Ukraine: Hilfe durch Milliarden aus russischem Vermögen?

Interview

Eingefrorene Vermögen:Ukraine-Hilfe: Ran an russische Milliarden?

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Bisher nutzt die EU Zinsen aus eingefrorenen russischen Vermögen für die Ukraine-Hilfe. Genug? Ein Aktivist findet: Nein, das gesamte Vermögen sollte genutzt werden - ein Gespräch.

Ukrainischer Soldat
Bisher nutzt die EU Zinsen aus eingefrorenen russischen Vermögen für die Ukraine-Hilfe. Europa diskutiert, ob das reicht.
Quelle: picture alliance / Anadolu

Europa diskutiert: Sollten Staaten oder Staatenverbunde eingefrorene russische Vermögen nutzen, um jetzt der Ukraine finanziell zu helfen? Ja, fordert der britische Menschenrechtsaktivist Bill Browder. Er meint: Das wäre ein Wendepunkt im Krieg in der Ukraine.

Bill Browder ist einer der bekanntesten britischen Menschenrechtsaktivisten und erklärter Gegner des Regimes von Wladimir Putin. In den USA war er maßgeblich am Magnitsky Act beteiligt: Das Gesetz ermöglicht den USA unter anderem, von Menschenrechtsverletzern die Vermögen einzufrieren.

Browder verlangt konkret, die seit dem russischen Angriff auf die Ukraine eingefrorenen russischen Vermögen in der EU für die Finanzierung der Ukraine-Hilfen zu verwenden. Es geht um rund 235 Milliarden Euro.
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ZDFheute: Die EU und die Briten nutzen bereits die Zinsen aus eingefrorenen russischen Vermögen, um damit Kredite für die Ukraine gegenzufinanzieren oder direkte Hilfen daraus zu zahlen. Ihnen reicht das nicht. Sie fordern, die gesamten eingefrorenen Vermögen für die Ukraine-Hilfe zu nutzen. Wieso?
Bill Browder: Das wäre ein absoluter Wendepunkt. Es würde der Ukraine aus finanzieller Sicht ermöglichen, drei oder vier Jahre lang zu überleben. Nun gibt es ein weiteres Problem, weil die Amerikaner ihre Hilfe vorerst einstellen: Sie besitzen bestimmte Waffen, die nur sie haben. Die Ukrainer müssten dann mit diesen 235 Milliarden Euro [Anm. d. Red.: aus den eingefrorenen Vermögen] Ersatz für diese Waffen finden.

Das Geld ist der Schlüssel zu allem.

Bill Browder, Menschenrechtsaktivist

Am Ende des Tages ist dies ein Ressourcenkrieg. Wenn sie dieses Geld haben, wird die Ukraine überleben. Wenn sie dieses Geld nicht haben, wird die Ukraine fallen.
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ZDFheute: Eine Reihe von Staaten hegen rechtliche Bedenken, mit eingefrorenen russischen Vermögen die Ukraine zu finanzieren. Wie bewerten Sie das?
Browder: Wenn Sie die Zinsen pfänden, können Sie auch die Einlagen pfänden - die rechtlichen Fragen sind dieselben.
ZDFheute: Welche Länder sind aus den Gesprächen, die Sie gerade führen, eher zurückhaltend und welche sind Ihrer Meinung nach jetzt ziemlich offen für die Idee?
Browder: Das Vereinigte Königreich ist offen dafür, die Niederlande, Polen, Lettland, Estland Litauen, Schweden auch. Ich meine, es gibt hauptsächlich zwei Gruppen, die dagegen sind. Da sind die Ungarn und die Slowaken, die im Grunde auf Putins Seite stehen.
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Und dann sind da die Franzosen und die Deutschen, die alle möglichen Argumente dagegen vorgebracht haben.

Bill Browder, Menschenrechtsaktivist

Und ich würde den Franzosen und Deutschen ganz einfach sagen: Wer soll für die Ukraine zahlen, wer sollte das Geld aufbringen, das die Amerikaner nun abziehen? Sollten es die deutschen Steuerzahler sein oder Wladimir Putin? Denn das sind die beiden Optionen.
ZDFheute: Welches Signal würde es an den Kreml senden, die eingefrorenen Vermögen zu nutzen?
Browder: Die Botschaft an Wladimir Putin und Donald Trump wäre, dass die Ukraine nicht kapitulieren muss; dass die Ukraine die finanziellen Mittel hat, um zu kämpfen und sich zu verteidigen, bis sie für sich den Moment sehen, einen gerechten und dauerhaften Frieden auszuhandeln.

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Analyse
Was auch wichtig ist: Wenn wir das Geld bis zum Juli liegen lassen - im Juli gibt es eine weitere Abstimmung im Europäischen Rat über die Verlängerung der Sanktionen und es ist sehr wahrscheinlich, dass Ungarn gegen eine Verlängerung der Sanktionen stimmen wird. Dann könnte das Geld an Russland zurückgehen. Also: Entweder bekommt die Ukraine das Geld, um sich zu verteidigen, oder Russland bekommt das Geld, um mehr Ukrainer zu töten. Ich denke, wir alle wissen, wo wir das Geld lieber hätten.
ZDFheute: Rechnet Putin damit, dass die Russen das Geld zurückzubekommen?
Browder: Ich glaube, Putin strahlt derzeit in jeder Hinsicht über das ganze Gesicht - auch bei dem Gedanken, dass er das Geld zurückbekommt.
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ZDFheute: Sie machen diese Kampagnenarbeit jetzt seit vielen Jahren. Wie haben sich die letzten zwei Wochen für Sie angefühlt?
Browder: Sehr demoralisierend. Ich habe das Gefühl, dass mein Lebenswerk in Sekundenbruchteilen zerstört wird. Und ich bin sehr besorgt über das Gerücht, dass die Vereinigten Staaten die Sanktionen gegen Russland einseitig aufheben könnten.

Ich habe mein Leben damit verbracht, Sanktionen gegen Putin für die Verbrechen zu verhängen, die er begangen hat.

Bill Browder, Menschenrechtsaktivist

Und die Aufhebung dieser Sanktionen wäre der größte Schlag ins Gesicht für alle, die Ungerechtigkeit erfahren haben und ermordet worden sind von Wladimir Putins Russland.
Am Interview waren ZDF-Korrespondent Wolf-Christian Ulrich sowie Sarah Prietzsch beteiligt.

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Quelle: dpa

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