Trumps Rede vor den UN: Warum Widerspruch ausbleibt

Analyse

Warum der Widerspruch ausbleibt:Das laute Schweigen nach Trumps UN-Auftritt

von Nils Metzger und Kevin Schubert
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Fast eine Stunde lang lobt Donald Trump vor den Vereinten Nationen sich selbst und teilt gegen andere aus. Wo bleibt der Widerspruch auf seine Rede? Eine Einordnung.

Donald Trump

In seiner ersten Rede vor den Vereinten Nationen seit 2019 attackierte Donald Trump die Organisation heftig. Für seine eigene Politik hingegen fand der US-Präsident lobende Worte.

23.09.2025 | 2:39 min

56 Minuten sind es am Ende. 56 Minuten, in denen US-Präsident Donald Trump vor der UN-Vollversammlung sich selbst in den Himmel lobt und gegen alle anderen austeilt - gegen Europa, gegen seinen Amtsvorgänger Joe Biden, gegen die Vereinten Nationen selbst.

Beobachter wie Manuel Fröhlich, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Trier, spricht am Tag danach von einem "selbst für Trump außergewöhnlichen" Auftritt. Rachel Tausendfreund, Expertin für transatlantische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), nennt die Rede "gefährlich und besorgniserregend" für die Weltgemeinschaft.

Trump steht am Podium bei der UN-Vollversammlung.

Trumps Rede in ganzer Länge.

23.09.2025 | 56:23 min

Dennoch folgt auf Trumps Tirade kaum Widerspruch von anderen Weltpolitikern. Tatsächlich erntet der US-Präsident sogar prominente Zustimmung - etwa von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, die Trumps Forderung lobt, keine russischen Energieträger mehr zu importieren.

Wie Trump sich als "Präsident des Friedens" feiert

Von Migration bis Klimapolitik kommentierte Trump seine Sicht auf die Weltlage. Auch prahlte er erneut damit, "in sieben Monaten sieben Kriege beendet" zu haben. Die im Saal anwesenden Vertreter der angesprochenen Staaten widersprachen dem nicht.

Dabei hätte es Anlass gegeben. Bei manchen der angeblich "beendeten" Konflikte hatte Trump kaum direkten Einfluss, in anderen Fällen ist ein Aufflammen neuer Spannungen wahrscheinlich, teils lag gar kein wirklicher Krieg vor.

Diese "Kriege" will Trump beendet haben:

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Warum gab es in der Generaldebatte keinen Widerspruch?

Das liege an der Funktion der Generaldebatte selbst, erklärt Politikwissenschaftler Manuel Fröhlich. "Das ist kein Ort des parlamentarischen Dialogs", sagt er. "Im Sinne der UN-Charta, die von der souveränen Gleichheit der Staaten ausgeht, sollen Staats- und Regierungschefs als tragende Akteure der Weltorganisation hier nacheinander ihre Positionen vortragen können."

Selbst wenn Trump dabei mit Konventionen breche und auch die freiwillige Vorgabe von 15 Minuten pro Redebeitrag weit überziehe: "Es findet bewusst keine Korrektur statt", sagt Fröhlich, "was diplomatisch auch zu einer Gleichheit führt: Niemand stellt sich über einen anderen."

Die UN-Vollversammlung war schon immer eine Gelegenheit für historische Momente und öffentliche Wutausbrüche.

2009 rechnete der damalige libysche Machthaber Muammar al-Gaddafi über 100 Minuten lang mit dem Westen und internationalen Sanktionen gegen sein Land ab. Die wohl längste Rede hielt der kubanische Premier Fidel Castro mit über vier Stunden bei der Generalversammlung 1960.

Zu einem berühmten Vorfall aus dem gleichen Jahr kursieren auch falsche Informationen. Sowjet-Führer Nikita Chruschtschow soll vor Entrüstung mit seinem Schuh auf den Tisch getrommelt haben. Ein bekanntes Foto von der Generalversammlung am 10. Oktober, das den Vorfall zeigen soll, ist jedoch gefälscht und der Schuh nachträglich eingefügt. Einen Bildbeweis für den Vorfall gibt es nicht, tatsächlich soll er sich bei einer anderen UN-Sitzung am 12. Oktober 1960 ereignet haben.

