Wahlen in den Niederlanden:Wird Rechtspopulist Wilders neuer Premier?
von Britta Behrendt und Lara Wiedeking
Beim letzten Mal durfte er nicht, dieses Mal will Geert Wilders auf jeden Fall Ministerpräsident werden. In den Umfragen führt er. Das Problem: Keiner will mit ihm regieren.
Der Traum von Geert Wilders, Regierungschef zu werden, ging bislang nicht in Erfüllung.
Quelle: AFPVolendam im Norden der Niederlande: Nichts geht mehr in der Innenstadt. Geert Wilders ist im "Fliegenden Holländer", einem Fischimbiss am Hafen auf Wahlkampfbesuch. Umringt von Polizei, Presse und glühenden Anhängern: "Lassen wir wirklich jeden rein? Und machen die Niederlande noch mehr als schon jetzt zu einem großen Asylzentrum?", so Wilders vor der jubelnden Menge. Sein Kernthema, auch dieses Mal: Migration.
Wahlen in den Niederlanden: Was bisher geschah
Bei der letzten Wahl vor gut zwei Jahren hatte Wilders mit seiner PVV, der "Partei für die Freiheit", überraschend und mit großem Abstand die meisten Sitze im Parlament geholt. Ein Sieg, mit dem Wilders wohl selbst kaum gerechnet hatte.
Neuer Wind in der niederländischen Politik: Henri Bontenbal von den Christdemokraten und der Sozialdemokrat Frans Timmermans treten bei der Parlamentswahl gegen Geert Wilders an.
24.10.2025 | 2:04 minNach Monaten der zähen Verhandlungen schafft Wilders es, drei weitere Parteien für ein Regierungsbündnis mit seiner PVV zu gewinnen. Die Bedingung: ein 'extraparlamentarisches Kabinett'. Der parteilose Dick Schoof wird Ministerpräsident, Wilders und die anderen Parteiführer gehen in die Fraktionen.
Aus dem Parlament treibt Wilders die Regierung vor sich her, agiert auch gegen die eigenen Minister. Kaum ein Jahr hält diese Koalition, dann lässt Wilders sie diesen Sommer platzen. Die Migrationspolitik der Regierung, der seine Partei selbst angehörte, war ihm nicht hart genug.
Wohnungsnot und Asylrecht sind die dominanten Themen im Wahlkampf der Niederlande. Rechtsaußen Geert Wilders weiß das für sich zu nutzen. Doch niemand will mit ihm koalieren.
22.10.2025 | 6:29 minKeine Koalitionspartner für Wilders?
Wer in Den Haag in diesen Tagen spazieren geht, sieht auf den typischen niederländischen Sammelplakaten ein Problem der politischen Landschaft. Ganze 27 Parteien treten an, verschiedenster Couleur, und alle buhlen um die Stimmen der Wahlberechtigten. Eine Fünf-Prozent-Hürde, wie in Deutschland, gibt es in den Niederlanden nicht.
Im Regierungsviertel rund um den mittelalterlichen "Binnenhof", der gerade renoviert wird, reihen sich die Spitzenkandidatinnen und -kandidaten mit ihrem Konterfei aneinander. Die fragmentierte Parteienlandschaft, die sich ab Mittwoch neu sortiert, wenn die vorgezogenen Neuwahlen stattfinden. Die größte Herausforderung dürfte dann sein, eine Mehrheit für eine Koalition zu finden.
Migration, Wohnungsnot und ein gespaltenes Land kurz vor der Abstimmung. Rechtspopulist Geert Wilders liegt in den Umfragen vorn, doch die politische Zukunft ist offen.
25.10.2025 | 1:30 minUnd obwohl Wilders bei den Wählerinnen und Wählern nach wie vor in den Umfragen führt, ist ihm Frans Timmermans von den Sozialdemokraten und den Grünen dicht auf den Fersen. Er und der Großteil der politischen Mitte hat eine Koalition mit Wilders kategorisch ausgeschlossen. Auch solche, die zuletzt mit dem Rechtspopulisten in der Regierung waren, wie die konservativ-liberale VVD.
