Interview
Große Militärparade in Moskau:Putin droht Westen abermals am Tag des Sieges
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Mit 9.000 Soldaten und 70 Flug- und Fahrzeugen feiert Moskau den 79. Jahrestag des Sieges über Nazi-Deutschland. Dem Westen wirft Präsident Putin Revanchismus vor.
Es ist der kälteste 9. Mai seit vielen Jahren, in der Nacht ist Schnee auf Moskau gefallen. Trotzdem strahlt die Hauptstadt in patriotischem Prunk, säumen die Menschen die Prachtmeile zum Kreml. Trotzdem nehmen die Staatsgäste auf der Ehrentribüne Platz, Präsidenten zentralasiatischer Staaten, aus Laos und Guinea-Bissau.
Der Gast aus Kuba hat seine Gattin mitgebracht. Machthaber Lukaschenko aus Belarus seinen Hund. Westliche Vertreter sucht man vergeblich.
Propaganda: Russland bekämpft den Faschismus
Es ist eine eingeübte Zeremonie. Glockenspiel, dann ertönt der Marsch "der heilige Krieg". Der Verteidigungsminister, im offenen Cabriolet vorgefahren, meldet dem Präsidenten die Bereitschaft zur Parade. Der ergreift das Wort bis zur Schweigeminute, die mit seinem "Hurra" endet. Das dreifach vom Roten Roten Platz zurückhallt.
Von Ehre und Helden ist die Rede, von Erinnern und Verneigen. Vor den Kämpfern von einst und von heute. Die Parallele ist Teil der Propaganda: Russland bekämpft den Faschismus, gestern und für immer. Dem Westen wirft Präsident Putin Revanchismus vor, die Erinnerung an die Befreiung vom Nationalsozialismus zu relativieren.
Putin wirft Westen Geschichtsfälschung vor
Heute sehen wir, wie sie versuchen, die Wahrheit über den Zweiten Weltkrieg zu verfälschen. Sie stört diejenigen, die es gewohnt sind, ihre im Wesentlichen koloniale Politik auf Heuchelei und Lügen zu stützen.
Wladimir Putin, Russischer Präsident
"Sie zerstören Denkmäler für wahre Kämpfer gegen den Nationalsozialismus, stellen Verräter und Komplizen der Nazis auf Sockel, streichen die Erinnerung an den Heldenmut und den Adel der befreienden Soldaten," sagt Putin weiter.
Gemeint sind auch die baltischen Staaten. Die sowjetische Denkmäler abbauen, weil sie für sie für Vertreibung, Verschleppung, Diktatur und Mord stehen. Das sagt Putin nicht. Auch nicht, dass sie und die Menschen in Polen heute in Angst leben müssen, vor russischer Aggression.
Putin inszeniert sich als Kämpfer für Gerechtigkeit
Stattdessen gibt er sich als Führer einer Weltmacht, als Kämpfer für Gerechtigkeit. Damals und heute. Und schlägt fast moderat klingende Töne an.
Russland hat die Bedeutung der zweiten Front und der Hilfe der Verbündeten nie unterschätzt.
Wladimir Putin, Russischer Präsident
"Wir würdigen den Mut aller Soldaten der Anti-Hitler-Koalition, Mitglieder des Widerstands, Untergrundkämpfer, Partisanen, den Mut des chinesischen Volkes, das für seine Unabhängigkeit gegen die Aggression des militaristischen Japan gekämpft hat."
Lob für chinesischen Partner
Interessant ist, dass er China hervorhebt. Den neuen starken strategischen Partner, den wichtigen, energiehungrigen Kunden für Öl und Gas. Seit der Westen sich von Russland abgewandt hat.
Franzosen, Briten und Amerikaner, ihre Opfer an der "zweiten Front", ihr Beitrag zur Anti-Hitler-Koalition, all das bleibt unerwähnt. Ihr Kampf und ihr Sieg passen nicht mehr in Putins Geschichtsschreibung.
Atomdrohung wiederholt
Es war ein kalter neunter Mai in Moskau, das konnte auch die Flugschau, die in diesem Jahr wieder stattfand und die Trikolore in den blauen, sonnigen Himmel malte, nicht überstrahlen.
Die Atomdrohung, die mittlerweile schon Teil des russischen Protokolls zu sein scheint, hat der Präsident gegenüber dem Westen auch heute wiederholt. Die Nuklearstreitkräfte seien "immer in Alarmbereitschaft".
Das neue Russland erzählt die Geschichte vom Zweiten Weltkrieg heute alleine. Das Gemeinsam zwischen Ost und West, der gemeinsame Sieg über das deutsche Reich hat keinen Platz mehr, in der Geschichtsschreibung Wladimir Putins.