Putins junge Patrioten: Wie der Kreml die Jugend auf Linie bringt

Putins junge Patrioten :Wie der Kreml die Jugend auf Linie bringt

von Manuela Conrad

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Seit Moskaus Angriff auf die Ukraine findet in Russland ein Krieg um die Köpfe der Kinder statt. Die Jugend wird indoktriniert - wie zu Sowjetzeiten.

Schüler in Russland

Seit dem Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine intensiviert Moskau die Einflussnahme: Russlands Jugend wird im Klassenzimmer und außerhalb ideologisch auf Linie gebracht.

18.11.2025 | 3:11 min

Russische Nationalhymne und Fahnenappell. So sieht ein Montagmorgen in der Schule Nr. 1 in Karabasch aus, einer Kleinstadt im Uralgebirge. Pawel Talankin war hier viele Jahre Lehrer. Als Videograph dreht er die Veranstaltungen an seiner Schule und soll die Aufnahmen ans Bildungsministerium schicken. Frontsoldaten sind zu Gast, Putin-Reden werden in der Aula übertragen, die Kinder machen Handgranatenweitwurf oder lernen etwas über Waffen.

Dokumentation über Putins Ideologie im Schulalltag

Die seltenen Filmaufnahmen über den Schulalltag hat Talankin in den Westen geschmuggelt und Russland verlassen. Entstanden ist ein Dokumentarfilm darüber, wie Putins Ideologie in die Köpfe der Kinder kommen soll. Wir treffen Talankin im Exil:

Die Propaganda funktioniert. Es ist kein Wunder, dass sie funktioniert, wenn man eine Lüge tausendmal wiederholt, wird sie zur Wahrheit. Immer mehr junge Menschen beginnen, an das Narrativ zu glauben, das ihnen in den Schulen vermittelt wird.

Pawel Talankin, Lehrer aus Russland

Die "Gespräche über Wichtiges" sind für die ideologische Meinungsbildung nach Kreml-Lesart von zentraler Bedeutung. Was wichtig ist, wird vom Bildungsministerium vorgegeben. In der Schule in Karabasch nimmt der Geschichtslehrer die Stunden ernst: "Wenn ihr in unserem Land lebt und es nicht liebt, dann seid ihr Parasiten, dann geht!", wirft er in die nachdenklichen Kindergesichter. Das propagierte Ziel der Regierung: Patriotismus und Verteidigung des Vaterlandes - schon im Klassenzimmer.

Verhaftung eines Demonstranten in Moskau

Wurden Gebiete erst einmal eingenommen, zeigt sich Russland knallhart gegenüber der ukrainischen Bevölkerung. Vor allem Kinder und Jugendliche stehen im Fokus - diese werden in sogenannte Umerziehungslager gebracht.

11.09.2024 | 6:36 min

Staatliche Kontrolle auch außerhalb der Schulen

Die staatliche Kontrolle geht außerhalb der Schule weiter. Die "Bewegung der Ersten" ist eine Organisation nach dem Vorbild der ehemaligen sowjetischen Pioniere, gegründet 2022. Der Kremlchef lässt sich gerne mit der "Bewegung der Ersten" auf der Bühne feiern. Mehr als elf Millionen Mitglieder soll die Organisation haben.

Die Jugend in Russland soll auch militärisch auf mögliche Kriegseinsätze vorbereitet werden. Schließlich braucht die russische Armee Nachwuchs. Die "Junarmia", zu Deutsch "Jungarmee", ließ Putin 2016 von seinem Verteidigungsministerium gründen. Erklärtes Ziel: "Junge Menschen dazu zu bringen, Russland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen." Die Junarmia gehört zum Staatsprogramm der patriotischen Erziehung von Jugendlichen.

Anfang September zeigte sich Putin zufrieden mit der Entwicklung der Jugend:

Unsere Jugend zeigt Patriotismus und die Bereitschaft, das Vaterland zu verteidigen. Und, wenn nötig, für unsere traditionellen Werte einzustehen.

Wladimir Putin, Staatsoberhaupt von Russland

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Angst durch Denunziation

Was mit denen passiert, die sich der Propaganda widersetzen, hat Lehrerin Natalya Taranuschenko aus der Nähe von Moskau erlebt. Mit Beginn der sogenannten "militärischen Spezialoperation" erklärte sie ihren Schülern, dass der russische Angriff gegen Völkerrecht verstoßen würde und zeigte ihnen ein Video aus dem umkämpften Mariupol. Danach begann die Repression, irgendwann wurde es für sie zu gefährlich.

Ich habe meine Sachen gepackt und innerhalb von anderthalb Stunden Russland verlassen. Es gab einen Prozess in Abwesenheit, und ich wurde zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt. Ich bin also eine Verbrecherin.

Natalya Taranuschenko, ehemalige Lehrerin in Russland

Verurteilt wegen "Verbreitung von Falschmeldungen über den Einsatz der Armee" floh sie über Armenien nach Frankreich. 2023 verließen 193.000 Lehrer die russischen Schulen, vierzehn Prozent der gesamten Lehrerschaft - so viele wie nie zuvor.

Gegenseitige Denunziation und ein Klima der Angst präge die russische Gesellschaft, sagt der Buchautor Wladimir Esipov. Auch Mascha Moskaljowa und ihr Vater Aleksey haben sich der Propaganda widersetzt. Sie sind aus Russland geflohen wegen einer Anti-Kriegszeichnung in der Schule.

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Der russischen Opposition drohen heftige Repressionen. Außerdem fehlt es seit dem Tot von Putins Widersacher Alexej Nawalny an einer Strategie: Im Exil herrscht Streit, während Oppositionellen in Russland Repressionen drohen.

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Gefängnis für Putin-Kritik im Kunstunterricht

Mascha war zwölf, als sie mit Beginn der russischen Invasion im Kunstunterricht die ukrainische und russische Flagge malte: "Nein zu Putin, Nein zum Krieg" schrieb sie. Die Schule rief die Polizei. Ihr Vater Alexej wurde verhört, er verteidigte die Haltung seiner Tochter. Und weil er sich selbst gegen den russischen Angriffskrieg äußerte, wurde er wegen "Diskreditierung der Armee" verurteilt. Ein Jahr und acht Monate saß er im Straflager. Im Oktober 2024 wurde er entlassen.

Als das mit Mascha passierte, verstand ich, dass es nicht bei uns enden würde. Es würde weitergehen. Die Repressionen würden immer schlimmer werden. Auch gegen Kinder.

Alexej Moskaljow

Alexej und Mascha konnten nach Armenien flüchten, doch sind auch hier um ihre Sicherheit besorgt. Mascha hat einen Brief an die deutschen Behörden geschrieben. Ihre Hoffnung ist, dass ihr Vater als politischer Häftling in Deutschland anerkannt wird. Ihr Wunsch: In einem Land zu leben, in dem niemand wegen einer Kinderzeichnung ins Gefängnis kommt.

Die Propaganda an russischen Schulen ist nicht für eine Generation gedacht, sondern für mehrere, sagt der ehemalige Lehrer Talankin. Der Krieg um die Köpfe der Kinder in Russland ist in vollem Gange.

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