecht, wenn US-Drohneneinsätze auch über den deutschen Stützpunkt Ramstein gesteuert werden.15.07.2025 | 1:25 min
Der US-Drohnenangriff Ende August 2012 in der jemenitischen Region Hadramaut galt in erster Linie Mitgliedern der Terrororganisation Al Kaida. Doch durch den Raketenbeschuss sterben an dem Tag auch ein unbeteiligter Polizist und ein muslimischer Geistlicher, der sich zuvor sogar gegen Al Kaida ausgesprochen hatte.
Angehörige der Getöteten hatten dagegen vor deutschen Gerichten geklagt. Durch die andauernden Drohnenangriffe, bei denen immer wieder Unbeteiligte getötet würden, fürchten sie selbst um ihr Leben. Um diese Angriffe durchzuführen, nutzen die US-Streitkräfte auch die Militärbasis im deutschen Ramstein. Das Bundesverfassungsgericht hat nun entschieden, dass Deutschland diese Einsätze nicht unterbinden muss.
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Satelliten-Relaisstation in Ramstein leitet Signal weiter
Ferngesteuert werden die Drohneneinsätze von den USA aus. Per Unterwasser-Glasfaserkabel wird dabei ein Signal an eine Relaisstation auf der US-Air-Base Ramstein in Rheinland-Pfalz gesendet. Diese leitet die Daten dann wiederum über einen Satelliten an die jeweilige Drohne.
Das Bundesverfassungsgericht hat über bewaffnete Drohneneinsätze der US-Streitkräfte von Ramstein aus entschieden. Es geht um die Frage, ob die Bundesregierung die Einsätze nur mangelhaft kontrolliert und völkerrechtliche Schutzpflichten verletzt.15.07.2025 | 31:38 min
Die Militärbasis in Deutschland dient damit als Daten-Schnittstelle für die Angriffe. Auf dem Gelände befindet sich zudem eines von weltweit fünf "Distributed Ground Systems" (DGS), mit denen der Videofeed einer Drohne analysiert werden kann. Das heißt: Theoretisch können von dort auch Ziele ausgekundschaftet und Angriffe ausgewertet werden.
Wie weit gehen "extraterritoriale Schutzpflichten" der Bundesregierung?
Die Kläger hatten geltend gemacht, die Drohnenangriffe würden gegen Völkerrecht verstoßen und Deutschland müsse die Einsätze unter Beteiligung der Einrichtung in Ramstein unterbinden.
Das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR), das die Kläger in dem Verfahren unterstützte, führte an, aus dem Grundgesetz ergebe sich eine Schutzpflicht der Bundesregierung für Leben und körperliche Unversehrtheit der Kläger. Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung, auf eine Einhaltung des Völkerrechts hinzuwirken, seien nicht ausreichend, so Andreas Schüller vom ECCHR.
Ohne Ramstein könnten die Drohnenüberflüge in der Zahl nicht stattfinden.
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Andreas Schüller, European Center for Constitutional and Human Rights
Die Bundesregierung verwies in dem Verfahren hingegen darauf, dass die Verantwortung für Drohneneinsätze der USA im Jemen allein bei der US-Regierung liege. Die Einsätze würden nicht von deutschem Boden aus kontrolliert.
In Ramstein finden regelmäßig auch wichtige Treffen internationaler Partner statt. So etwa im Mai, als weitere Unterstützung für die Ukraine zugesagt wurde.11.04.2025 | 3:02 min
Außerdem seien Drohnenangriffe innerhalb des im Jemen herrschenden bewaffneten Konflikts nicht pauschal völkerrechtswidrig, auch nicht wenn Zivilisten als Kollateralschäden getötet würden.
Völkerrecht ist ein Sammelbegriff für alle Rechtsnormen und Verträge, die das Verhältnis zwischen Staaten und deren Beziehung zu internationalen Organisationen regeln. Das humanitäre Völkerrecht ist ein Teil davon und bezieht sich insbesondere auf Methoden der Kriegsführung und den Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten.
Eines der Grundprinzipien dabei ist, dass Angriffe nur auf militärische Ziele gerichtet sein dürfen. Werden bei Angriffen auf militärische Ziele Zivilpersonen verletzt, ist dies allerdings nicht automatisch ein Verstoß gegen Völkerrecht. Konfliktparteien sind in erster Linie verpflichtet, zivile Opfer auf ein Mindestmaß zu beschränken. Als wichtigste Quelle des humanitären Völkerrechts gilt die Genfer Konvention von 1949.
Schutzpflicht nur im Einzelfall
Das Bundesverfassungsgericht hat nun bestätigt, dass Deutschland die Drohneneinsätze der USA nicht unterbinden muss. Zwar könnten sich auch Ausländer im Ausland gegenüber Deutschland auf das deutsche Grundgesetz berufen. Dies gelte sogar, wenn die Gefährdung von einem anderen Staat ausgehe.
Das Gericht betonte aber, dass der deutsche Staat nur unter engen Voraussetzungen verpflichtet sei, die Grundrechte von Ausländern im Ausland zu schützen. Im konkreten Fall lauteten die beiden Voraussetzungen wie folgt: Einerseits müsse ein hinreichender Bezug zwischen der Völkerrechtsverletzung und der deutschen Staatsgewalt bestehen. Andererseits müsse die Gefahr der systematischen Verletzung humanitären Völkerrechts vorliegen.
Gericht: Völkerrechtliche Einschätzung der USA vertretbar
Eine solche Gefahr sei im Fall der US-Drohneneinsätze im Jemen nicht gegeben, auch wenn in der Vergangenheit Zivilisten getötet worden seien.
Der Senat hat das Vorliegen einer ernsthaften Gefahr der systematischen Verletzungen des anwendbaren Völkerrechts verneint.
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Mitteilung des Bundesverfassungsgerichts (15. Juli 25)
Die USA hätten keine unvertretbaren Kriterien bei der Unterscheidung legitimer militärischer Ziele und geschützten Zivilisten bei ihren Einsätzen im Jemen zugrunde gelegt. Das Vorgehen der USA sei daher aus völkerrechtlicher Sicht vertretbar. Damit sei auch die Einschätzung der Bundesregierung zu den Drohneneinsätzen der USA vertretbar.
Katharina Reiter und Jan Henrich arbeiten in der ZDF-Redaktion Recht und Justiz