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Pariser Syrien-Konferenz:Syrien: Kollaps oder Aufbau?
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Zwei Monate nach dem Fall des Assad-Regimes hat Paris arabische und westliche Staaten eingeladen, um über Syriens politische Zukunft und sein wirtschaftliches Überleben zu beraten.
Im Moment noch von Sanktionen gelähmt: Staaten beraten auf der Syrien-Konferenz, wie der Wiederaufbau finanziert werden soll.
Quelle: AFP
Nach Beginn des Krieges im Jahr 2011 hat Syrien 75 Prozent seiner Stromerzeugungskapazität eingebüßt. Ohne Strom kein Leben - keine Wirtschaft. Nach Aussagen von der amtsführenden Regierung kostet eine Instandsetzung des Stromnetzes rund 40 Milliarden US-Dollar. Ist die Welt bereit, Syriens Aufbau zu finanzieren?
Aleppo: Ein Kraftwerk - Zwei Stunden Strom pro Tag
Aus der Luft sind die Schäden erheblich: Drei Öltanks sind zerborsten, Spannungsleitungen fehlen, Masten sind eingeknickt. Drinnen sind drei Turbinen beschädigt. Immerhin kann das einzige Wärmekraftwerk von Aleppo noch zwei Stunden Strom am Tag liefern. "Unser Kraftwerk braucht dringend Ersatzteile vom japanischen Hersteller. Aufgrund der westlichen Sanktionen können wir diese nicht importieren, ja nicht einmal Kontakt aufnehmen mit Japan", erklärt Ingenieur Emad Abu Ali.
Der Wiederaufbau ist nur ein Teil des Problems: Nach dem Fall von Assad stellte Irans Regime seine Rohöllieferungen ein. Wegen der Ölknappheit ist Damaskus nachts noch dunkler geworden - nun könnte das gesamte Netz zum Erliegen kommen.
Sanktionen gegen vs. Wiederaufbau von Syrien
Wie umgehen mit dem neuen Regime in Syrien? Eine Frage, auf die westliche Staaten dringend eine Antwort finden müssen. Dazu gehört auch das Thema Sanktionen. Was deutlich wird: Ein Land wiederaufbauen, das von Sanktionen gelähmt wird, ist kaum möglich. Die sechsmonatige Aufhebung einiger US-Sanktionen reicht nicht aus, um die Stromversorgung auf Dauer zu verbessern und ausländische Investitionen zu ermöglichen.
Derweil diskutiert die EU noch, ob sie die Sanktionen gegen den Bau von Kraftwerken aufhebt. Die 27 EU-Außenminister hatten sich im Dezember noch darauf geeinigt, die Energie-, Transport- und Finanzsanktionen gegen Syrien zu lockern, doch Berichten zufolge wurde die Umsetzung von Griechenland und Zypern verlangsamt.
Der langjährige Syrien-Experte Charles Lister warnt:
Westliche Sanktionen gegen das Assad-Regime weiter laufen zu lassen macht keinen Sinn.
Charles Lister, Syrien-Direktor am Middle East Institute in Washington
Und weiter: Es "beschädigt das Vertrauensverhältnis und birgt das Risiko, Unruhen und neue Konflikte auszulösen", so Lister.
Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe, hat nach einer Reise durch Syrien eine schnelle und den massiven Schäden angemessene Unterstützung gefordert: "Zum einen sollten die Sanktionen aufgehoben werden, damit der Zahlungsverkehr wieder in Gang kommt. Zum anderen sollten Hilfsgelder fließen - gebunden an Bedingungen wie die Einhaltung von Menschenrechten und demokratischen Prinzipien."
Syrien-Politik von Trump unklar
In Paris werden acht arabische Länder, die G7, die EU, die Türkei, UK und die Mitglieder des Golfkooperationsrates über Hilfe und Weichenstellungen für das Land beraten. An der Konferenz werden auch Vertreter des US-Außenministeriums teilnehmen. Präsident Trumps Syrien-Politik bleibt weiter unklar. Und diese Unklarheit verzögert Investitionen der arabischen Länder. Dabei läge es im nationalen Interesse der USA, einer Destabilisierung sofort vorzubeugen und den weiteren Kollaps Syriens zu verhindern.
Syrer fleht die Welt um Hilfe an
Wo anfangen, fragen sich viele Syrer derzeit. "Als wir zurückkehrten, war unsere Freude unbeschreiblich. Aber meine Frau sah unser Haus. Und begann zu weinen", erzählt Mustafa Al-Daher. Seine Familie ist nach fünf Jahren Leben im Zeltlager in Nord-Syrien zurückgekehrt ins Nichts: Auf dem Grund seines zerstörten Hauses hat er zwei Zelte wiederaufgebaut.
Assads Warlords haben seine Heimatstadt Saraqib systematisch vernichtet: Die Hausdächer gesprengt, um das Metall weiterzuverkaufen, die Brunnen und Abwasserkanäle zugeschüttet, die Wasserpumpen geplündert, die Oliven- und Feigenbäume gefällt. "Es war grünes, blühendes Land. Sie haben es in eine Wüste verwandelt. Es gibt keine Schule, keine Bäckerei, keine Klinik, kein Wasser."
Wir flehen die Welt an, hierher zu schauen! Unsere Kinder haben ein Leben in Würde verdient!
Mustafa Al-Daher, Familienvater in Syrien
Golineh Atai ist Studioleiterin des ZDF-Auslandsstudios Kairo. Sie berichtet unter anderem aus Syrien.
Quelle: dpa
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