Welt-Aids-Tag 2025:HIV in Südafrika: Hoffnung und harte Rückschläge
von Verena Garrett
Hilfskürzungen beeinträchtigen die HIV-Bekämpfung. In Südafrika steigt der Druck auf Versorgungssysteme, während neue Präventionsmittel in den Startlöchern stehen.
Südafrika ist immer noch HIV-Hotspot. Hier arbeitet auch eine 34-jährige HIV-Infizierte als Sexarbeiterin, die unser Reporterteam in Johannesburg getroffen hat. Sie berichtet von ihren Erfahrungen.
01.12.2025 | 1:49 minOb Nandipha ihr richtiger Name ist, will sie nicht sagen. Wir treffen sie in einem Büro in einem Hochhaus in der Innenstadt von Johannesburg. Die Straßen, die wir von hier oben sehen können, sind ihr Arbeitsplatz: Nandipha ist Sexarbeiterin. "Am Anfang hatte ich Angst und habe mich geschämt. Ich bin nur nachts raus", sagt die 34-Jährige.
Sie hat drei Kinder, die sie allein versorgt. Und sie lebt mit HIV. In ihrer Branche sind Schätzungen zufolge rund 70 Prozent infiziert, die Dunkelziffer dürfte höher sein. Nandipha nimmt täglich antiretrovirale Medikamente. Ohne sie, sagt sie, wäre sie nicht mehr am Leben. Viele ihrer Kunden wollten keine Kondome - genau die Männer, die am meisten zahlen.
Es wäre verheerend, wenn ich auf das verzichten müsste, was mich schützt. Das Einzige, was mich am Leben hält, sind die Medikamente, die ich einnehme.
Nandipha, Sexarbeiterin in Johannesburg
Dank moderner Medikamente kann man heute im Prinzip genauso gut mit HIV leben wie ohne. Doch noch immer werden HIV-Positive ausgegrenzt - obwohl sie nicht mehr ansteckend sind.
22.07.2024 | 2:39 minUNAIDS-Bericht: Fortschritte beim Kampf gegen HIV in Gefahr
Dass der Schutz brüchig wird, zeigt ein neuer UNAIDS-Bericht zum Welt-Aids-Tag am heutigen Montag. Er dokumentiert den größten Rückschlag im Kampf gegen HIV seit Jahrzehnten. Vor allem die drastischen Kürzungen internationaler Hilfsgelder - besonders aus den USA - reißen große Lücken. "Die Finanzierungskrise hat die Fragilität der Fortschritte offenbart, für die wir so hart gekämpft haben", so Winnie Byanyima, Vorsitzende von UNAIDS.
"Hinter jedem Datenpunkt in diesem Bericht stehen Menschen - Babys und Kinder, die keine HIV-Untersuchung oder frühzeitige HIV-Diagnose erhalten haben, junge Frauen, denen Präventionshilfen vorenthalten wurden, und Gemeinschaften, die plötzlich ohne Dienstleistungen und Versorgung dastehen. Wir dürfen sie nicht im Stich lassen", sagt Byanyima.
Heute leben weltweit 40,8 Millionen Menschen mit HIV. 2024 gab es 1,3 Millionen Neuinfektionen. 9,2 Millionen Menschen haben keinen Zugang zu einer Behandlung.
Südafrika hat eine der höchsten HIV-Raten der Welt: 2025 leben in Südafrika schätzungsweise mehr als 8 Millionen Menschen mit HIV, was ca. 13 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht. Unter den Erwachsenen im Alter von 15 bis 49 Jahren - der am stärksten betroffenen Gruppe - liegt die HIV-Prävalenzrate bei schätzungsweise 18,1 Prozent.
In mehreren afrikanischen Ländern fehlen Testkits und Medikamente, in Nigeria ist die Kondomverteilung um mehr als die Hälfte eingebrochen. Viele von Communities geführte Organisationen mussten schließen - darunter über 60 Prozent der von Frauen geleiteten. UNAIDS schätzt, dass bis 2030 bis zu vier Millionen zusätzliche Infektionen drohen.
Fehlende HIV-Aufklärung gefährdet junge Frauen
Die südafrikanische Aktivistin Nomonde Ngema, selbst mit HIV geboren, erlebt die Folgen täglich. Die 21-Jährige spricht online über Stigma und Unwissen. "Viele wissen nicht einmal den Unterschied zwischen HIV und Aids", sagt sie.
Das Geld, das Menschlichkeit unterstützt hat, wird gekürzt, das ist schockierend.
Nomonde Ngema, HIV-Aktivistin
"Manche haben ihre Diagnose seit Monaten und beginnen einfach nicht mit der Behandlung", erzählt Nomonde Ngema weiter. "Es ist traurige Realität, dass viele immer noch glauben, dass sie sterben werden, wenn sie HIV haben."
Am Welt-Aids-Tag hat die Deutsche Aidshilfe dramatische Rückschritte beim globalen Kampf gegen HIV und Aids kritisiert. "Im Moment wird eine globale Katastrophe mit Millionen Toten, Infektionen und Waisen vorprogrammiert", erklärte Sven Warminsky vom Vorstand der Deutschen Aidshilfe. "Die Bundesregierung muss jetzt aktiv werden, mehr finanzielle Mittel bereitstellen und die internationale Suche nach Lösungen vorantreiben!"
Die Weltgemeinschaft habe in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte gegen HIV und Aids erzielt, erklärte die Deutsche Aidshilfe. HIV sei heute gut behandelbar, die Krankheit Aids vermeidbar. Aufgrund von drastischen Kürzungen der Auslandshilfen durch die US-Regierung von Präsident Donald Trump stünden alle Erfolge auf dem Spiel. Die Deutsche Aidshilfe kritisierte auch die Bundesregierung für Kürzungen bei Maßnahmen gegen HIV. Zudem habe die EU ihre Unterstützung von HIV-Programmen fast vollständig eingestellt.
Quelle: AFP
Neues Medikament als Hoffnungsschimmer?
Einen Hoffnungsschimmer gibt es: Ab April 2026 will Südafrika das neue Präventionsmittel Lenacapavir einführen. Die halbjährliche Injektion schützt in Studien nahezu vollständig vor einer HIV-Infektion und soll rund 40 Dollar pro Jahr kosten.
Ein neuer Wirkstoff soll vor HIV schützen. Was steckt dahinter?
29.11.2024 | 5:02 minProfessorin Linda-Gail Bekker, Professorin der Universität von Kapstadt, hat die ersten, vielversprechenden Studien mit dem Medikament betrieben. Sie nennt das Medikament einen möglichen "Durchbruch". Doch sie warnt: "Wir müssen es allen zugänglich machen."
Ob das gelingt, hängt erneut von internationalen Fördergeldern ab. Bleiben sie aus, könnte auch diese Chance an denen vorbeigehen, die sie am dringendsten brauchen.
Verena Garrett ist Studioleiterin im ZDF-Studio Johannesburg.
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