Tag des Deutschen Butterbrotes:Der Boom der Pausenbrot-Inszenierungen
Gurkenkrokodile statt Stulle: Kreative Pausenboxen boomen in sozialen Medien. Zum Tag des Deutschen Butterbrotes stellt sich die Frage: Was macht der Hype mit Eltern und Kindern?
Vollkornbrot mit Avocado - sieht gut aus und schmeckt lecker.
Quelle: ZoonarFrüher war es simpel: ein Butterbrot, vielleicht mit Käse oder Wurst, dazu ein Apfel. Fertig war die Pausenbox. Heute reicht das kaum noch. Zumindest dann nicht, wenn man den Blick in soziale Medien wagt. Auf Instagram, TikTok, Pinterest und Co. buhlen Mütter und Väter mit kunstvoll angerichteten Pausenboxen um Likes.
Da verwandeln sich Gurkenscheiben in Krokodile, Radieschen blühen als Rosen auf, und Brotdosen werden zu kleinen essbaren Landschaften. "Food Art" heißt der Trend - und er hat längst auch die Brotdosen deutscher Kinder erreicht.
Zwischen Inspiration und Erwartungsdruck
Was für die einen eine Inspirationsquelle ist, löst bei anderen Druck aus. Eltern berichten, sie fühlten sich inzwischen fast verpflichtet, jeden Tag eine kreative Brotdose zu liefern - aus Angst, das eigene Kind könnte sich in der Kita oder Schule mit seinem "langweiligen" Brot schämen.
Soziale Vergleiche spielen beim Essen eine große Rolle.
Jutta Mata, Gesundheitspsychologin, Universität Mannheim
Die Professorin weiter: "Für Eltern, die permanent Posts zu perfekten Pausenboxen sehen, kann der Eindruck entstehen: Das ist der neue Standard. Selbst wenn das rational gar nicht stimmt, kann das Druck erzeugen."
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Auch bei Kindern könnte sich womöglich das Gefühl entwickeln, dass ihr Essen eine Art Statussymbol sei. Hinzu kommt: Der Pausenbox-Hype könne soziale Unterschiede verstärken, weil sich nicht jeder die Zeit und die Vielfalt an Lebensmitteln leisten könne, die es für solch aufwendige Pausenbrote brauche, gibt Jutta Mata zu bedenken.
Experten fordern, dass Ernährung in Schulen eine größere Bedeutung bekommt. Denn das befähige schon junge Menschen zu einem gesunden und nachhaltigen Lebensstil.
17.09.2025 | 5:07 minAus Ernährungssicht ein zweischneidiges Schwert
Auch ernährungsphysiologisch sind die überinszenierten Pausenbrote ein zweischneidiges Schwert. Yurdagül Zopf, Professorin für Ernährungsmedizin an der Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen, sieht Licht und Schatten: "Grundsätzlich ist es natürlich positiv, wenn Kinder durch liebevoll gestaltete Boxen mehr Gemüse essen."
Problematisch werde es allerdings, wenn die Optik wichtiger als der Inhalt werde. "Manchmal sehen die Boxen fantastisch aus, bestehen aber zu einem großen Teil aus Weißbrot, süßen Riegeln und bunten Snacks."
Dann hat man zwar das Instagram-taugliche Bild, aber ernährungsphysiologisch wenig Mehrwert.
Yurdagül Zopf, Friedrich-Alexander-Universität Erlangen
Entspannende Essenssituation wichtiger
Für Yurdagül Zopf ist die Balance entscheidend: "Ein gutes Pausenbrot braucht komplexe Kohlenhydrate, Eiweiß, sättigende Proteine und frisches Gemüse oder Obst. Ob das als Brotstulle daherkommt oder als kunstvoll arrangierte Box, ist zweitrangig."
Was müssten Lebensmittel kosten, wenn man negative Folgen für Umwelt und Gesellschaft mit einpreisen würde? Bei der Berechnung stoßen Wissenschaftler auch auf Probleme.
23.03.2025 | 28:56 minGesundheitspsychologin Jutta Mata, die insbesondere zum Thema Familienmahlzeiten forscht, warnt zudem davor, diese Inszenierungen mit der Realität zu verwechseln:
Soziale Medien verzerren das Bild. Online zeigen die Leute natürlich das Besondere, nicht unbedingt den Normalfall.
Jutta Mata, Gesundheitspsychologin
Kinder bräuchten vor allem eine entspannte Essenssituation - weniger den perfekten Food-Look.
Warum das Butterbrot noch lange nicht ausgedient hat
Zum Tag des Deutschen Butterbrotes darf man sich also getrost fragen: Muss es wirklich die Brotdose als Kunstwerk sein? Ernährungswissenschaftlerin Yurdagül Zopf sieht das pragmatisch: "Das klassische Butterbrot hat seinen Wert. Vollkornbrot mit Käse oder Aufstrich, dazu etwas Gemüse - das ist eine völlig ausreichende und gesunde Mahlzeit."
Proteinriegel sind aus der Fitness-Welt kaum mehr wegzudenken. Sie gelten als schneller Energiekick. Mehr sollten sie aber auch nicht sein, so das Fazit von Öko-Test.
27.02.2025 | 3:11 minDer Trend zur Pausenbox-Dekoration könne zwar Spaß machen, sei aber keineswegs ein Muss. "Eltern sollten sich nicht schlecht fühlen, wenn sie nicht jeden Tag kreativ werden." Ganz im Gegenteil: Viel sinnvoller sei es, die Kinder beim Broteschmieren miteinzubeziehen. So würden sie selbst ganz alltagspraktisch lernen, wie gesunde Ernährung funktioniert.
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Das Butterbrot: einfach, nahrhaft, zuverlässig
Am Ende bleibt der Rat: Zurück zur Gelassenheit. Ob mit Gurkenkrokodil, Herzchen-Möhren, Käse-Sterne oder ohne - entscheidend bleibe, dass Kinder mit Freude essen und satt werden. Die Liebe zum Detail kann dabei helfen, darf aber nicht zur täglichen Belastung werden.
Damit muss das Butterbrot noch lange nicht out sein, sondern kann auch zum neuen Symbol für Normalität im hektischen Familienalltag werden. Vielleicht liegt genau darin seine Stärke: Es ist einfach, nahrhaft, zuverlässig. Und wer weiß - vielleicht ist das schnörkellose Butterbrot die eigentliche Revolution im Zeitalter der überinszenierten Pausenboxen.
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