Bürgergeld für Ukrainer: Was die aktuellen Zahlen zeigen

FAQ

Nach Söder-Vorstoß im ZDF:So viel Bürgergeld bekommen Ukrainer

von Johannes Lieber und Dominik Rzepka
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Sollen Ukrainer und Ukrainerinnen in Deutschland Bürgergeld erhalten? CSU-Chef Markus Söder ist dagegen, SPD und Teile der CDU widersprechen. Wie sind die aktuellen Regeln?

ZDF-Sommerinterview mit dem CSU-Vorsitzenden Söder
Flüchtlinge aus der Ukraine sollen künftig kein Bürgergeld mehr bekommen, fordert CSU-Chef Söder. Sehen Sie hier seine Aussage im Video.03.08.2025 | 0:51 min

Wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer bekommen Bürgergeld?

Laut der Bundesagentur für Arbeit bezogen im April dieses Jahres rund 54 Prozent der ukrainischen Staatsangehörigen im erwerbsfähigen Alter Bürgergeld. Das waren 519.000 Menschen. Mehr als die Hälfte waren sogenannte Aufstocker. Arbeitslos gemeldet waren im Juli 217.000 Ukrainer.
Hinzu kamen weitere knapp 200.000 nicht erwerbsfähige Bürgergeld-Bezieher, in der Regel Kinder.
Berlin: Der Eingang zum Jobcenter Berlin-Mitte.
Mit dem Vorschlag, ukrainischen Geflüchteten kein Bürgergeld mehr zu zahlen, hat Bayerns Ministerpräsident Söder eine Kontroverse ausgelöst. Aus der Union kommt nicht nur Zuspruch.04.08.2025 | 2:45 min
Knapp 35 Prozent der ukrainischen Staatsangehörigen im erwerbsfähigen Alter haben einen Job gefunden - dazu zählen auch sogenannte geringfügige Beschäftigungen. Ein Grund für die niedrige Quote ist unter anderem, dass über 60 Prozent der Geflüchteten Frauen sind, die sich oft allein um minderjährige Kinder kümmern.

Die Zahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Ukrainerinnen und Ukrainer hat zuletzt deutlich höher gelegen als im vergangenen Jahr. Im April seien 272.000 Menschen mit ukrainischer Staatsangehörigkeit einem sozialversicherungspflichtigen Job nachgegangen, teilte ein Sprecher der Bundesagentur für Arbeit (BA) dem Evangelischen Pressedienst (epd) mit. Das waren demnach 80.000 mehr als im Vorjahr. Zuerst hatte das "Redaktionsnetzwerk Deutschland" über die Zahlen berichtet.

(Quelle: epd)

Wie viel Bürgergeld zahlt der Staat pro Jahr an alle Ukrainer?

Im Jahr 2024 zahlte Deutschland fast 6,3 Milliarden Euro Bürgergeld an ukrainische Staatsangehörige, im Schnitt 734 Euro pro Leistungsbezieher jeden Monat. Das geht aus der Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine kleine Anfrage der AfD-Bundestagsfraktion hervor, die ZDFheute vorliegt.
SGS-Sievers-Schmiese
Die Koalitionspartner von Union und SPD "wollen das intern klären", sagt Hauptstadtkorrespondent Wulf Schmiese zum Vorschlag des bayrischen Ministerpräsidenten zum Bürgergeld. 04.08.2025 | 3:50 min
Insgesamt betrugen die Kosten für das Bürgergeld in Deutschland im vergangenen Jahr rund 46,9 Milliarden Euro. Demnach hatten die Hilfen für ukrainische Staatsangehörige einen Anteil von rund 13 Prozent an den Gesamtausgaben.
Würde man den ukrainischen Geflüchteten den Zugang zum Bürgergeld verwehren, würden sie die niedrigeren Leistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes erhalten. Wie viel der Staat dadurch einsparen würde, ist laut einer Sprecherin des Arbeitsministeriums unklar.
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Müssen Ukrainer einen Antrag stellen?

