Papst Leo XIV. 100 Tage im Amt: Der stille Brückenbauer

Papst Leo XIV. 100 Tage im Amt:Der stille Brückenbauer

von Valerie Nusser
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Am 8. Mai 2025 wurde Kardinal Robert Francis Prevost zum ersten US-amerikanischen Papst der Geschichte gewählt. Nach 100 Tagen im Amt herrscht eine ungewohnte Ruhe im Vatikan.

Pope Leo XIV arrives at the St. Thomas of Villanova Church to celebrate a mass, in Castel Gandolfo, on the outskirts of Rome.
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Seinen 100. Tag als Papst verbringt Leo XIV. nicht im Vatikan, sondern in der päpstlichen Sommerresidenz in Castel Gandolfo südlich von Rom.
Seine Entscheidung, die Tradition vieler Päpste wiederaufzunehmen und einige Sommertage in dem malerischen Örtchen am Albaner See zu verbringen, mag nicht bedeutend erscheinen. Und doch zeigt sie, was Papst Leo seit seinem Amtsbeginn versucht: Brücken zu bauen zwischen der Tradition und der Moderne.
Zwölf Jahre lang hatte sein Vorgänger Papst Franziskus sich geweigert, den päpstlichen Palast in Castel Gandolfo für eine Sommerpause zu nutzen, und war lieber in seinem Arbeitszimmer im Vatikan geblieben. Auch mit anderen vatikanischen Traditionen brach Franziskus freimütig - zum Wohlgefallen der einen und Missfallen der anderen.
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Papst Leo bringt Ruhe in den Vatikan

An diesem Erbe steht nun Papst Leo, der zum Verdruss einiger Vatikan-Korrespondenten in seinen ersten 100 Tagen als Oberhaupt der weltweit 1,4 Milliarden Katholiken keine Schlagzeilen, sondern Ruhe in den Kirchenstaat gebracht hat.
Laut dem US-Amerikaner Christopher White, ehemaliger Vatikan-Korrespondent und Buchautor, ist der Vergleich mit Franziskus eine der größten Herausforderungen im jungen Pontifikat von Papst Leo.

Franziskus sah das Papstamt als eine Art Weltbühne und nutzte seine Rolle, um dramatische Gesten zu setzen und so seinen Anliegen mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen.

Christopher White, Ex-Vatikan-Korrespondent

Er habe Energie aus dem Bad in der Menschenmenge geschöpft. "Papst Leo hat eine ganz andere Persönlichkeit. Er ist ruhig, fleißig und introvertiert", so White.
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Im Vatikan herrscht ein anderer Wind

Aus dem Vatikan hört man, es herrsche nun ein anderer Wind. Der Papst wolle Progressive und Konservative zusammenbringen und gehe dabei mit Bedacht vor, da er niemanden verärgern wolle. Ein Blick in seinen vollen Kalender zeigt, dass er sich mit verschiedensten Verantwortlichen trifft und berät.
Ehemalige Mitarbeiter beschreiben ihn als bescheiden und unkompliziert, als gutherzigen und gut organisierten Chef. Kurz nach der Papst-Wahl bestätigte auch der deutsche Kardinal Reinhard Marx, Papst Leo sei "kein Mann von schnellen Antworten, sondern ein Mann des Zuhörens".
Was manche nach 100 Tagen als zurückhaltenden Führungsstil beschreiben, sehen andere als den Versuch von Papst Leo, umsichtig und wohlüberlegt der Rolle gerecht zu werden, die ihm seine Kardinalskollegen bei der Wahl aufgetragen hatten: Einheit herzustellen - in der Kirche und der Welt.
Bisher genießt Papst Leo noch Zustimmung auf allen Seiten, auch in seinem Heimatland, den USA. Manche trumpnahen Kritiker beschrieben ihn zwischenzeitlich zwar als "woken" Papst aufgrund seiner Haltung bei Themen wie Migration und Klimawandel, doch weltweit sähen laut White "sowohl Konservative als auch Progressive in ihm Dinge, die ihnen gefallen".
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Bemühung um Frieden steht an erster Stelle

Während Leo XIV. sich bei innerkirchlichen Themen wie etwa der Rolle von Frauen oder dem Umgang mit Machtmissbrauch in der Kirche noch Zeit lässt, hat er sein Herzensanliegen in der Weltpolitik hingegen bereits deutlich gemacht.

Er möchte seine Stimme für den Frieden einsetzen. Das wurde in der Nacht seiner Wahl sofort klar. Neun Mal hat er in seiner ersten Ansprache auf dem Balkon des Petersdoms das Wort 'Frieden’ benutzt.

Christopher White

Seine bisher bedeutendste Bemühung um Frieden war es, wiederholt den Vatikan als Ort für Gespräche zwischen Russland und der Ukraine anzubieten. Russland erteilte ihm allerdings eine Absage.
Ein mühsamer Start für den Papst, dessen erste Worte an die Welt "Der Friede sei mit euch" waren. So bleiben ihm vorerst nur seine wöchentlichen Appelle, in denen er ruhig und beharrlich die Welt dazu aufruft, den Weg des Friedens wiederzufinden. Und wer weiß, welche Brücken er währenddessen hinter den Mauern des Vatikans im Stillen baut.
Valerie Nusser berichtet für das ZDF-Studio Rom aus Italien.

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