Landesweite Proteste: Was hinter der Wut in Bulgarien steckt

Landesweite Proteste:Was hinter der Wut in Bulgarien steckt

von Michael Sommer

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Nach Massenprotesten hat Bulgariens Regierung ihren umstrittenen Etatentwurf zurückgezogen. Das reicht der Opposition nicht aus - viele Demonstranten hoffen auf einen Wendepunkt.

Straßenproteste auf den Straßen von Sofia

Zehntausende demonstrieren in Sofia gegen Korruption und die Regierung. Aus einem Protest gegen den Haushalt ist eine landesweite politische Bewegung geworden.

02.12.2025 | 2:38 min

Bulgarien erlebt gerade die größten landesweiten Proteste seit Jahren. In Sofia, Plowdiw, Warna und vielen anderen Städten sind zehntausende Demonstranten auf die Straße gegangen.

Auslöser war der Regierungsentwurf für den Haushalt 2026 - ein Budget, das neue Steuern für Unternehmen vorsieht, höhere Abgaben für Bürger und steigende Ausgaben für Verwaltung und Polizei. Doch schnell wurde klar: Es geht längst nicht mehr nur um Zahlen.

Das Budget war nur der Anlass. Die Wut hat sich jahrelang aufgestaut.

Politologe Milen Lubenov, Universität Sofia

Junge Demonstranten: "Sie behandeln uns wie Tiere"

Im Zentrum der Kritik steht das politische Modell, das viele mit Ex-Premier Bojko Borissow und dem einflussreichen Unternehmer und Abgeordneten Deljan Peewski verbinden. "Es gibt nur eines in diesem Land: Korruption - auf allen Ebenen", sagt Demonstrant Assen Dimitrow.

Für viele Protestierende repräsentiert das neue Budget nicht Reformen, sondern eine weitere Festigung staatlicher Kontrolle. Ein Student sagt: "Wir sind hier nicht wegen des Budgets, sondern wegen des ganzen Systems. Das ist ein kriminelles Netzwerk."

Protestierende pfeifen und schwenken bulgarische Flaggen in Sofia gegen hohe Steuerpläne 2026.

In der bulgarischen Hauptstadt Sofia haben Tausende gegen den Haushaltsentwurf der Regierung für 2026 demonstriert. Darin sind Steuererhöhungen und eine Neuverschuldung vorgesehen.

27.11.2025 | 0:16 min

Auffällig bei den Protesten ist der hohe Anteil junger Menschen. Die Demonstrationen werden spürbar von der Generation Z getragen. "Sie behandeln uns wie Tiere. Sie nennen uns Abschaum", sagt die junge Demonstrantin Katerina.

Wir können so viel erreichen, aber in Bulgarien gibt man uns keine Chance.

Katerina, Demonstrantin

Für viele geht es um die Frage, ob sie in ihrem eigenen Land eine Zukunft haben. "Hier gibt es so viele junge Menschen, die bleiben wollen", sagt Georgi. "Wir wollen in einer schönen, gerechten Gesellschaft alt werden."

Wut gegen politische Machtstrukturen

Die Wut richtet sich auch klar gegen politische Machtstrukturen. "Wir wollen nicht nur, dass das Budget zurückgezogen wird. Wir wollen Borissow und Peewski vor ein unabhängiges Gericht gestellt sehen", sagt Alexander Tanev. Andere gehen noch weiter: "Ich will nicht nur den Sturz des Budgets. Ich will, dass alles fällt. Denn sonst geht die gleiche Willkür weiter", heißt es von einem anderen Protestierenden.

Unter den Demonstranten sind auch ganze Familien. "Was wir jetzt erleben, ist das Ergebnis unserer eigenen Wahlbeteiligung", sagt der junge Vater Tsvetomir, der mit seinem Kind demonstriert.

Je weniger Menschen wählen, desto instabiler die Regierung.

Tsvetomir, Demonstrant

Regierung zieht Etatentwurf zurück

Die Regierung hat nun angekündigt, ihren umstrittenen Etatentwurf für 2026 zurückzuziehen. Sie wolle Zugeständnisse machen und bis Jahresende neue Vorschläge machen, erklärte Ministerpräsident Rossen Scheljaskow. Das reicht der Opposition jedoch nicht aus: "Der Protest zieht die rote Linie", sagt der Abgeordnete Boschidar Boschanow (Democratic Bulgaria), einer der Organisatoren der Proteste.

Die Regierung hat gesagt, sie zieht das Budget zurück, vielleicht machen sie noch ein paar Korrekturen. Das reicht nicht mehr.

Boschidar Boschanow (Democratic Bulgaria)

"Dieses Regierungsmodell ist instabil - und der Protest macht es noch instabiler", sagt Boschanow weiter.

Demonstranten hoffen auf Wendepunkt

Entgegen einiger internationaler Meldungen handelt es sich nicht um Anti-Euro-Proteste. "Da besteht kein Risiko. Der Prozess ist weit fortgeschritten, fast abgeschlossen. Der Euro ist kein Thema - das Ziel der Proteste ist die Korruption", stellt Politologe Milen Lubenov klar.

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Viele Demonstranten hoffen auf einen Wendepunkt:

Die Menschen sind wütend, sie halten es nicht mehr aus. Wenn aus diesen Protesten etwas Größeres entsteht - umso besser.

Teodor, Student

Was bleibt, ist eine Generation, die nicht mehr bereit ist, politische Machtspiele zu akzeptieren. "Wir haben nur dieses eine Heimatland - und wir werden dafür kämpfen", fasst der junge Demonstrant Alexander zusammen.

Über dieses Thema berichtete das gemeinsame Morgenmagazin von ARD und ZDF am 02.12.2026 ab 5:30 Uhr sowie die ZDFheute Xpress am 02.12.2025 um 07:26 Uhr.

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