Norwegen: Protest gegen den Gas- und Öl-nahen Wohlfahrtsstaat

Hungerstreik in Norwegen:Protest in der klimafreundlichen Öl-Nation

von Winnie Heescher und Sigrid Harms
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Norwegen wählt am 8. September ein neues Parlament. Das Thema Klima spielt in diesem Wahlkampf bislang keine große Rolle. Ein 29-Jähriger will das ändern. Mit einem Hungerstreik.

Zwei Bohrinseln vor der Küste Norwegens

Ein Norweger fastet gegen die Öl- und Gaspolitik seines Landes. Trotz Klimaneutralitätsziel bis 2050 vergab Norwegen 800 neue Bohrlizenzen - sie bringen 94 Milliarden Euro Staatseinnahmen.

26.08.2025 | 2:08 min

Ein junger Mann auf einem Klappstuhl. Jeden Tag sitzt Vebjørn Bjelland Berg dort, wo man ihn gut sehen kann, zentral vor dem norwegischen Parlament in Oslo. Sein Anblick erinnert ein bisschen an die Anfänge von Greta Thunberg: Als 15-Jährige begann die Schülerin 2018 vor dem schwedischen Parlament in Stockholm gegen die Klimapolitik ihres Landes zu demonstrieren. Auch Vebjørn Bjelland Berg protestiert - gegen die Öl-Förderung seines Heimatlandes Norwegens.

Ich bin bereit, in dieser Sache ein echtes Risiko einzugehen.

Vebjørn Bjelland Berg, Aktivist

Der 29-Jährige ist schon weit gegangen: Seit Ende Juli ist er im Hungerstreik. Nimmt nur noch Wasser und Vitamine zu sich. Er will die Regierung dazu bringen, aus der Öl- und Gasförderung auszusteigen.

Norwegen ist Europas größter Produzent von Öl und Gas, einer der größten Exporteure weltweit und die großen Parteien in diesem Land zeigen keinerlei Willen, diese Industrie auslaufen zu lassen. Das wird Millionen Menschen das Leben kosten. Das ist großes Unrecht.

Vebjørn Bjelland Berg, Aktivist

UN Climate Change Conference COP29

Bei der UN-Klimakonferenz in Baku wird der Klimaschutz-Index vorgestellt. Er definiert, welche Länder sich verschlechtern und welche Fortschritte machen.

20.11.2024 | 2:12 min

Keine Gespräche mit der Regierung

Er hat die Regierung aufgefordert, mit ihm Gespräche zu führen. Zu einem Regierungsmitglied hätte er sogar einen besonders kurzen Draht: Sein Cousin, Andreas Bjelland Eriksen, ist Klima- und Umweltminister. Doch niemand aus der Regierung hat die Einladung des 29-Jährigen bislang angenommen. "Ich möchte, dass wir einen Bürgerrat einsetzen, der eine Empfehlung ausarbeitet, was wir mit unseren Öl- und Gasreserven machen sollen", sagt Berg.

Vebjørn Bjelland Berg ist nicht der einzige, der in diesen Tagen in Oslo für eine andere Klimapolitik demonstriert. Auch die radikale Umweltschutzbewegung Extinction Rebellion macht durch Sitzblockaden und andere Aktionen auf das Thema aufmerksam.

Windrad und aufsteigender Rauch von Schloten im Hintergrund

Wie sozial gerecht sind die Klimaschutzmaßnahmen?

27.11.2023 | 4:56 min

Öl macht den Wohlfahrtsstaat sicher

Norwegen ist im Wahlkampf, Anfang September wird ein neues Parlament gewählt. Mit großen Veränderungen in der Öl- und Gaspolitik wird auch danach nicht gerechnet. Denn Öl hat Norwegen reich gemacht. Zwei Drittel aller Exporte hängen vom Öl ab. Mehr als 300.000 Menschen arbeiten in der Öl- und Gasbranche. Und der norwegische Ölfonds, der größte Staatsfonds der Welt, sichert das Land über Generationen ab.

Das Mantra einer jeden Regierung lautet deshalb: Wir wollen unsere Ölindustrie nicht abwickeln, sondern weiterentwickeln. "Wir sind überzeugt, dass wir nicht einfach aufhören können, solange die Nachfrage nach diesem Rohstoff groß ist", sagt Mani Hussaini von der Arbeiterpartei und Mitglied im Energie- und Umweltausschuss.

Norwegen sollte nicht aufhören, Öl und Gas zu fördern, um ein gutes Gewissen zu haben. Wir sollten aber gleichzeitig die erneuerbaren Energien ausbauen, in diese investieren.

Mani Hussaini, Arbeiterpartei

E-Autos Deutschland

Nach dem Wegfall der staatlichen Kaufprämie ist die Zulassung von E-Autos eingebrochen. Das Gegenteil ist in Norwegen passiert, hier sind Benziner und Dieselfahrzeuge unbeliebt.

13.01.2025 | 1:42 min

Norwegisches Paradox: klimafreundliche Öl-Nation

Bis 2050 will Norwegen klimaneutral sein. Nirgendwo auf der Welt fahren pro Kopf mehr Menschen ein Elektroauto als hier, mehr als 90 Prozent des Stroms werden aus erneuerbaren Energiequellen gewonnen.

Doch die Diskrepanz zwischen dem grünen Image einerseits und dem Produzenten fossiler Brennstoffe andererseits ist groß. Studien zufolge könnte sich Norwegen einen Ausstieg aus der Öl-Industrie durchaus leisten. "Es würde kurzfristig zu mehr Arbeitslosigkeit führen“, sagt Knut Einar Rosendahl, Professor für Volkswirtschaftslehre, "aber das wäre nur vorübergehend."

Wenn man die Ölproduktion reduzieren würde, hätte das einen positiven Klimaeffekt global.

Knut Einar Rosendahl, Professor für Volkswirtschaftslehre

So argumentiert auch Vebjørn Bjelland Berg: Dass es der Welt insgesamt besser gehen würde, wenn Norwegen aus der Öl-Förderung ausstiege. "Ich schaue jetzt von Tag zu Tag", sagt er über seinen Hungerstreik. Er habe aber einen Fehler gemacht. Er dachte, er hätte 40 Tage vor dem Wahltag angefangen. "Aber es waren 41 und ich werde versuchen, bis dahin durchzuhalten."

Karrikaturen von Scholz, Merz und Habeck beim Klimademo vor dem Brandenburger Tor

War der Klimawandel bei der Bundestagswahl 2021 in den Umfragen das Thema Nummer eins, spielt es diesmal keine große Rolle.

18.02.2025 | 7:09 min

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