Zweiter Weltkrieg in Frankreich: Gedenkstätte im Foltergefängnis
Kriegsgedenken in Frankreich:Foltergefängnis als Zeugnis der Grausamkeit
von Lukas Nickel
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Die Regionen Elsass und Moselle litten während des Zweiten Weltkriegs unter der direkten Annexion der Nazis. Das Fort Metz-Queuleu ist ein Mahnmal gegen das Vergessen.
Die Gestapo nannte es ein Sonderlager, doch im Fort von Queuleu bei Metz wurde gefoltert. Tausende Gefangene wurden hier gequält, bevor sie weitergeschickt wurden - oft in den Tod.08.05.2025 | 2:05 min
Die SS und die Gestapo nannten es ein Sonderlager, doch eigentlich war es ein Foltergefängnis. 1.500 bis 1.800 Gefangene wurden in der Festung Queuleu bei Metz, auf Deutsch Fort Goeben, von Oktober 1943 bis August 1944 gefoltert, um Informationen aus ihnen herauszupressen. Häufig waren das französische Widerständler. Heute kümmert sich ein Verein um diesen Ort, um die Erinnerung an die Opfer am Leben zu halten.
Viele der Vereinsmitglieder sind selbst Hinterbliebene der Opfer. So auch Thierry Nicolas, Präsident des Vereins Fort von Metz-Queuleu für das Gedenken an die Internierten und Deportierten und die Erhaltung der Anlage. Regelmäßig führt er Besuchergruppen durch die langen, kalten Gänge. Hier mussten die Häftlinge in überfüllten Zellen ausharren. Sie durften weder sprechen noch sich bewegen.
Die Öffentlichkeit hat das Recht, zu erfahren, was in ihrer Region passiert ist.
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Thierry Nicolas, Präsident des Gedenkvereins
Die Festung Queuleu bei Metz war im Zweiten Weltkrieg ein Foltergefängnis der SS und Gestapo während der deutschen Besetzung Frankreichs.
Quelle: ZDF
Elsass und Moselle sollten Deutsch werden
Die Härte, mit der die Nazis gegen die Bevölkerung der Region vorgegangen sind, erklärt sich auch mit ihrer spezifischen Geschichte: Das Département Moselle um die Stadt Metz herum und das angrenzende Elsass wurden im Gegensatz zum Rest von Frankreich de facto annektiert.
Die Metropole Straßburg sollte zu einem Aushängeschild des Reichs, die Überbleibsel der französischen Kultur ausradiert werden. "Hinaus mit dem welschen Plunder", hieß es etwa auf Propaganda-Plakaten. Darauf zu sehen unter anderem ein Hahn, das Nationaltier Frankreichs, und eine Mariannen-Statue, die von einem Besen weggekehrt werden. Elsass und Moselle, so die damalige Doktrin, wollten die Nazis von allen nicht-deutschen Einflüssen reinigen.
Weil ihr Zug im Zweiten Weltkrieg bombardiert wurde, konnte eine Französin ausgeliehene Bücher nicht zurückgeben. Nun - 81 Jahre später - brachte ihre Enkelin sie zurück.
"Absolute Kontrolle über die Bevölkerung"
Die Nazifizierung von Elsass und Moselle bedeutete "die absolute Kontrolle über die Bevölkerung", erklärt Delphine Pellenard vom Mémorial Alsace-Moselle. Die Gedenkstätte bei Straßburg informiert über die Geschichte der Region im Zweiten Weltkrieg. Französisch zu sprechen wurde verboten, aus Bibliotheken wurden Werke in französischer Sprache verbannt, Vor- und Nachnamen der Menschen wurden geändert, wenn sie zu Französisch klangen.
Mehr als 150.000 Personen wurden laut Informationen des Mémorial ausgewiesen, etwa in die nicht besetzten Gebiete in Südfrankreich. Die Gründe waren vielfältig: Unter den Menschen befanden sich politische Gegner, Juden, aber auch Personen, die als zu frankreichfreundlich galten.
In der Region Elsass und Moselle sollte jeder französische Einfluss von den Nazis ausradiert werden. Im Foltergefängnis Queuleu versuchte die SS den Widerstand zu ersticken.
Quelle: ZDF
Junge Männer mussten Wehrdienst leisten. Wer sich weigerte und versteckte, musste damit rechnen, dass seine Familie in Sippenhaft genommen wurde.
Widerstand zu leisten, war extrem schwierig. Es gab Unterstützung aus der Bevölkerung.
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Delphine Pellenard, Mémorial Alsace-Moselle
"Aber wenn man einen Widerstandskämpfer unterstützte, wusste man sehr gut, dass die Sanktionen extrem hart sein würden, wenn man erwischt wurde", so Pellenard.
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Gedenkstätte ermöglicht Erinnerung
Marie-Christine Antoine ist heute mit ihrem Enkel in der Gedenkstätte. Sie selbst ist nach dem Krieg geboren und kommt aus der Region. Die Gedenkstätte nutzt sie dazu, über die Geschichte ihrer Familie zu sprechen.
Wir sind die letzten, die die Erinnerung übergeben können. Das müssen wir versuchen, solange wir noch da sind.
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Marie-Christine Antoine
Damit ist sie nicht allein: Pellenard zufolge nehme das Interesse an diesen Themen derzeit zu. Große Medienereignisse wie die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestags des D-Days vergangenes Jahr spielen dabei sicher eine Rolle. Doch eben auch, dass die, die unter der Annexion gelebt haben, immer weniger würden. "Die Zeit der letzten Zeitzeugen bricht an", so Pellenard.
In der Festung von Queuleu wurden grausame Verbrechen durch die Nazis begangen. Heute soll in der Gedenkstätte Erinnerungskultur dafür sorgen, dass die Verbrechen nicht vergessen werden.
Quelle: ZDF
Gedenkverein will junge Menschen erreichen
Auch der Gedenkverein in Metz stellt das fest. Das Areal rund um das ehemalige Nazigefängnis bei Metz herum ist heute ein großer Park. Immer wieder kommen Menschen zur Gedenkstätte und interessieren sich für die Geschichte des Orts, berichtet Thierry Nicolas vom Gedenkverein. Sogar einige Youtuber haben schon einen Film über das Gefängnis gemacht.
Das helfe dabei, den Ort bekannter zu machen unter jungen Menschen, so Nicolas. Denn auch die sollten sehen, zu was extreme Regime in der Lage seien.