Die Top-Parteien der Niederlande:
Er ist die Partei: Geert Wilders, Gründer und einziges Mitglied der PVV. 2006 nimmt seine "Partei für die Freiheit" zum ersten Mal an Parlamentswahlen teil. Bei den Wahlen im November 2023 gewinnt Wilders PVV in knapp zwei Drittel aller Wahlkreise die Mehrheit, darunter auch Städte wie Den Haag und Rotterdam. Sein großes Thema: Migration. Er will unter anderem die Grenzen für Asylsucher schließen und dafür auch das Militär einsetzen, Familienzusammenführung stoppen und Menschen bei schweren Straftaten ausbürgern können.
Der Spitzenkandidat dieses rot-grünen Bündnisses ist wohl einer der bekanntesten außerhalb der Niederlande: Frans Timmermans. Timmermans war EU-Kommissar und gilt als Architekt des europäischen "Green Deals", mit dem die EU bis 2050 als erster Kontinent klimaneutral werden will.
Im Wahlkampf legte der Sozialdemokrat den Fokus sehr stark auf die Wohnungsnot in den Niederlanden: Es fehlen rund 400.000 im ganzen Land. Vor allem in den sozialen Wohnungsbau will Timmermans mehr investieren, Bildung und Sozialstaat stärken. Schon 2023 war Timmermans angetreten, rückblickend sagte er nüchtern in einer Radiodebatte: Er habe gedacht, sein Lebenslauf, seine Karriere auf der EU-Ebene hätten ihm einen Vorteil verschafft. Doch dem war nicht so. Jetzt steht Timmermans auf Platz zwei der Umfragen.
Er gilt als der "Anti-Wilders": Henri Bontenbal, der zur christlich-konservativen CDA gehört, der Schwesterpartei der deutschen CDU/CSU. Das Motto seines Wahlkampfes lässt sich wohl am besten mit "anständig" beschreiben. Gegen den lauten Wilders will er als lösungsorientiert, bedacht und unaufgeregt wahrgenommen werden. Nachdem seine Partei bei der letzten Wahl fast ins Bodenlose abgesackt war, wurde der 42-Jährige zwischenzeitlich schon als neuer Ministerpräsident gehandelt.
Es ist die Parte des ehemaligen Premiers Mark Rutte: die "Volkspartei für Freiheit und Demokratie". Die Zustimmung der aktuellen VVD-Vorsitzenden Dilan Yeşilgöz hatte 2023 dafür gesorgt, dass eine Regierungskoalition mit der Wilders-Partei zustande kommen konnte. Doch ihre Partei scheint dafür die Quittung zahlen zu müssen, denn die VVD ist in den Umfragen abgestürzt. Für diese Wahl hat Yeşilgöz eine Zusammenarbeit mit Wilders ausgeschlossen.
Die rechtspopulistische Partei besteht aus Abtrünnigen, aus der ebenfalls rechtspopulisten Partei Forum voor Democratie (FvD) und der PVV. Rechtextreme Whatsapp-Berichte bei FvD führten zu einem Eklat und der Gründung von JA21. Für Spitzenkandidat Joost Eerdmans ist es bereits die siebte Partei. JA21 hat mit ihrem Kurs, die Standpunkte von Geert Wilders zu Migration zu imitieren, bisher Erfolg.
Die sozial-liberale Partei legt in den letzten Tagen einen Endspurt hin. Parteiführer Rob Jetten setzt auf Themen wie Bildungspolitik und Europapolitik und konnte sich in den zahlreichen Debatten schlagfertig und progressiv präsentieren. Nicht zuletzt durch gute Social-Media-Kampagnen steht der 38-Jährige bisher bei 12 bis 15 Prozent.
