Machtübernahme in Syrien:Rebellen wollen Kämpfer in Armee eingliedern
Nach dem Umsturz in Syrien festigen die Islamisten ihre Macht. Ihre Kampftruppen sollen aufgelöst werden und als Teil der syrischen Armee ausgebildet werden.
Angeführt von der islamistischen HTS-Miliz hatte eine Rebellen-Allianz den syrischen Machthaber Assad am 8. Dezember gestürzt.
Quelle: AFPDer Chef der siegreichen Islamisten in Syrien hat die Auflösung der Kämpfergruppen und ihren Eintritt in die Armee der neuen Machthaber angekündigt.
Die verschiedenen Fraktionen "werden aufgelöst und die Kämpfer für die Reihen des Verteidigungsministeriums ausgebildet, wobei alle dem Gesetz unterliegen", erklärte der Anführer der Miliz Hajat Tahrir al-Scham (HTS), Ahmed al-Scharaa, der bislang unter seinem Kampfnamen Mohammed al-Dscholani auftrat, am Montag im Onlinedienst Telegram.
"Oberste Priorität" sei in Syrien zunächst "der Aufbau des Staates", so Golineh Atai aus Damaskus. Man fordere vom Westen aber die Aufhebung von Sanktionen.
16.12.2024 | 2:20 minIslamisten-Chef will Vertrag zwischen Staat und Religionen
Er kündigte am Montag auch an, einen "Vertrag" zwischen dem Staat und Religionen schließen zu wollen, um "soziale Gerechtigkeit" sicherzustellen.
"Syrien muss geeint bleiben, und es muss einen Sozialvertrag zwischen dem Staat und allen Konfessionen geben, um soziale Gerechtigkeit zu gewährleisten", erklärte der Islamisten-Chef bei einem Treffen mit Würdenträgern der Gemeinschaft der Drusen nach Angaben seiner von der HTS angeführten Koalition bei Telegram.
Bei den Drusen handelt es sich um eine Gemeinschaft, deren Religion aus dem Islam hervorgegangen ist. Kämpfer unter Führung der islamistischen HTS-Miliz hatten am 8. Dezember Damaskus erobert und die langjährige Herrschaft des Machthabers Baschar al-Assad in Syrien beendet.
Alles beginnt damit, dass viele Menschen auf die Straße gehen, um für mehr Freiheit zu protestieren. Die Proteste richten sich gegen die syrische Regierung und den Regierungschef Baschar al-Assad.
Die syrische Regierung geht gewaltsam gegen die Demonstrationen vor.
Dann beginnen verschiedene Gruppen, sogenannte Rebellen, gegen Assad und seine Anhänger zu kämpfen. Viele Menschen müssen vor den Kämpfen aus Syrien fliehen. Tausende sterben.
Die Kämpfe gehen weiter. Die syrische Regierung greift Aleppo an, die zweitgrößte Stadt in Syrien. Große Teile der Stadt werden zerstört.
Es werden immer wieder grausame Angriffe auf die Bevölkerung ausgeübt, also auf Menschen, die gar nicht an den Konflikten beteiligt sind.
500.000 Menschen sind mittlerweile auf der Flucht.
Die Anhänger Assads und die Rebellengruppen kämpfen weiter um die Stadt Aleppo. Inzwischen mischen sich immer mehr andere Länder in den Krieg ein.
Ende des Jahres haben 2,3 Millionen Menschen Syrien verlassen.
Die Terrororganisation IS wird immer mächtiger in Syrien und besetzt sehr viele Gebiete. Sie verbreitet dort Angst und Schrecken und verübt Anschläge. Die USA ruft deswegen zum Kampf gegen den IS auf.
Weil sich immer mehr Nationen an dem Krieg beteiligen, ist inzwischen von einem "Stellvertreter-Krieg" die Rede. Das bedeutet, dass zwei Länder, statt ihren Streit miteinander offen anzugehen, diesen in einem anderen Land austragen. Zum Beispiel unterstützt Russland den Herrscher Assad, und die türkische Regierung unterstützt einige Rebellengruppen.
Mittlerweile haben vier Millionen Menschen Syrien verlassen. Immer mehr syrische Flüchtlinge kommen jetzt auch nach Europa.
