Weltkulturerbe in China:"Komm, lass uns erstmal Tee trinken"
In den Jingmai-Bergen im Südwesten Chinas sind die größten antiken Tee-Plantagen. Das einzige Tee-Kulturerbe der Welt hat einen natürlichen Schutz gegen Touristen-Massen.
Yang Xiaoli pflückt Tee in den Jingmai-Bergen in China.
Quelle: ZDF/ SteimerNach dem Sonnenaufgang über dem Wolkenmeer, wie sie die tief hängenden Wolken zwischen den Hügeln der Jingmai-Berge nennen, sieht man an den Straßenecken der Dörfer wartende Frauen mit großen Körben. Sie tragen bunte Kleider und traditionelle Gewänder, fast alle gehören zu den ethnischen Minderheiten der Blang oder Dai.
Eine von ihnen ist Yang Xiaoli. Sie pflückt Tee seit sie denken kann. Ob die Über-50-Jährige überhaupt noch selbst gerne Tee trinkt? "Klar. Jeden Morgen nach dem Aufwachen trinke ich meinen Frühstückstee. Mit einer Tasse Tee fühle ich mich gut."
In Chinas Jingmai-Bergen trifft Idylle auf harte Arbeit: Frauen pflücken seit Generationen Tee, während das UNESCO-Weltkulturerbe heute Touristen lockt und Wohlstand bringt.
03.09.2025 | 13:20 minKein Asphalt zum Schutz des Tees
Die Jingmai-Berge bei Pu’er sind berühmt für die uralten Tee-Bäume. 2023 wurde die Gegend mit neun Dörfern zum Weltkulturerbe erklärt. Es ist die erste Welterbestätte, die der Teekultur gewidmet ist. Die alten Teeplantagen und die Art, wie sie bewirtschaftet werden, seien ein herausragendes Beispiel für eine Agrarlandschaft, die eine harmonische Koexistenz von Mensch und Natur verkörpert, so die Begründung.
Wer es in diese Gegend geschafft hat, hat eine lange Anreise hinter sich. Von Flughäfen und Bahnhöfen im Umkreis geht es mehrere Stunden über eine Buckelpiste-Serpentinenstraße. Kopfsteinpflaster soweit das Auge reicht. Es gibt keinen Asphalt, denn die Bewohner befürchten, dass er den Geschmack und Geruch des Tees beeinflussen könnte. Das schützt die Gegend. Denn während viele andere Weltkulturerbe-Stätten mit Touristenmassen kämpfen, verteilen sich die Touristen in den Jingmai-Bergen ganz gut auf die neun Dörfer.
Mehr als eine Million Besucher kamen 2024 nach Neuschwanstein. Durch einen Welterbetitel könnten es noch mehr werden. Das hätte König Ludwig II. nicht gefallen.
12.07.2025 | 3:36 minEin Tag ohne Tee? Unvorstellbar.
Zurück zu Yang Xiaoli, die ihren Korb schon zur Hälfte mit grünen Tee-Blättern gefüllt hat. Pausen kennt sie nicht. Selbst während sie diese Frage beantwortet, zupfen ihre Finger unablässig weiter Tee-Blätter von den Sträuchern. Wie hat sich ihr Leben verändert, seit die Gegend Weltkulturerbe ist?
Das Leben ist viel besser geworden. Je mehr Touristen kommen, desto besser ist das für unser Geschäft.
Yang Xiaoli, Tee-Produzentin
Das sieht auch Xian Jin so. Doch bevor sie das erzählt, fällt der obligatorische Satz: "Komm, lass uns erstmal Tee trinken." Die 24-Jährige ist der Star im Dorf. Früher seien die jungen Leute gegangen und in die Städte gezogen. Doch jetzt kommen viele - so wie sie - wieder zurück und bringen neue Methoden mit: Sie verkauft ihren Tee über soziale Medien. In Livestreams stellt sie die verschiedenen Sorten und die Traditionen des Ortes vor.
Tee ist eines der beliebtesten Getränke Deutschlands - trotz des schlechten Produktionsrufs. Pionier*innen in aller Welt bauen Tee für Menschen an, die mit gutem Gewissen aufbrühen wollen.
30.10.2021 | 30:10 minSie erinnert sich ganz genau: Es war der 17. September 2023, der das Leben ihres ganzen Dorfes auf den Kopf stellte. "Genau 20:33. Da wurde verkündet, dass wir in die Weltkulturerbe-Liste aufgenommen wurden. So viele Leute strömten plötzlich in den Livestream-Raum. Und auch ohne dass ich die Sorten weiter vorstellte, bestellten die Leute einfach unseren Tee", erzählt sie und strahlt.
Im Vergleich zu anderen Weltkulturerbestätten sei die Zahl der Touristen hier immer noch überschaubar und das Gebiet groß genug. Tee-Produzentin Xiaoli berichtet: "Wenn Touristen zu uns kommen, haben sie das Gefühl, dass sie vollständig in unsere Atmosphäre integriert werden."
Es sind also die Touristen, die von uns beeinflusst werden, nicht wir von den Touristen.
Xian Jin, Tee-Produzentin
Xian Jin und ZDF-Korrespondentin Miriam Steimer in den Jingmai-Bergen.
Quelle: ZDF/ SteimerDorfbewohner reagierten anfangs ablehnend auf Fremde
Doch vor allem die Älteren hätten sich erst an die Touristen gewöhnen müssen. Am Anfang wollten viele nicht fotografiert werden. Viele haben in den vergangenen Jahren erst Hochchinesisch gelernt, um mit den Besuchern kommunizieren zu können. Sorgen, dass die Sprachen der ethnischen Minderheiten aussterben, wenn alle nur noch Mandarin sprechen, macht Xian Jin sich nicht. Das Geschäft mit den Touristen ist für sie wichtiger.
Die uralten Bäume produzieren die luxuriösesten Teesorten der Welt. Pestizide und künstliche Düngemittel sind tabu. Sie befolgen die alten Traditionen ihrer Vorfahren, um das Gebiet möglichst natürlich zu erhalten. Als Kind waren diese Bäume Xian Jins Spielplatz. Sie hofft, dass auch ihr Sohn die Teetradition ihrer Heimat einmal weiterführen wird.
Miriam Steimer ist Korrespondentin für Ostasien und leitet das ZDF-Studio in Peking.
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