Wilders führt in den Umfragen
Viel Zeit für Profilierung und Aufstellung ist den Parteien zwischen dem Fall der letzten Regierung am 3. Juni und dem Wahltermin im Oktober nicht geblieben. Im Wahlkampf musste sich Wilders vorwerfen lassen, dass sein rechtes Kabinett keine Ergebnisse vorzuweisen hat und er außerdem die Regierung zu Fall brachte. Die 'allerstrengste Asylpolitik aller Zeiten' wurde zwar ausgiebig beschworen, Asylministerin Faber, die zur PVV gehört, konnte jedoch kein einziges Gesetz verabschieden.
Trotzdem hat dies Geert Wilders wenig geschadet, nach wie vor führt er in den Umfragen und liegt derzeit zwischen 17 und 19 Prozent - etwas weniger als bei den Wahlen 2023, als die PVV bei 23,5 Prozent landete.
Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders ließ die Regierung in Den Haag platzen. Anlass ist der Konflikt um die Migrationspolitik. Nun gibt es eine Neuwahl.
04.06.2025 | 2:11 minDas Rennen um Platz zwei
Und so kämpfen die anderen Parteien um den zweiten Platz, der höchstwahrscheinlich den Ministerpräsidentenposten mit sich bringt - weil eben kaum jemand mit Wilders koalieren will. Lange wurden die Christdemokraten CDA, die Schwesterpartei der deutschen CDU/CSU, mit dem Spitzenkandidaten Henri Bontenbal als Favoriten gehandelt.
"Als Friedrich Merz gewonnen hat, sagte er: 'Deutschland ist zurück in Europa'", so Bontenbal zu ZDFheute, "und ich denke, es ist wichtig, dass auch die Niederlande wieder eine größere Rolle auf europäischer Ebene spielen."
Es gibt mehrere große Probleme, die auf europäischer Ebene gelöst werden müssen. Ich denke dabei an Migration, den Klimawandel in den Niederlanden und Investitionen in die Wirtschaft der Zukunft.
Henri Bontenbal, Spitzenkandidat CDA
Der Rotterdamer holte mit seiner Partei, die bei den letzten Wahlen nur drei Prozent der Stimmen bekam, in Umfragen zeitweise 15 Prozent, heute liegt er bei 13 Prozent. Bontenbal verspricht seinen Wählern vor allem Stabilität und Anstand, womit er nach der letzten turbulenten Regierungsperiode gut ankommt.
In Tilburg kämpfen Bürger gegen Armut. Im "Resto van Harte" kochen Freiwillige täglich warmes Essen - für Menschen ohne soziales Netz. Ein Ort für Gespräche, Gemeinschaft und Hoffnung.
22.10.2025 | 2:04 minMehr Europa möchte auch das Bündnis von Frans Timmermans aus Sozialdemokraten PvdA und den niederländischen Grünen, GroenLinks. Es liegt stabil mit 14 bis 16 Prozent auf dem zweiten Platz. "Ich möchte gemeinsam mit Deutschland dafür sorgen, dass wir unsere Verteidigungsfähigkeit stärken", so Timmermans im ZDFheute-Interview.
Außerdem müssen wir unsere europäische Industriepolitik auf ein Niveau bringen, auf dem wir mit China und den USA konkurrieren können. Derzeit ist das nicht der Fall.
Frans Timmermans, Spitzenkandidat PvdA-GroenLinks
Eine Überraschung der letzten Tage sind die Demokraten66, D66, die unter der Leitung von Rob Jetten mit den Christdemokraten in etwa gleichauf liegen. Die liberal-konservative VVD unter der Leitung von Dilan Yeşilgöz ist abgeschlagen, auf 10 bis 12 Prozent. Selten waren Parlamentswahlen in den Niederlanden so spannend: drei mögliche Ministerpräsidenten und viele Koalitionsmöglichkeiten.
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