Tiefseebergbau: Streit um Regeln für Rohstoffabbau im Ozean
Regeln für den Tiefseebergbau:Goldrausch am Meeresgrund?
von Andreas Ewels
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Tief unten im Ozean schlummern wertvolle Rohstoffe. Doch wer darf sie fördern und unter welchen Bedingungen? Darüber wird aktuell in Kingston verhandelt.
Bei der Generalversammlung der Internationalen Meeresbodenbehörde sollen Regeln für den Rohstoffabbau festgelegt werden - im Vorfeld protestierten Umweltschützer in Berlin gegen die Folgen des Tiefseebergbaus.
Quelle: dpa
Wenn man an Jamaika denkt, kommt einem meist Reggae in den Sinn. Doch aktuell steht dort die Zukunft der Ozeane auf dem Spiel. Zuständig für die Schätze der Tiefsee ist die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA), eine UN-Organisation mit Sitz in Kingston.
Seit Jahren arbeitet sie an einem Regelwerk - dem sogenannten "Mining Code". Dieser soll genau festlegen, wie und unter welchen Umwelt- und Rechtsstandards Tiefseebergbau künftig erlaubt sein soll. Auf der aktuellen Konferenz sollen nun endlich verbindliche Regeln beschlossen werden.
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Wissenschaft zwischen Wirtschaft und Umwelt
Mit dabei ist Dr. Matthias Haeckel vom GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel. Er beobachtet ein Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichen Interessen und dem Schutz des Ökosystems. Sein Zwischenfazit:
Es scheint tatsächlich so, dass wirtschaftliche und geopolitische Interessen derzeit wieder einmal überwiegen - und das nicht nur unter dem Einfluss der USA.
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Matthias Haeckel, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung
Kobalt, Nickel, Kupfer und Seltene Erden - diese Metalle sind essenziell für E-Autos, Windkraftanlagen, Smartphones und digitale Technologien. Sie lagern in sogenannten Manganknollen und anderen Ablagerungen auf dem Meeresboden, vor allem in der Clarion-Clipperton-Zone im Pazifik.
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Gefährdung eines unbekannten Lebensraums
Viele Wissenschaftler und Umweltschützer schlagen Alarm: Der Abbau könnte irreversible Schäden verursachen - in einer Welt, die bislang kaum erforscht ist. Die Tiefsee beherbergt einzigartige Lebensformen, deren Bedeutung für Klima und Artenvielfalt noch weitgehend unbekannt ist.
"Wir verstehen bislang nicht ausreichend, wie sich Eingriffe in der Tiefsee auf die Nahrungskette und höhere Wasserschichten auswirken", so Haeckel. "Das Zusammenspiel der Prozesse im Ökosystem Tiefsee ist noch nicht hinreichend erforscht."
Deutschland fährt Doppelstrategie
Auch Deutschland ist beteiligt. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) erforscht seit Jahren die Rohstoffvorkommen in der Tiefsee. Die Bundesregierung verfolgt dabei eine Doppelstrategie: Einerseits setzt sie sich für hohe Umweltstandards ein, andererseits will sie den Zugang zu strategisch wichtigen Rohstoffen sichern - für die Industrie, die Energiewende und die technologische Zukunft.
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Matthias Haeckel bleibt dabei nicht nur Beobachter. Er wird die Ratsmitglieder der ISA in diesen Tagen über seine Forschungsergebnisse informieren und konkrete Vorschläge für den "Mining Code" einbringen. Im Rahmen des europäischen Projekts "MiningImpact" untersucht er gemeinsam mit über 100 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern die ökologischen Folgen des Tiefseebergbaus. Das Projekt läuft noch bis mindestens Mitte 2029.
Zwischen Umweltschutz und Rohstoffhunger
Die Bundesregierung betont: Der "Mining Code" muss strenge Umweltauflagen enthalten. Gleichzeitig sieht sie in der Tiefsee eine Alternative zu problematischen Lieferketten - etwa aus politisch instabilen oder konfliktbelasteten Regionen. Doch den richtigen Mittelweg zu finden, ist alles andere als einfach.
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Dabei geht es um gewaltige Flächen. Matthias Haeckel rechnet mit über 300 Quadratkilometern Meeresboden pro Abbauoperation, die jährlich betroffen sein könnten: "Diese Zahl ergibt sich, wenn man von zwei bis drei Millionen Tonnen Manganknollen ausgeht, die aus wirtschaftlicher Sicht pro Jahr gefördert werden müssten." Die ökologischen Folgen wären langfristig spürbar:
Wir schätzen, dass sich die natürlichen Prozesse im Meeresboden erst nach Hunderten bis Tausenden von Jahren erholen.
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Matthias Haeckel, GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung
Dies wären voraussichtlich vergleichbare Folgen wie bei der Zerstörung des Regenwaldes oder der Schleppnetzfischerei. Wann der "Mining Code" verabschiedet wird, ist noch unklar. Einige Länder drängen auf einen schnellen Start, andere - darunter Deutschland - treten auf die Bremse. Sicher ist: Die Entscheidungen in Kingston werden weitreichende Folgen haben - für den globalen Rohstoffabbau und den Schutz der Ozeane.