Gaza-Konflikt spaltet EU: Streit im Parlament über Kurs zu Israel

Europa fällt aus:Streit in der EU zu Gaza

von Ulf Röller, Brüssel
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Die EU schafft es seit Monaten nicht, mit einer Stimme im Gaza-Konflikt zu sprechen. Die Außenbeauftragte warnt: So drohe die Bedeutungslosigkeit. Nun debattiert das EU-Parlament.

European High Representative for Foreign and Security Policy Kaja Kallas speaks during a debate

Seit Monaten findet die EU keine einheitliche Position zum Gaza-Konflikt. EU-Außenbeauftragte Kallas fordert, Israel müsse vom Plan zur Einnahme von Gaza-Stadt abgebracht werden.

09.09.2025 | 0:21 min

Die Debatte beginnt bereits am Wochenende mit der sogenannten "Flotilla for Gaza". 70 Schiffe mit Hilfslieferungen machen sich auf den Weg und wollen bis September den Gazastreifen erreichen. An Bord: die italienische EU-Abgeordnete der Grünen Benedetta Scuderi. "Ich musste an Bord gehen, weil es meine Pflicht als Mensch ist," hat sie vor der Abfahrt erklärt. Willkommen sind sie und ihre politischen Freunde nicht bei allen. Ein israelischer Minister nennt die Aktivisten Terroristen.

Palästinenser evakuieren, nachdem die israelische Armee eine Evakuierungswarnung für mehrere Schulen und ein Krankenhaus im Stadtteil Rimal in Gaza-Stadt ausgesprochen hat.

Im EU-Parlament wächst der Streit über Gaza: Während einige Mitglieder Sanktionen gegen Israel fordern, warnen andere vor Spaltung. Europa ringt um eine gemeinsame Haltung im Nahost-Konflikt.

Quelle: dpa

Tiefe Risse in Europa

EU-Abgeordnete als Terroristen? Europa wird im Nahost-Konflikt zur politischen Zielscheibe. Seit Monaten sucht die EU nach einer stimmigen Politik zum Gaza-Konflikt. Der Unmut mit Israel wächst - in allen europäischen Hauptstädten. Aber was machen? Das letzte Treffen der Außenminister in Kopenhagen hat wieder tiefe Risse in Europa gezeigt. Die einen wollen Israel bestrafen, die anderen halten das für nicht hilfreich.

Displaced Palestinians fleeing northern Gaza carry their belongings along the coastal road toward southern Gaza, Saturday, Sept. 6, 2025.

Israels Armee intensiviert ihre Offensive in Gaza und hat auch Hochhäuser bombardiert. Die Bevölkerung von Gaza-Stadt wurde per Flugblatt aufgerufen, das Gebiet zu evakuieren.

06.09.2025 | 2:18 min

Staaten wie Irland, Spanien, Schweden und die Niederlande drängen auf starke wirtschaftliche Strafmaßnahmen gegen Israel, etwa die Aussetzung des Freihandelsabkommens. Länder wie Deutschland, Ungarn und Tschechien lehnten solche Schritte ab - sie sehen Sanktionen als kontraproduktiv an.

EU-Parlament debattiert über Gaza

Nun wird das EU-Parlament in dieser Woche über Gaza debattieren. Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas hält zu Beginn eine Rede. Und man braucht nicht viel Fantasie, um zu wissen, dass sie sich Sorgen macht.

Wenn wir zu diesem Thema keine einheitliche Stimme haben, haben wir auch auf der globalen Bühne keine Stimme.

Kaja Kallas, EU-Außenbeauftragte

Die Verzwergung Europas lässt sich gut an der Nahost-Politik ablesen. Die EU ist handlungsunfähig. Auch die Debatte im Parlament wird dies wohl spiegeln. Die Abgeordneten wollen eine Resolution verabschieden. Nur was steht drin? Darüber gibt es - na klar - Streit. Taucht das Wort "Völkermord" auf, werden Sanktionen gegen Israel gefordert?

Menschen in Gaza warten am Boden auf herabfallende Fallschirme mit Lebensmittelpaketen.

Die humanitäre Situation in Gaza wird immer schlimmer und der Druck auf Israel wächst.

29.07.2025 | 35:56 min

Fragt man die Positionen vor der Debatte ab, ergibt sich folgendes Bild: Die Grüne Hanna Neumann fordert, "das EU-Israel-Abkommen teilweise auszusetzen. Dass die deutsche Regierung weiter blockiert, versteht kaum jemand hier." Der Konter kommt prompt von der konservativen Fraktion EVP. Die deutliche Mehrheit dieser Fraktion wird nicht für ein Aussetzen des Abkommens stimmen. Die Sozialdemokraten stellen sich wohl gegen die EVP. "Die Sozialdemokraten fordern, das Abkommen zumindest teilweise auszusetzen", so der Sozialdemokrat René Repasi. Die Liberalen von Renew unterstützen diese Position.

EU-Parlament sendet wohl keine klare Botschaft

Die Debatte im EU-Parlament wird wohl hitzig, aber am Ende bleibt vor allem die Erkenntnis: Das Parlament sendet keine klare Botschaft in die Hauptstädte Europas.

Alte Karte mit Teilungsvorschlag und Foto zur Abstimmung der UNO

Der Nahost-Konflikt begleitet die Vereinten Nationen seit ihrer Gründung. In der Geschichte gab es bereits Bemühungen, den Konflikt durch eine Zweistaatenlösung beizulegen.

03.09.2025 | 1:19 min

Die Außenbeauftragte Kallas betrübt das. Ihr gelingt es nicht, alle auf eine Linie einzuschwören. Die humanitäre Lage in Gaza wird immer unerträglicher und Europa ist sprachlos. Das halten viele nicht aus. Manche haben in Brüssel aufgehorcht, als die EU-Kommissarin Teresa Ribera in einer Rede Israel Völkermord im Gazastreifen vorgeworfen hat. Wörtlich sagte sie: "Der Völkermord in Gaza entlarvt das Versagen Europas."

Die Europäische Kommission beeilte sich klarzumachen, dass die Meinung der Vizepräsidentin Ribera nicht die Meinung der gesamten Kommission wiedergibt.

Ein israelisches gepanzertes Fahrzeug bewegt sich in einem Gebiet im Gazastreifen, vom Süden Israels aus gesehen.

Die israelische Armee hat bestätigt, dass die Leichen zweier Geiseln nach Israel gebracht wurden. Zugleich wurde Gaza-Stadt zum Kampfgebiet erklärt und die Feuerpause beendet.

30.08.2025 | 0:23 min

Europa bedrohen die vielen Autokraten. Putin, Xi und Trump trampeln auf der regelbasierten Weltordnung herum. Europa will ein moralisches Gegengewicht sein. Es wäre so wichtig, dass die EU kraftvoll mit einer Stimme spricht. Aber stattdessen Streit, der Europa schwach aussehen lässt.

Ulf Röller ist Leiter des ZDF-Studios Brüssel.