Ende des Jahres wird die Stadt Aleppo von Assads Regierung zurückerobert. Viele kehren in die völlig zerstörte Stadt zurück und beginnen damit, sie wieder aufzubauen.
Die Kämpfe gehen in anderen Landesteilen aber weiter.
Immer mehr Gebiete können von der IS-Herrschaft befreit werden. Im Dezember gilt der IS weitestgehend als besiegt.
Im Norden Syriens gibt es heftige Kämpfe zwischen Truppen der Türkei und kurdischen Kämpfern in Syrien. Zwischen der Volksgruppe der Kurden und der türkischen Regierung gibt es schon länger Konflikte.
Der syrischen Regierung erobert fast alle Gebiete des Landes zurück. Nur noch die Region um die Stadt Idlib im Nordosten von Syrien ist noch in der Hand der Rebellen.
Die syrische Regierung versucht mithilfe von Russland die Region um Idlib zurück zu erobern. Hunderttausende fliehen 2019 aus der Region Idlib. Viele Hilfsorganisationen können wegen der heftigen Angriffe dort keine Hilfe mehr leisten.
Der Konflikt konzentriert sich weiterhin auf die Region Idlib. Im März wird eine Waffenruhe vereinbart. Diese gilt bis heute - doch immer wieder wird dagegen verstoßen.
Der Krieg dauert inzwischen zehn Jahre an. Die gewaltsamen Unruhen sind zwar weniger geworden, die Not der Menschen bleibt aber groß. Hilfsorganisationen weisen im März darauf hin, dass der Krieg Kinder besonders hart trifft.
Über 90 Prozent der Syrer leben in Armut, die Hälfte der Bevölkerung hat ihre Heimat verloren. Wegen des Krieges in der Ukraine sind viele Lebensmitteltransporte ausgeblieben. Das hat 2022 zu der schlimmsten Hungerkrise in Syrien seit Beginn des Krieges geführt: Mehr als 60 Prozent der Menschen in Syrien leiden unter Hunger.
Eine halbe Million Menschen sind in diesem Krieg bisher gestorben. Es gibt sechs Millionen Vertriebene innerhalb Syriens, 5,7 Millionen Menschen sind ins Ausland geflohen. Über eine Million haben im benachbarten Libanon Zuflucht gefunden. Und das Leid der Menschen dauert an: In ausgebombten Städten wie Aleppo oder Homs sind mehr als die Hälfte der Gebäude nicht mehr bewohnbar, der Wiederaufbau des Landes bleibt bisher aus.
Im Februar richten schwere Erdbeben Verwüstungen in der südlichen Türkei und in Syrien an. Zehntausende Menschen sterben. Die von den Erdbeben betroffenen Gebieten in Syrien werden von Rebellen kontrolliert - Menschen, die gegen die syrische Regierung unter Präsident Baschar al-Assad kämpfen. Genau diese Gebiete sieht der Präsident als verfeindet an. In den ersten Tagen ließ er deshalb Hilfslieferungen in diese Gebiete nicht zu - erst vier Tage später gab er die Erlaubnis. Baschar al-Assad wird außerdem vorgeworfen, diese Gebiete trotz der Notlage weiter anzugreifen und zu bombardieren.
Bis Ende November war der größte Teil Syriens schon länger wieder unter der Kontrolle des Herrschers Assad und seiner Regierung. Dann aber begannen Rebellengruppen erneut gegen Assad zu kämpfen und konnten viele Gebiete zurückerobern. Assad hat Anfang Dezember das Land verlassen, und damit ist es seinen Gegnern gelungen, ihn aus dem Amt zu jagen.
Nach dem Machtwechsel in Syrien ist De-facto-Herrscher Ahmed al-Scharaa zum Übergangspräsidenten ernannt worden. Er führte die sunnitisch-islamistische Organisation Haiat Tahrir al-Scham (HTS), die den Sturz von Langzeit-Herrscher Baschar al-Assad maßgeblich herbeigeführt hatte.
Die wichtigsten Verbündeten Assads - Russland, der Iran und die im Libanon ansässige Hisbollah-Miliz - griffen nicht ein, um den Vormarsch der islamistischen Kämpfer auf die syrische Hauptstadt zu stoppen. Assad, dem Entführung, Folter und Ermordung von Andersdenkenden vorgeworfen werden, floh nach Russland.
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