Gefahr durch Russland: Was muss Europa tun, General Brieger?
Interview
Gefahr durch Russland:Was muss Europa jetzt tun, General Brieger?
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Europas Sicherheit sei nicht länger selbstverständlich, sagt General Brieger. Er fordert: Mehr Zusammenarbeit, mehr Investitionen und vor allem: ein gesellschaftliches Umdenken.
Im Falle eines russischen Angriffs auf Europa müssten die Europäer sich künftig vorwiegend selbst verteidigen, sagt der oberste General der EU Robert Brieger bei ZDFheute live. 21.05.2025 | 22:50 min
Mit der Aufstellung der Bundeswehr-Brigade in Litauen sendet Deutschland ein klares Signal der Abschreckung an Moskau. Deutschland und die Nato-Partner seien entschlossen, das Bündnisgebiet "gegen jede Aggression" zu verteidigen, erklärte Kanzler Friedrich Merz. Doch wie steht es tatsächlich um Europas Verteidigungsfähigkeit - jenseits symbolischer Gesten?
General Robert Brieger, der Vorsitzende des Militärausschusses der EU, macht klar: Europa müsse lernen, sich selbst zu verteidigen - militärisch, industriell und gesellschaftlich.
Sehen Sie oben das ganze Interview bei ZDFheute live im Video und lesen Sie es hier in Auszügen.
Das sagt General Robert Brieger …
… zur militärischen Bedrohung durch Russland
Russland stellt laut Brieger aktuell die größte konventionelle Bedrohung für Europa dar. Auch unterhalb der Kriegsschwelle - im sogenannten "hybriden Bereich" - gehe eine erhebliche Gefahr von Moskau aus.
Europa müsse seine Resilienz deutlich stärken, mahnt Brieger. Dazu gehöre auch, die Bevölkerung stärker einzubeziehen und ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Sicherheit Geld koste. Man müsse sich auf eine neue Realität einstellen.
Es war nach dem Ende des Kalten Krieges anders, aber wir stehen jetzt vor einer neuen Realität.
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General Robert Brieger
"Wir erwarten keine unmittelbare konventionelle Offensive gegen einen europäischen Mitgliedsstaat", betont der Vorsitzende des Militärausschusses der EU. Bedroht sein könnten allerdings etwa Teile des Baltikums, die unmittelbar an Russland grenzen. Deshalb brauche es mehr Zusammenarbeit in der Sicherheits- , Verteidigungs- und Rüstungspolitik.
… zur militärischen Eigenverantwortung Europas
Bis 2025 habe die EU eine schnelle Eingreiftruppe von 5.000 Soldaten aufgestellt, sagt Brieger. Diese Kräfte seien vor allem für Krisen außerhalb Europas vorgesehen. Dabei handele es sich aber nur um einen ersten Schritt.
Den Handlungsrahmen für diese Verstärkung kann in naher Zukunft nur die Nato bieten. Es geht also darum, durch unsere industriellen Leistungen und durch eine enge Zusammenarbeit mit dem Bündnis den europäischen Pfeiler der Nato zu stärken.
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General Robert Brieger
Auch wenn die militärische Unterstützung durch die USA weiterhin essenziell bleibe, müsse Europa zunehmend selbst Verantwortung übernehmen. Dies sei nicht nur eine Frage der Finanzen, sondern erfordere ein tiefgreifendes gesellschaftliches Umdenken in ganz Europa - auch mit Blick auf moderne Bedrohungen durch Fernwaffen und hybride Kriegsführung.
Europa wird in Zukunft vorwiegend durch Europäer verteidigt werden müssen.
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General Robert Brieger
… zu Europas neuem Verteidigungsverständnis
Der russische Angriff auf die Ukraine sei ein Weckruf gewesen, so Brieger. Auch wenn die strategische Ausrichtung der USA auf den Indopazifik schon länger bekannt sei, habe Europa Konsequenzen gezogen. "Wir haben mittlerweile im europäischen Durchschnitt 1,9 Prozent des Bruttoinlandsproduktes für Verteidigung." Das sei gegenüber den Jahren davor "eine erhebliche Steigerung, sodass man keineswegs sagen kann, dass nichts geschieht".
Es könne aber "immer noch mehr geschehen", so Brieger. Allerdings müsse das - abgesehen von den Quantitäten - "auch in einer kooperativen und organisierten Weise geschehen".
Ziel sei es, sowohl die Ukraine in ihrer Selbstverteidigung zu unterstützen als auch langfristig die eigenen Verteidigungskapazitäten zu verbessern, - als Teil einer stärkeren europäischen Nato-Säule und gleichzeitig mit dem Anspruch, sicherheitspolitisch auch eigenständig agieren zu können.
Die EU soll bestimmte Sicherheits- und Verteidigungsherausforderungen selbst beantworten können.
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General Robert Brieger
Das Interview führte ZDFheute live-Moderatorin Alica Jung. Zusammengefasst wurde es von Paula Colberg und Pablo Silalahi.