Umstrittene Wahl in Tansania: Präsidentin tritt Amt an

Umstrittene Wahl in Tansania :Präsidentin tritt Amt trotz massiver Proteste an

Porträt von Susann von Lojewski, ZDF-Auslandsstudioleiterin Nairobi

von Susann von Lojewski

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Mit fast 98 Prozent ist Samia Suluhu Hassan zur Präsidentin von Tansania gewählt worden. Allerdings glaubt in dem ostafrikanischen Land niemand, dass die Wahl fair abgelaufen ist.

Die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan gibt ihre Stimme bei den Parlamentswahlen im Wahllokal Chamwino in Dodoma, Tansania, ab.

Die tansanische Präsidentin Samia Suluhu Hassan gibt ihre Stimme bei den Parlamentswahlen ab - mittlerweile ist sie vereidet.

Quelle: AP

Mit unbewegter Miene leistete die 65-jährige Samia Suluhu Hassan am vergangenen Montag ihren Amtseid, ein kurzer Applaus, dann 21 Salutschüsse.

Wut nach Hassans Amtseid

Es hätte ein Freudentag für die Menschen in Tansania sein können. Aber es ist für die meisten genau das Gegenteil, denn Tansanias alte und neue Präsidentin machte schon in ihrer ersten Rede klar, wo für sie die Reise hingeht.

Mit Blick auf die massiven Proteste und die vielen Getöteten, die ihre Wahl überschattet hatten, warnte sie, dass ihre Sicherheitskräfte entschlossen vorgehen würden, damit "so etwas nie wieder passiert".

Daressalam tagelang im Ausnahmezustand

Tagelang war es nicht nur in den Straßen von Tansanias Wirtschaftsmetropole Daressalam zu Demonstrationen und Unruhen gekommen. Augenzeugen, die ihren Namen nicht nennen wollen aus Angst vor Repressionen, berichten dem ZDF von wahllosen Schießereien, eine Frau sei in ihrem Auto erschossen worden, als sie ihre Tochter abholen wollte. Viele Leichen, so die Augenzeugen weiter, haben die Angehörigen nicht bergen können, da sie von den Sicherheitskräften "heimlich" beiseitegeschafft wurden.

Blick auf das wiederaufgebaute Berliner Schloss, Sitz des Humboldt Forums, auf der Museumsinsel.

In Berlin gab es 2024 eine Ausstellung über die Folgen der deutschen Kolonialherrschaft in Tansania. Kunst und Kulturobjekte des Landes aus der Besatzungszeit waren zu sehen.

28.11.2024 | 1:35 min

Tausende Tote befürchtet - Regierung spricht von Unruhestiftern

Bis heute lässt sich die Zahl der Toten nicht verifizieren. Während die Oppositionspartei Chadema von mindestens 700 Getöten spricht, gehen US-Militärkreise von über 1.000 Menschen aus.

"Was derzeit geschieht, ist, dass die Menschen nach all diesen massiven Verlusten, dem Verlust von Menschenleben, trauern. Dass sie nach ihren Verwandten und Freunden suchen, die noch immer vermisst werden - nach denen, die in verschiedenen Krankenhäusern und Leichenhallen nirgends zu finden sind", berichtet der Menschenrechtsanwalt Titu Magoti, der als eine der wenigen Menschen offen spricht.

Dass Tansanias Präsidentin Hassan die Protestierenden als "Unruhestifter" beschimpft und gleichzeitig das Narrativ aufbaut, der Widerstand werde vom Nachbarland Kenia gesteuert, sorgt in der Bevölkerung für nachhaltigen Ärger: "Wir erwarten nicht viel Reue von der Regierung," sagt Magoti, "aber es gibt keine Entschuldigung, keinen Trost von der Regierung, keine Anerkennung, dass wir eine Krise haben."

Internet zeitweise abgeschaltet

Schon zu Beginn der Wahlen war das Internet abgeschaltet worden und wurde erst Mittwochmittag wieder freigegeben. Mobilfunkbesitzer erhielten jedoch die Warnung, dass sie im Fall einer Verbreitung von Fotos, die Panik verbreiten könnten, mit einer Anklage wegen Hochverrat rechnen müssen.

Dass Informationen nun wieder fließen, geht wohl auch auf Druck von ostafrikanischen Nachbarstaaten zurück. Weil von der Abschaltung des Internets auch der Hafen von Daressalam betroffen war, konnten Container nicht mehr abgefertigt werden. Die Folge: Waren - etwa aus Ruanda - konnten nicht transportiert werden.

Millionen von Menschen in der Region am Horn von Afrika hungern aufgrund der Dürre, und Tausende sind bereits gestorben.

Mit dem heutigen Welternährungstag möchte die UN auf die 673 Millionen unterernährten Menschen aufmerksam machen. Afrikanische Länder sind besonders betroffen.

16.10.2025 | 1:46 min

Die Restriktionen waren die Folge einer bereits seit längerem anhaltenden Unterdrückung der Opposition. Ernsthafte Gegenkandidaten der Präsidentin wurden entweder zur Wahl nicht zugelassen oder landeten schon vorher im Gefängnis. So ging es auch Tansanias populärstem Oppositionellen Tundu Lissu. Seit April sitzt er in einer Todeszelle - bisher ohne Urteil, der Prozess gegen ihn soll nächste Woche fortgesetzt werden.

Neue Proteste erwartet

Nicht nur der Menschenrechtsanwalt Titu Magoti rechnet dann mit neuen Protesten:

Die Menschen haben kein Vertrauen in die Regierung, sie ist illegitim. Wir haben nicht für sie gestimmt.

Titu Magoti, Menschenrechtsanwalt

Der Widerstand werde die Regierung dazu bringen, ihre Haltung zu überdenken, so der Menschenrechtsanwalt. Es ist eine Hoffnung, mehr aber auch nicht, denn bisher hat Präsidentin Samia Suluhu Hassan mit keinem Wort erkennen lassen, die Protestierenden ernst zu nehmen.

Susann von Lojewski ist Korrespondentin in Nairobi.

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