Auch andere Politiker nutzten Requisiten, um Punkte zu verdeutlichen: Israels Premierminister Benjamin Netanjahu hielt bei seiner Rede 2012 ein Plakat mit einer aufgemalten Bombe hoch, womit er auf Gefahren des iranischen Atomprogramms hinwies. Das Bild ging um die Welt.


Etwas hilflos stellte die ehemalige deutsche Außenministerin Annalena Baerbock, die als Präsidentin der Vollversammlung über das Protokoll wachte, nach Trumps Wut über eine Fehlfunktion seines Teleprompters fest: "Wir können Ihnen versichern, dass die UN-Teleprompter sehr gut funktionieren."

Generaldebatte der UN-Vollversammlung

Die Reaktion von Ex-Außenministerin Baerbock im Video.

24.09.2025 | 0:37 min

Warum gab es im Anschluss mehr Zuspruch als Widerspruch?

Trotz der teils schweren Anschuldigungen Trumps gegen eine Vielzahl an Ländern erfuhr der US-Präsident international durchaus Zustimmung - auch aus Deutschland. Außenminister Johann Wadephul (CDU) sagte in den ARD-"Tagesthemen": "Er war ausführlich. Trump nimmt offensichtlich die Vollversammlung doch sehr ernst und hält sie für wichtig."

Natürlich gebe es Differenzen, doch insgesamt habe er ein positives Gefühl nach Trumps Rede. "Er will mit und bei den Vereinten Nationen etwas erreichen und das ist doch gut", sagte Wadephul.

Doch dahinter dürfte auch diplomatisches Kalkül stecken. Etwa bei Wadephuls kalkulierter Nettigkeit oder von der Leyens selektivem Lob für die Russland-kritischen Aussagen.

Marco Overhaus im Interview.

Experte Marco Overhaus ordnet Trumps Vorwürfe gegen die Vereinten Nationen bei ZDFheute live ein.

23.09.2025 | 19:11 min

Wie versuchen Politiker, Trumps Wohlwollen zu gewinnen?

Für Politikwissenschaftler Manuel Fröhlich zeigt sich daran "die stark personalisierte Art der Außenpolitik" im Zusammenhang mit Trump. "Wie schon beim Nato-Gipfel geht es darum, möglichst keine Irritationen auf Seiten des US-Präsidenten hervorzurufen."

Darin sieht der Diplomatie-Experte sowohl Chancen als auch Gefahren. "Es ist durchaus Aufgabe der Diplomatie, gewisse Dinge zu deeskalieren", sagt Fröhlich.

Man muss sich überlegen: Wo lohnt sich die Konfrontation wirklich?

Manuel Fröhlich, Politikwissenschaftler an der Universität Trier

Diese Grundzurückhaltung gelte für Trump in besonderer Weise, sagt Expertin Rachel Tausendfreund. "Trumps Reden werden oft nur halb ernst genommen, weil man weiß, dass er launisch ist - und seine Positionen vielleicht schon am nächsten Tag wieder ändern wird."

Auch am Montag sorgte der US-Präsident mit widersprüchlichen Aussagen zu den Vereinten Nationen für Verwirrung. Nachdem Trump die UN in seiner Rede vor der Vollversammlung heftig kritisierte, betonte er in einem Gespräch mit UN-Generalsekretär António Guterres: "Unser Land steht hundertprozentig hinter den Vereinten Nationen. Ich halte das Potenzial der Vereinten Nationen für unglaublich, wirklich unglaublich. Sie können so viel leisten."

Obwohl er manchmal anderer Meinung sei, stehe er grundsätzlich hinter der Organisation. Es sei immer eine Ehre, im Hauptquartier in New York zu Besuch zu sein.


Sollte Europa alle Behauptungen weglächeln?

Schmeicheleien, Höflichkeit und der Verzicht auf ein Urteil zu strittigen Aussagen dürften allerdings nicht dazu führen, Probleme nicht deutlich anzusprechen, mahnt Fröhlich.

