Ex-Abgeordnete berichten: AfD setzt Parlamentarier unter Druck

Studie zum Klima im Bundestag:Ex-Abgeordnete fühlten sich von AfD unter Druck gesetzt

Dominik Rzepka

von Dominik Rzepka

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Wie blicken ehemalige Abgeordnete auf den Bundestag? In einer Studie berichten die Befragten von belastenden Arbeitsbedingungen im Parlament. Und von Druck, der von der AfD komme.

Die AfD-Fraktion stimmt über einen Antrag ab bei der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestags.

Die AfD stellt im aktuellen Bundestag die zweitgrößte Fraktion.

Quelle: dpa

Fast zehn Jahre lang war Cansel Kiziltepe Abgeordnete im Bundestag, bis 2023. Die SPD-Politikerin aus Berlin-Kreuzberg war Mitglied im Finanzausschuss, im Wirecard-Untersuchungsausschuss, zuletzt Staatssekretärin im Bauministerium.

Sie kennt den Bundestag mit und ohne AfD. Und sagt heute, zwei Jahre nach ihrem Abschied aus dem Bundestag, dass sich der Ton im Parlament verändert habe - zum Schlechteren:

Natürlich wird es härter und respektloser, direkter, ohne Grenzen.

Cansel Kiziltepe, SPD

Bundestag typical

Pöbeleien, Beleidigungen und Zwischenrufe: Fehlverhalten im Bundestag soll nach dem Willen von CDU/CSU und SPD künftig deutlich schärfer als bisher geahndet werden.

12.09.2025 | 1:25 min

Öffentliche Sitzungen erzeugen Druck

Einen Grund dafür sieht Kiziltepe im Auftreten der AfD. Nicht nur im Plenum, sondern auch in den Ausschusssitzungen. Früher hätten sie unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattgefunden. Dort habe sich die AfD "kaum zu Sachfragen geäußert", sagt sie.

Inzwischen aber seien die Sitzungen öffentlich. Das habe sie lange auch befürwortet. Inzwischen tut sie das nicht mehr.

Wenn jetzt aber die Kamera mitläuft, sieht das ganz anders aus und die versuchen nur noch, die Debatte zu polarisieren.

Cansel Kiziltepe, SPD

Der Grünen-Politiker Tobias Lindner, der den Bundestag 2025 verlassen hat, spricht sich für nichtöffentliche Sitzungen aus. "Weil es dann einen geschützten Raum gibt, wo Leute keine Schaufensterreden halten", sagt er. Die Ex-Abgeordneten berichten von öffentlichem Druck, der nicht gut sei für die Demokratie.

Cansın Köktürk

Juni 2025: Bundestagspräsidentin Klöckner verweist die Linken-Abgeordnete Köktürk des Saales. Später stört eine Besucherin die Sitzung.

04.06.2025 | 2:05 min

Angriffe, Störungen, Beleidigungen

In einer Studie der Bertelsmann-Stiftung hat ein Forscherteam 30 Ex-Abgeordnete interviewt. Dabei beklagen die Ehemaligen Druck, der von der AfD ausgehe, sowie verbale Angriffe, Störungen und persönliche Beleidigungen. Die ehemalige CDU-Abgeordnete Nadine Schön sagt:

Die Zwischenrufe aus der AfD sind in der Regel frauenfeindlich, fremdenfeindlich und total herablassend gegenüber unserem Land, unserer Demokratie.

Nadine Schön, CDU

Ihr ehemaliger Kollege Michael Henrich kritisiert, die Debattenkultur sei deutlich schlechter geworden. Beispiel: Eine Debatte über die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung.

Das war teilweise absurd. Da ist in einer gesundheitspolitischen Debatte unzählige Male das Wort Migrant gefallen.

Michael Henrich, CDU

Das Grundgesetz Artikel 5 - Meinungsfreiheit

Das Recht auf Meinungsfreiheit beinhaltet auch die Akzeptanz anderer Meinungen - und es schützt nicht vor Kritik. Doch diese wird in der Gesellschaft zunehmend als Canceln empfunden.

28.09.2025 | 4:30 min

AfD beklagt ihrerseits "übelste Beschimpfungen"

Stephan Brandner, der parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Fraktion, weist die Kritik nicht gänzlich zurück. Er verweist darauf, dass die Mitglieder seiner Fraktion "jeden Tag Anfeindungen ausgesetzt" seien, "bis hin zu übelsten Beschimpfungen aus der untersten Schublade". Brandner sagt ZDFheute:

Selbstverständlich reagieren wir darauf gelegentlich auch pointiert, mit Witz und einem Augenzwinkern.

Stephan Brandner, AfD

Brandner kritisiert Forderungen, Ausschusssitzungen wieder vermehrt nichtöffentlich stattfinden zu lassen. "Die Menschen draußen sollen ruhig wissen, wie mit uns umgegangen wird - daher sind uns öffentliche Ausschusssitzungen stets willkommen", sagt er. Sie würden zusätzliche Transparenz schaffen.

Dass die Abgeordneten der anderen Fraktionen das nicht mögen, kann ich mir vorstellen.

Stephan Brandner, AfD

Der damalige SPD-Fraktionsführer Herbert Wehner während einer temperamentvollen Debatte am Rednerpult im Bundestag am 11.05.1973.
Heinz Renner (KPD) am Rednerpult in der Pädagogischen Akademie in Bonn am 10.05.1949
Der Abgeordnete der Grünen, Joschka Fischer, am Rednerpult während der Kießling-Debatte im Bundestag in Bonn am 08.02.1984.
AfD-Politikerin Beatrix von Storch am 11.09.2025 im Berliner Bundestag.

Herbert Wehner 1973 im Bundestag

"Übelkrähe", "Hodentöter": Spitzenreiter in Sachen Ordnungsrufe ist der SPD-Fraktionsvorsitzende Herbert Wehner mit insgesamt 58 Ordnungsrufen in fast 34 Jahren Parlamentszugehörigkeit.

Quelle: dpa

Mangelnde Digitalisierung: Der analoge Bundestag

Für die Studie "Arbeitsplatz Bundestag. Reformbedarf im Maschinenraum der Demokratie" wurden insgesamt 30 ausgeschiedene Bundestagsabgeordnete befragt. Die meisten kamen von SPD und CDU. Aus der AfD-Fraktion konnten keine Abgeordneten für die Studie gewonnen werden, schreiben die Autoren.

Neben dem Druck durch die AfD beklagen die Ehemaligen durch die Bank vor allem drei weitere Punkte: eine hohe Arbeitsbelastung, die schwierige Vereinbarkeit von Familie und Beruf und die mangelnde Digitalisierung des Parlaments.

Die ehemalige Linken-Abgeordnete Anke Domscheit-Berg etwa kritisiert, sie habe vor den Haushaltsberatungen tausend Seiten lange PDF-Dokumente mit allen möglichen Informationen erhalten, die nicht einmal maschinenlesbar gewesen seien.

Ich kann das nicht mal richtig durchsuchen. Das ist krass.

Anke Domscheit-Berg, Die Linke

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