Gewaltspirale und Behörden-Chaos:USA: Schlecht gerüstet gegen Polit-Attentate
In den USA gibt es immer mehr Fälle von Gewalt gegen Politiker. Behörden, die das verhindern sollen, werden eher auf illegale Einwanderer angesetzt. Was treibt die Gewalt an?
Das Attentat auf den rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk erschüttert die USA. Ex-Präsident Biden verurteilte die Gewalt, die Fahndung nach dem Täter läuft.
11.09.2025 | 1:48 minDer Mord am rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk ist kein Einzelfall: Die USA haben ein wachsendes Problem mit Angriffen auf Politiker und Beamte. Und bislang findet das Land keine Lösung, um diesen Trend zu stoppen - eher im Gegenteil.
Diese politisch motivierten Angriffe gab es zuletzt
Es ist schwierig, einen eindeutigen Startpunkt für die Zunahme der Gewalt gegen Politiker festzumachen. Neben der Kapitol-Stürmung am 6. Januar 2021 war auch die geplante Entführung der Gouverneurin von Michigan, Gretchen Whitmer, durch eine rechte Miliz im Oktober 2020 ein Wendepunkt.
Die USA sind schockiert über den Anschlag auf Podcaster Charlie Kirk. Nach dem Schützen wird gefahndet. Eine Einschätzung von Claudia Bates.
11.09.2025 | 1:18 minSeitdem gab es eine ganze Reihe gewalttätiger Vorfälle sowohl gegen Republikaner wie auch gegen Demokraten. Darunter etwa zwei Attentatsversuche mit Langwaffen auf Donald Trump während des jüngsten Wahlkampfs:
- 13. Juli 2024: In Pennsylvania verletzte ein 20-jähriger Schütze Trump bei einer Rede leicht am Ohr und tötete einen Besucher.
- 15. September 2024: Ein 58-Jähriger lauerte Trump auf seinem Golfplatz in Florida auf, wurde aber von Beamten rechtzeitig entdeckt.
Eine Auswahl weiterer Vorfälle:
- 8. Juni 2022: Ein bewaffneter 26-Jähriger wird am Haus des Supreme-Court-Richters Brett Kavanaugh festgenommen, nach eigenen Angaben wollte er ihn töten, um eine Abschaffung des Rechts auf Abtreibung zu verhindern.
- 13. April 2025: Ein 38-jähriger Verdächtiger legte in der Gouverneursvilla von Pennsylvania Brände, mutmaßlich, um den demokratischen Gouverneur Josh Shapiro zu töten.
- 14. Juni 2025: Ein 57-Jähriger verkleidete sich als Polizist und erschoss die demokratische Abgeordnete Melissa Hortman und ihren Ehemann in ihrem Haus in Minnesota. Der Täter verletzte auch John Hoffman, einen der Senatoren des Bundesstaats.
- 8. August 2025: Ein 30-Jähriger tötete einen Polizisten und feuerte über 100 Schüsse auf das Gebäude der Gesundheitsbehörde CDC in Atlanta. Er war überzeugt, die Covid-Impfung hätte ihn krank gemacht.
Methoden und Motivation der Täter sind enorm unterschiedlich. Meist agierten sie allein. Teils hatten sie seit Jahren extremistische Überzeugungen, teils sich erst kürzlich radikalisiert.
In den USA ist der Trump-Aktivist und Podcaster Charlie Kirk bei einem öffentlichen Auftritt an einer Uni im Bundesstaat Utah erschossen worden. Die Suche nach dem Täter läuft.
11.09.2025 | 2:31 minExperte warnt vor Gewaltspirale
Seit Jahresbeginn hätten die USA rund 150 Fälle von politisch motivierter Gewalt erlebt - etwa doppelt so viele wie im Vorjahr, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Michael Jensen, Terrorismusforscher an der Universität von Maryland. Die meisten Todesopfer forderte der islamistische Anschlag vom 1. Januar in New Orleans, doch der Trend geht klar in Richtung gezielter Attentate.
Zum Attentat auf Kirk sagte Jensen:
Dieser Vorfall ist schrecklich und alarmierend, aber nicht wirklich überraschend.
Michael Jensen, Universität von Maryland
"Wir sind gerade an einem sehr, sehr gefährlichen Punkt. Es könnte leicht zu größeren Unruhen eskalieren, wenn wir das nicht unter Kontrolle bekommen", betonte Jensen und warnte vor Nachahmungstätern.
Nach dem Attentat auf den rechtskonservativen Aktivisten Charlie Kirk herrscht große Erschütterung. ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen ordnet die Tragweite ein.
11.09.2025 | 1:07 minRechte Aktivisten reden von "Krieg"
Im Fall Charlie Kirk gibt es noch keine Hinweise auf die Motivation des Schützen. Die Identität ist weiter unbekannt und die Fahndung läuft. Während bei vielen gemäßigten Politikern beider Parteien Anteilnahme dominiert, befeuern vor allem Aktivisten aus dem Republikaner-Umfeld den Hass. Die auch von Trump hofierte Publizistin Laura Loomer schrieb auf X, Linke seien "Terroristen".
Sie haben einen ausgebildeten Scharfschützen geschickt, um Charlie Kirk zu ermorden (…). Ihr könntet die nächsten sein.