Das käme einer Realitätsverweigerung gleich.

Manuel Fröhlich, Politikwissenschaftler an der Universität Trier

Zudem sieht Fröhlich eine akute Gefahr: "Wenn strittige Dinge nicht mehr klar angesprochen werden, kommt der amerikanische Präsident eventuell an einen Punkt, an dem er Widerspruch - und den Umgang damit - nicht mehr gewohnt ist." Fröhlich verweist auf die Kabinettssitzungen in den USA. "Hier hat sich das Fehlen von Widerspruch bereits eingebürgert und es wäre für die Diplomatie keine gute Entwicklung, wenn sich das auch auf internationaler Ebene durchsetzen würde."

SGS Sauer

Donald Trump zeigt erneut widersprüchliche Signale in der Ukraine-Politik. Wie kam es zu diesem Wandel und was verfolgt Trump damit? Dazu ZDF-Korrespondent David Sauer.

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Zahlen sich die Schmeicheleien bei Trump tatsächlich aus?

"Wir beobachten seit Monaten, wie Trumps Gesprächspartner versuchen, das für sich herauszufinden", sagt Fröhlich - und nicht immer gehe diese Strategie auf. "Ein gutes Beispiel ist Großbritannien, das Trump erst letzte Woche den roten Teppich ausgerollt hat - und nun trotzdem nicht gut weggekommen ist in seiner Rede."

Trump bescheinigte neben anderen europäischen Ländern auch Großbritannien, wegen seiner Einwanderungspolitik in Kriminalität zu versinken. Zudem behauptete er fälschlicherweise, Londons Bürgermeister Sadiq Khan wolle die Scharia einführen.

Dennoch sieht Fröhlich aktuell keine Versuche, einen alternativen Umgang mit Trump zu suchen. "Dafür sitzt das Schockerlebnis mit Selenskyj im Weißen Haus zu tief, weil wir da gesehen haben, wie verheerend, wie zerstörerisch so eine atmosphärische Veränderung sein kann."

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US-Präsident Trump und der ukrainische Präsident Selenskyj haben sich vor laufenden Kameras gestritten - das Treffen wurden abgebrochen. Sehen Sie den Streit im Video.

01.03.2025 | 49:40 min

Ziehen die Europäer Konsequenzen aus Trumps Tiraden?

Die Experten Rachel Tausendfreund und Manuel Fröhlich sehen hier einen Unterschied zwischen "kurzfristigem" und "mittelfristigem Handeln".

"Wir nehmen aktuell eine Rückkehr der Machtpolitik wahr, und sehen da in der transatlantischen Beziehung klar, wer Macht hat und wer nicht", sagt Tausendfreund.

Europa ist momentan in sehr wichtigen Fragen abhängig von der Trump-Regierung. Das wissen die Regierungen - und verhalten sich dementsprechend.

Rachel Tausendfreund, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik

Mittelfristig werde Trumps Auftreten jedoch "zu einer dramatischen Schwächung" der USA in der Welt führen, schätzt Tausendfreund. "Wir sehen, dass die Europäer schon heute europäischer denken - und auch die US-Alliierten in Asien neue Partnerschaften suchen", sagt Tausendfreund.

Auf Bauchpinseleien in Richtung Trump lassen die Europäer nicht mehr zwingend Taten folgen. Jüngstes Beispiel: Eigentlich hat die EU Trump im Zoll-Abkommen zugesichert, deutlich mehr Rüstungsgüter in den USA zu kaufen. Als das US-Portal "Politico" am Dienstag eine Liste der Bundeswehr-Beschaffungsvorhaben bis Ende 2026 veröffentlichte, zeigte sich: Nur wenige der Milliardenverträge werden wohl in die USA gehen, bestellt wird fast nur in Europa.

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Nach dem "guten Treffen" mit Trump zeigt sich Selenskyj zuversichtlich. In seiner Rede vor der UN warnte der ukrainische Präsident aber auch vor weiteren russischen Aggressionen.

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