Interview
Thailand und Kambodscha:Experte: Konflikt lebt "stark vom Nationalismus"
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Was steckt hinter den Kämpfen zwischen Kambodscha und Thailand? Könnte die Lage eskalieren? Wer könnte mäßigen? Der Südostasien-Experte Marco Bünte ordnet den Konflikt ein.
Dutzende Tote, Zehntausende Vertriebene: Der Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha ist erneut eskaliert. Was steckt hinter den Kämpfen und wie könnte eine Deeskalation gelingen? Der Südostasien-Experte Marco Bünte ordnet den aktuellen Konflikt bei ZDFheute live ein. Sehen Sie das Gespräch oben in voller Länge oder finden Sie hier einen Überblick mit seinen Erklärungen zu wichtigen Fragen rund um die Spannungen zwischen den beiden Nachbarländern.
Worum geht es im Konflikt zwischen Thailand und Kambodscha?
"Das ist ein klassischer Grenzkonflikt", erklärt der Professor für Politik und Gesellschaft Asiens von der Uni Erlangen-Nürnberg. Es gehe um eine sehr schlecht gezogene Grenze aus der Zeit, als das heutige Gebiet von Kambodscha noch eine französische Kolonie war.
Die Grenzregion von Thailand und Kambodscha
Quelle: ZDF
Es drehe sich um das Tempelgebiet von Preah Vihear, das in einer Karte 1907 Kambodscha zugeschlagen wurde. Thailand habe diesen Grenzverlauf aber nie akzeptiert. "Das ist der eigentliche Streitpunkt in diesem Grenzkonflikt." Thailand sei als einzige Nation in Südostasien nie kolonialisiert worden und reagiere bei Grenzverläufen "sehr dünnhäutig".
Steckt mehr hinter dem Konflikt als die Grenze?
Laut Bünte gab es schon fast dreimal Krieg zwischen beiden Ländern. Jedes Mal habe es dasselbe Muster gegeben: Innenpolitische Probleme in Thailand und Kambodscha hätten dazu geführt, dass "nationalistische Stimmungen hochgekocht worden sind und das Militär auf beiden Seiten überreagiert hat". Dann sei immer wieder der Tempelstreit eskaliert - auch dieses Mal.
Könnte es zu einem Krieg zwischen Thailand und Kambodscha kommen?
Das sei von hier aus schwer einzuschätzen, sagt Bünte. Einerseits wegen des hochkochenden Nationalismus, andererseits wegen der Instabilität in Thailand. Die Regierung habe wegen des Konflikts beinahe ihre Mehrheit verloren. Der konservative und dem Militär nahestehende Koalitionspartner habe sich zurückgezogen. Womöglich könnte das Militär wieder eingreifen, wie zuletzt 2014. Damals hatte es gegen die Regierung geputscht, auch heute noch ist das Militär ein wichtiger politischer Faktor.
Marco Bünte glaubt aber nicht, dass die Attacken in einen größeren Konflikt eskalieren werden, weil es ein "symbolischer Konflikt" sei, "der stark vom Nationalismus lebt" und "innenpolitisch angefeuert wird".
Er werde wohl auf "auf dieser Konfliktintensität bleiben" und sich "nicht noch ausweiten". Man werde immer wieder Scharmützel an der Grenze sehen.
Wer könnte im Konflikt vermitteln und deeskalieren?
Beide Staaten gehören zum Asean, einem Verband zehn südostasiatischer Staaten. Dieser habe aber wenig Einflussmöglichkeiten, sagt Bünte. Der Asean habe zwar zur Zurückhaltung aufgerufen, "aber das wirkt einfach nicht" wegen des starken Nationalismus, der auch vom thailändischen Militär geschürt wird.
Auch der Internationale Gerichtshof wird aus seiner Sicht nicht helfen können. Wegen der Grenze sei das Gericht schon vor langer Zeit angerufen worden. Mit seinem Urteil sollte das Tempelgebiet 1962 Kambodscha zugeschlagen werden. Thailand hat diesen Schiedsspruch nie anerkannt. Deshalb gebe es "von dritter Seite relativ wenig Möglichkeit, mäßigend einzugreifen."
Das Interview führte ZDFheute live-Moderator Marc Burgemeister. Zusammengefasst wurde es von Robert Meyer.
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