Laura Loomer, rechtsextreme Aktivistin
Die transfeindliche Aktivistin Chaya Raichik schrieb auf ihrem X-Profil mit 4,4 Millionen Followern: "Das ist Krieg." Stewart Rhodes, Gründer der rechtsextremen Miliz "Oath Keepers", die bei der Kapitol-Stürmung eine zentrale Rolle spielte, kündigte an, seine Organisation als Schutztruppe für rechte Events neu aufbauen zu wollen.
Die Algorithmen der großen Internetplattformen verbreiten solche und ähnliche Äußerungen von den extremen politischen Rändern ungebremst weiter.
Quelle: ZDF
Wie sind die US-Behörden aufgestellt?
Für die Aufklärung und Verhinderung von Terrorismus und politischen Gewalttaten ist in den USA vor allem die Bundespolizei FBI zuständig. Sie hat rund 38.000 Mitarbeiter und 55 Niederlassungen in den verschiedenen Bundesstaaten. Sie nimmt auch Aufgaben wahr, die in Deutschland in den Bereich des Verfassungsschutzes, also der Inlandsnachrichtendienste, fallen.
Auch manche der Bundesstaaten haben eigene Strukturen, die sich mit bestimmten Formen von Extremismus und Terrorismus befassen. Hier ist die Aufstellung jedoch von Staat zu Staat sehr unterschiedlich und dezentral.
Dazu kommen verschiedene Bundesbehörden mit eigenen Ermittlungsbefugnissen - etwa das Ministerium für Heimatschutz oder das Büro für Alkohol, Tabak, Feuerwaffen und Sprengstoffe (ATF). Ihre Ermittlungen können auch Fälle von Extremismus betreffen. Teils erschwert dieses komplexe föderale System die Ermittlungszusammenarbeit.
Für den Schutz des Präsidenten und Vizepräsidenten ist der Secret Service zuständig; das Außenministerium wiederum hat einen eigenen Sicherheitsdienst. Andere Bundespolitiker werden durch das FBI geschützt. Einem Bericht der "Washington Post" zufolge binde allein der Schutz von Verteidigungsminister Pete Hegseth Hunderte FBI-Beamte, das sei ein deutlicher Zuwachs gegenüber früheren Amtsinhabern. Der Personenschutz der früheren Vizepräsidentin Kamala Harris wurde von Trump jüngst aufgehoben. Die Vorfälle der letzten Jahre zeigen, dass insbesondere Amtsträger in den Bundesstaaten verwundbar sind, wo es weit weniger Personal gibt.
Nach dem tödlichen Schuss auf den einflussreichen Trump-Unterstützer und Podcaster Charlie Kirk läuft die Suche nach dem Täter. "Man geht von einem gezielten Anschlag aus", so ZDF-Korrespondent Elmar Theveßen.
11.09.2025 | 2:45 minViele Ermittler haben aktuell einen anderen Fokus
Der Umgang mit politischem Extremismus ist in den USA grundsätzlich anders als in Deutschland. Das liegt auch daran, dass Meinungsfreiheit dort deutlich umfassender ausgelegt wird. Positionen, die in Deutschland den Verfassungsschutz auf den Plan rufen würden, sind dort zulässig.
Dazu kommt das von der Verfassung garantierte Recht auf Waffenbesitz und die seit den 1990er Jahren wachsenden Milizbewegungen vor allem in konservativen Bundesstaaten. Extremistische Organisationen können so vergleichsweise frei agieren, trainieren und sich auch öffentlich zeigen. Verglichen mit anderen Staaten gibt es in den USA einen viel größeren Kreis an Menschen, der nicht nur Zugang zu Waffen hat, sondern auch die Ausbildung, über große Distanz ein Ziel zu treffen.
Viele US-Ermittlungsbehörden befinden sich zudem seit Monaten im Ausnahmezustand: Die Ernennung von Kash Patel zum FBI-Chef ist intern wie extern umstritten. Ehemalige FBI-Beamte beklagen politisch motivierte Entlassungen von Trump-Kritikern in der Behörde. Der Fokus der Trump-Administration liegt klar auf dem Thema Migration.
Tausende FBI-Agenten wurden von ihren eigentlichen Tätigkeiten abgezogen und in Operationen der Immigrationsbehörde ICE eingegliedert. So war etwa an der international mit Entsetzen aufgenommenen Razzia in einer Batteriefabrik in Georgia Anfang September mit Hunderten festgenommenen koreanischen Arbeitern auch das FBI mit Beamten beteiligt.
Die nächste Gewalttat dürfte nur eine Frage der Zeit sein - Stand jetzt sind die US-Behörden alles andere als gut darauf vorbereitet.
Mehr zu den USA
- mit Video
Rechtskonservativer Aktivist erschossen:So reagiert Amerika auf den Tod von Charlie Kirk
C. Harz und F. Meyer, Washington D.C. - mit Video
US-Aktivist stirbt nach Attentat:Trump-Vertrauter ermordet: Wer war Charlie Kirk?
Beatrice Steineke, Washington D.C. - Analyse
Smithsonian Museen im Visier:Wie US-Präsident Trump Kulturkampf führt
Katharina Schuster, Washington D.C. - Analyse
US-Demokratie in Vertrauenskrise:Warum Gerüchte um Trumps Gesundheit viral gehen
von Nils Metzger