Turkmenistan: Eine Diktatur zwischen Armut und Führerkult

Führerkult und sehr viel Erdgas:Turkmenistan: Die Diktatur der Weltrekorde

von Andreas Singler
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Viel Armut, wenig Menschenrechte: Seit der Unabhängigkeit 1991 wird Turkmenistan von seinen Diktatoren beherrscht und ausgeplündert. Sehen so Europas neue Energiepartner aus?

Eine Statue des ehemaligen turkmenischen Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedov, im Hintergrund die Flagge Turkmenistans
Autoritär regiert, extrem abgeschottet: Über den gasreichen Wüstenstaat Turkmenistan ist nur wenig bekannt. Doch das Wenige, das nach außen dringt, ist ebenso bizarr wie beklemmend.03.06.2025 | 43:46 min
Wer die Freiheit liebt, tut gut daran, Turkmenistan zu verlassen. Dursoltan Taganova ist eine von vielen, die ihrer Heimat in den vergangenen Jahrzehnten den Rücken kehren mussten. Die junge Frau lebt wie Hunderttausende ihrer Landsleute im türkischen Exil. Aber sicher fühle sie sich auch hier nicht, erklärt Taganova in der ZDF-Dokumentation "Inside Turkmenistan - Gas und Größenwahn".
Weil sie in Istanbul 2020 vor der turkmenischen Botschaft gegen den damaligen Präsidenten Gurbanguly Berdimuhamedow und dessen Versagen in der Corona-Krise demonstriert hatte, saß sie zeitweise sogar in Abschiebehaft. Internationaler Protest bewirkte Taganovas Freilassung.

In Turkmenistan würde man mich ins Gefängnis werfen, neben den vielen anderen. Von den beschuldigten Aktivisten hat man nie wieder etwas aus der Haft gehört.

Dursoltan Taganova, in Istanbul lebende Dissidentin

Repression statt Rechte
:Zivilgesellschaft im Würgegriff von Autokraten

85 Prozent der Menschen leben in Ländern mit stark eingeschränkten demokratischen Rechten. Der "Atlas der Zivilgesellschaft" zeigt, wie autoritäre Mächte global durchgreifen.
von Marcel Burkhardt
22.02.2025, Mecklenburg-Vorpommern, Rostock: Teilnehmer einer Demonstration und Kundgebung unter dem Motto "Solidarität statt Ausgrenzung" zeigen in der Innenstadt ein Plakat mit der Aufschrift "Demokratie lebt vom Mitmachen!".
mit Video

Große Erdgasvorkommen im Wüstenstaat

Turkmenistan ist ein Land der Extreme. Auf einer Fläche etwas größer als Deutschland sollen nach Angaben turkmenischer Behörden rund sieben Millionen Menschen leben, wahrscheinlich aber sind es weniger als drei Millionen. Sie gehören zu den ärmsten Menschen der Welt.
Dabei verfügt der Wüstenstaat über die viertgrößten Erdgasvorkommen der Erde. Allein 2022 hat das Land Gas im Wert von fast zehn Milliarden Dollar nach China exportiert. Und seit Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine rückt Turkmenistan auch stärker in den Blick der Europäischen Union und Deutschlands - denn diese suchen neue Energielieferanten, um russisches Gas zu ersetzen.
16.08.2022, Niedersachsen, Rehden: Die Anlage des Erdgasspeichers (Astora GmbH).
Viele europäische Staaten beziehen immer noch Gas aus Russland - trotz Putins Angriffskrieg auf die Ukraine. Nun will die EU die Gaslieferungen aus Russland komplett verbieten. 06.05.2025 | 1:34 min

Extreme Repression in Turkmenistan

Kaum ein anderes Land der Erde ist so abgeschottet. Turkmenistan wird oft mit Nordkorea verglichen. Daran hat auch die Übernahme der Präsidentschaft durch Serdar Berdimuhamedow nichts geändert, den Sohn des vormaligen Diktators Gurbanguly Berdimuhamedow. Der Vater trat 2022 zurück, sicherte sich aber die Rolle des "Nationalen Führers" im neu gebildeten Volkskongress.
Unter den ehemaligen Sowjetrepubliken gilt Turkmenistan als die repressivste. Die US-amerikanische Menschenrechtsorganisation "Freedom House" bewertet den Zustand der politischen Rechte mit null von 40 möglichen Punkten. Der Wunsch nach einer alternativen Energieversorgung droht im demokratischen Westen den Blick für die katastrophale Menschenrechtssituation jedoch zu trüben.
Auf einem Platz steht eine große, bronzefarbene Statue. Vor ihr sind viele Menschen in roter und gelber Uniform versammelt.
In Nordkorea droht Menschen der Tod, wenn sie zum Beispiel den korpulenten Machthaber Kim Jong Un als "fett" bezeichnen. Über den Alltag in diesem rätselhaften Land ist wenig bekannt.22.07.2021 | 44:56 min

Weltrekorde in weißem Marmor

Die Hauptstadt Aschgabat steht für den kuriosen Hang zu Superlativen, den die Diktatoren Turkmenistans seit der Unabhängigkeit an den Tag legen. Die nach Angaben turkmenischer Behörden von 900.000 Menschen bewohnte Metropole verfügt über die größte Dichte an weißen Marmorgebäuden weltweit, die meisten öffentlichen Springbrunnen oder das größte sternförmige Gebäude. Ferner über das größte architektonische Abbild eines Pferdes und das größte Riesenrad in geschlossener Bauart, angeblich ebenfalls aus weißem Marmor.
Doch kaum ein Mensch ist auf den Straßen und Plätzen zu sehen.

Sehen Sie die Doku "Inside Turkmenistan - Gas und Größenwahn" am 3. Juni um 18 Uhr bei ZDFinfo oder streamen Sie sie jederzeit bei Web und App.

Führerkult in dritter Generation

Rekordverdächtig ist auch der Führerkult um Turkmenistans Diktatoren. Der 2006 verstorbene Staatsgründer Saparmurat Nijasow etablierte ihn und erinnerte damit verblüffend an den Personenkult der Stalin-Ära, in deren Geist er selbst einst aufgewachsen war und Parteikarriere gemacht hatte. Die Denkmäler der Sowjetzeit stehen heute einträchtig neben jenen, die seither unter Turkmenistans Diktatoren hinzugekommen sind.
Nach Nijasows Tod lenkte sein ehemaliger Zahnarzt und Gesundheitsminister Gurbanguly Berdimuhamedow den etablierten Führerkult auf sich selbst um. 2015 setzte er, der Pferdeliebhaber, sich mit einem Reiterstandbild aus Gold als wahrhafter Nachfahre des einstigen Reitervolkes der Turkmenen in Szene. So bleibt er sichtbar die alles überstrahlende Führerfigur Turkmenistans.
Steinbüsten von Mao und Xi Jinping
Maos Nachfolger öffneten China zum Westen, ersetzten Alleinherrschaft durch kollektive Führung. Xi Jinping dreht die Entwicklung wieder zurück. Erfindet er die Diktatur neu?17.10.2023 | 43:23 min

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