Nach der Niederlande-Wahl:Wahlkrimi mit klarem Sieger - aber wie geht es weiter?
von Andreas Stamm
Stärkste Kraft wird wohl die linksliberale D66 und nicht die Rechtspopulisten - in den Niederlanden steht ein politischer Kurswechsel an. Wie geht es weiter? Ein Überblick.
Die Parlamentswahl in den Niederlanden endet knapp. Sowohl die rechtspopulistische PVV als auch die linksliberale DGG erreichen derzeit jeweils 26 Sitze.
30.10.2025 | 1:44 min"Het kann wel!", skandieren sie, "da geht doch was!", minutenlang, der Parteiführer kann sein Glück kaum fassen. Das Motto des Wahlsiegers der Niederlande, angelehnt an das historische "Yes, we can!" von Barack Obama, verrät in drei Worten die politische Person Rob Jetten. Es könnte sogar für die meisten Stimmen reichen, doch so oder so steht der 38-jährige von der sozial-liberalen D66-Partei mit mehr als einem Bein im Amtszimmer des niederländischen Ministerpräsidenten.
Erst am kommenden Montag wird das Endergebnis feststehen. Doch die Richtung, in der es für die niederländische Politik geht, hat sich geändert. Das steht schon jetzt fest.
Der Linksliberale Rob Jetten liegt laut Hochrechnung vor Wilders’ Partei und stärkt die politische Mitte. Andreas Stamm berichtet aus Den Haag.
30.10.2025 | 4:41 minWas passiert in den kommenden Tagen?
Sobald offiziell feststeht, welche die stärkste Partei ist - und sind es nur wenige Hundert Stimmen - wird diese Partei erstmal den Auftrag für sich reklamieren, eine Regierungsbildung zu versuchen. Auch der Wahlverlierer Geert Wilders von der rechtspopulistischen PVV hat klar gemacht, dass er trotz großer Verluste in diesem Falle nach der Macht greifen würde.
Die Regel laute, erklärte er nach der langen Wahlnacht, dass die größte Partei beginne. Wie hoch die Chancen sind, dass jemand Erfolg hat, spiele dabei keine Rolle. "Dieses Recht haben wir, wenn wir die Größten werden sollten." Doch alle anderen größeren Parteien hatten schon vor der Wahl einer erneuten Regierungsbeteiligung von Wilders eine Absage erteilt. Die Wahlschlappe von Wilders dürfte diese Ablehnung zementieren.
Zum zweiten Mal innerhalb von knapp zwei Jahren wählten die Niederländer ein neues Parlament. ZDF-Korrespondent Andreas Stamm mit einer Einschätzung aus Den Haag.
29.10.2025 | 1:15 minWie könnte die Regierungsbildung aussehen?
Egal ob als erster oder zweiter, den ersten ernstzunehmenden Versuch einer Regierungsbildung dürfte Rob Jetten und seine D66 starten. Er braucht mindestens drei Partner, um mehr als die Hälfte der 150 Parlamentsabgeordneten hinter sich zu vereinen.
Die wiedererstarkten Christdemokraten der CDA dürften mit dabei sein, auch die rechtskonservative VVD. Die politischen Schnittmengen seien groß, so Beobachter. Doch ob der vierte Partner noch weiter rechts stehen wird, oder das Links-Grüne Bündnis mitmachen soll und kann, das wird die große Frage.
Mit seinem Rücktritt hat der ehemalige EU-Vizekommissionspräsident Frans Timermans bei den Linken vielleicht den Weg frei gemacht, dass sein Parteienbündnis trotz Verlusten in die Regierung kommen kann. Das dürfte eine zentrale Frage sein, die Verhandlung dürften eher Wochen als Monate dauern. Zeit lassen ja, erklären viele Niederländer am Tag nach der Wahl, aber bitte nach dem Chaos und Stillstand der vergangenen Jahre eine stabile Regierung.
Neuwahlen waren nötig, weil Rechtspopulist Geert Wilders Anfang Juni das rechte 4-Parteien-Bündnis platzen ließ.
29.10.2025 | 1:57 minWer ist Rob Jetten und für was für eine Politik steht er?
Mit 38 Jahren war er schon einmal Minister für Klima und Energie, dann in der Opposition Fraktionsvorsitzender der D66. Er steht für einen proeuropäischen Kurs, für den Kampf gegen den Klimawandel und eine liberale Gesellschafts- und Wirtschaftspolitik.
In der Migrationspolitik plädiert er für notwendige Einwanderung von Fachkräften und bekräftigt das Asylrecht etwa für Kriegsflüchtlinge. Und er hat im Wahlkampf den oft pessimistischen, teils hasserfüllten politischen Diskussionen einen positiv-optimistischen Politikstil entgegengesetzt. Damit einen Ton getroffen, der viele Wähler und Wählerinnen überzeugt hat.
Die Niederlande führen einige Statistiken an. Es gibt mehr Fahrräder als Menschen im Land und die Niederlande sind sowohl im Camping als auch in der Käseproduktion ganz klischeegemäß weit vorn.
29.10.2025 | 1:18 minGeert Wilders hat verloren - ist damit die extreme Rechte geschwächt?
Die PVV hat sehr deutlich eingebüßt. Mehrere Gründe werden immer wieder genannt: Der positivere Stil nicht nur des Wahlsiegers Jetten, sondern auch anderer führender Köpfe habe gewirkt. Zudem war es ein Wahlkampf, in dem das Thema Migration wichtig war, aber eben diesmal eins unter vielen Thema wie die Wohnungsnot, die steigenden Lebenshaltungskosten oder die Zukunft des Gesundheitssystem. Dort tut sich die Ein-Mann und Ein-Themen-Partei des Geert Wilders schwer.
Dazu war die PVV die stärkste Kraft in der Regierung, hat es aber bei ihrem Thema Migration nicht geschafft, Akzente zu setzen, etwas zu bewegen. Das dürfte ein Grund sein, warum sich Wähler von der PVV abgewendet haben, hin zu anderen rechtspopulistischen und -extremen Parteien - die zusammengenommen mit rund 40 Sitzen im neuen Parlament fast genauso stark vertreten sein werden.
"Wilders größter Erfolg ist", erklärt deshalb Joris Luyendijk, niederländischer Autor und Kenner der politischen Szene, "dass wir uns so sehr an Rechtsextremisten in der Regierung gewöhnt haben, dass sie uns nicht mehr schockieren". Die extreme Rechte geht zwar in die Opposition, aber bleibt ein zentraler Faktor in der niederländischen Politik.
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