Seit Beginn des russischen Angriffskriegs sind über 1,2 Millionen Ukrainer aus ihrer Heimat nach Deutschland geflüchtet. Auf Basis der Massenzustrom-Richtlinie beziehen seit März 2022 geflohene Ukrainer in Deutschland Bürgergeld. Dazu brauchen sie eine Aufenthaltserlaubnis. Zudem müssen sie einen Antrag beim Jobcenter stellen.
Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf geeinigt, dass Geflüchtete aus der Ukraine, die nach dem 1. April 2025 nach Deutschland gekommen sind, kein Bürgergeld mehr beziehen. Diese Regelung ist aber noch nicht in Kraft. Aus dem Arbeitsministerium heißt es auf ZDFheute-Anfrage, man arbeite "unter Hochdruck" an einem entsprechenden Gesetz.
Bärbel Bas
Einig sind sich die Parteien, dass mehr Menschen wieder arbeiten müssen. Drei Millionen sind in Deutschland derzeit ohne Job. Sie wieder zu vermitteln, würde viel Geld sparen. 11.07.2025 | 2:29 min

Was fordert die Politik?

Auslöser der Debatte ist das ZDF-Sommerinterview mit Markus Söder. Der CSU-Chef sagte, es müsse dafür gesorgt werden, dass es "kein Bürgergeld mehr gibt für all diejenigen, die aus der Ukraine gekommen sind".
Dies müsse nicht nur für diejenigen gelten, die in Zukunft kommen, "sondern für alle". Das wolle er in der Koalition durchsetzen.
Berlin direkt - Sommerinterview 2025: Markus Söder
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Wie fallen die Reaktionen aus?

SPD-Chef Lars Klingbeil setzt sich von Söder ab. Im Koalitionsvertrag stehe "ein bisschen was anderes" als das, was Söder gefordert habe, sagte Klingbeil im Deutschlandfunk. SPD-Politiker Dirk Wiese sagte, die Einsparungen durch Söders Vorstoß würden überschätzt, der Verwaltungsaufwand der Kommunen wäre enorm.
Kritik an Söder kommt auch aus Teilen der Union und dem ukrainischen Botschafter in Deutschland, Oleksii Makeiev. Er sagte im Deutschlandfunk, er könne die Diskussion zwar nachvollziehen:

Aber die Ukrainer zum Sündenbock zu machen, finde ich nicht richtig.

Oleksii Makeiev, ukrainischer Botschafter in Deutschland

Zustimmung bekommt Söder unter anderem von der AfD. Gerade bei ukrainischen Flüchtlingen zeige sich: "Wer ohne jede Gegenleistung sofort Anspruch auf volle Sozialleistungen erhält, hat kaum einen Anreiz zur Arbeitsaufnahme", sagte der AfD-Abgeordnete René Springer.
Bürgergeld Diskussion
Geflüchtete aus der Ukraine sollen in Deutschland nur noch Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz erhalten – so will es Ministerpräsident Söder. Das könnte die Integration in den Arbeitsmarkt erschweren.05.08.2025 | 2:26 min

Wie populistisch ist Söders Vorstoß?

Diese Frage beantwortet ZDF-Hauptstadtkorrespondent Wulf Schmiese so:

Söders Vorschlag hat etwas von Populismus, weil er Menschen trifft, die sich mangels Wahlrecht jedenfalls nicht an der Wahlurne wehren können.

Wulf Schmiese, ZDF-Hauptstadtstudio

Der Vorstoß habe aber auch etwas Populäres, weil viele nun fragten, warum beim Bürgergeldbezug mit zweierlei Maß gemessen werde. "Das wird es tatsächlich. Denn diese Bundesregierung hat ja beschlossen, dass Menschen, die zuletzt aus der Ukraine gekommen sind, künftig kein Bürgergeld mehr beziehen sollen", so Schmiese.
"Warum aber, und diese Frage wird gestellt, sollten es dann deren Landsleute weiterhin bekommen, die schon zuvor in Deutschland waren? 'Wer zuerst kommt, mahlt zuerst', ist selten ein Argument, das als gerecht empfunden wird."

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