Max und Moritz werden 160 Jahre alt: "Meck, meck, meck"

Klassiker wird 160 Jahre alt:Wie "Max und Moritz" Kinderliteratur veränderten

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Vor 160 Jahren erschienen "Max und Moritz". Wilhelm Buschs Lausbuben schrieben Literaturgeschichte - und zeigen bis heute, dass kindlicher Ungehorsam Spaß machen kann.

Archiv: Eines der seltenen erhaltenen Exemplare der Erstausgabe von «Max und Moritz», fotografiert am 16.10.2015 im Museum Wilhelm Busch in Hannover (Niedersachsen).

Erstausgabe von "Max und Moritz".

Quelle: dpa

Da stehen sie mit der Säge grinsend auf dem Holzsteg und sägen "ritzeratze, voller Tücke" eine Lücke in die Brücke. Ein klarer Fall von Sabotage! Denn, so wissen Max und Moritz: Gleich wird hier der Schneider Böck hinüberlaufen, ein beliebter Bürger des Dorfes. Die Brücke wird zerbrechen, und der Schneider ins Wasser plumpsen. "Meck, meck, meck!", rufen sie ihm noch hinterher.

Millionen von Kindern und Erwachsenen aller Generationen haben über die hinterhältigen Streiche der beiden Lausbuben aus der Bildergeschichte von Wilhelm Busch (1832-1908) schon gelacht. Jetzt wird das Buch mit seiner Schadenfreude und seinem rabenschwarzen Humor 160 Jahre alt.

Archiv: Zeitgenössische Aufnahme des deutschen Dichters, Satirikers und Zeichners Wilhelm Busch (undatiert).

Zeitgenössische Aufnahme des deutschen Dichters, Satirikers und Zeichners Wilhelm Busch (Archivbild).

Quelle: dpa

"Max und Moritz" machten Wilhelm Busch reich

Ende Oktober 1865 erschien es erstmals in einer gedruckten Auflage von 4.000 Exemplaren im Münchner Verlag Braun & Schneider. Der Verkauf verlief zunächst schleppend, doch schon bald wurde das Buch zum Renner. Bis zum Tod von Wilhelm Busch wurde es 400.000-mal verkauft und machte den Autor zu einem reichen Mann. Der Jugendbuch-Forscher Bernd Dolle-Weinkauf aus Frankfurt am Main sagt:

Die Figuren haben sich innerhalb weniger Jahrzehnte ins kulturelle Gedächtnis eingepflanzt.

Bernd Dolle-Weinkauf, Jugendbuch-Forscher

Max und Moritz-Figuren

Max und Moritz feiern ihren 160. Geburtstag. Seit September zeigt das Wilhelm Busch-Museum in Hannover bei einer Sonderausstellung, wie die beiden Figuren heute gesehen werden.

29.09.2025 | 1:47 min

Original-Zeichnung in Hannover ausgestellt

Das mit Bleistift gezeichnete Original des Kinderbuchs ist derzeit im Wilhelm Busch Museum in Hannover zu bestaunen. Für die Ausstellung "Böse?! Widerstand und Verbrechen - 160 Jahre Max und Moritz", die noch bis zum 8. Februar 2026 läuft, hat das Museum sein wertvollstes Stück hervorgeholt. "Uns geht es darum, die Geschichte genauer anzuschauen und sie mit heute zu verknüpfen", sagt Museumsdirektorin Eva Jandl-Jörg.

Mit Max und Moritz beginnt aus Sicht von Experten in der Literatur in vieler Hinsicht etwas Neues. "Busch hat eine neue Erzählgattung erfunden: die Bubenstreichgeschichte", erläutert Bernd Dolle-Weinkauf. Bis dahin hatten Eltern ihren Kinder vor allem Geschichten von braven, folgsamen Kindern vorgelesen.

Archiv: Originalhandschrift "Max und Moritz"

Originalhandschrift von "Max und Moritz" (Archivbild).

Quelle: AP

Diese "moralische Erzählung" wird bei Busch nun umfunktioniert, indem er als scheinbar schlechtes Beispiel die bösen Buben einführt:

Er hat die Schelmen eingeschmuggelt und den Eltern sozusagen untergejubelt.

Bernd Dolle-Weinkauf, Jugendbuch-Forscher

Busch "nimmt die Kinder ernst"

Auf diese Weise beginnt ein zweideutiges satirisches Spiel, das bis heute den Reiz der Geschichte ausmacht. Auf einer erzieherisch korrekten Ebene kommt Busch zunächst durchaus moralisch daher: "Ach, was muss man oft von bösen / Kindern hören oder lesen!"

Unterschwellig verbündet sich der damals 33-jährige Autor aber mit seinen Lausejungs, die lustvoll die Grenzen des Erlaubten austesten. "Er nimmt die Kinder ernst", sagt Museumsdirektorin Jandl-Jörg.

Kinder müssen Dinge ausprobieren und an Grenzen gehen. Deshalb ist die Geschichte hochaktuell.

Eva Jandl-Jörg, Museumsdirektorin

Gleichzeitig hält Busch den Erwachsenen einen Spiegel vor, indem er ihr Verhalten karikiert.

Archiv: Ein Mann geht am 14.02.2014 durch das Museum Wilhelm Busch in Hannover (Niedersachsen) vorbei an einer Zeichnung von Max und Moritz.

Zeichnung von Max und Moritz im Museum Wilhelm Busch in Hannover.

Quelle: dpa

Autor schöpft aus eigenen Erfahrungen

Bei alldem schöpfte Busch aus eigenem Erleben. Im Alter von neun Jahren hatten ihn seine Eltern zur Erziehung zu seinem Onkel geschickt, der Pfarrer in Ebergötzen bei Göttingen war. Dort freundet sich Busch mit dem Müllerssohn Erich Bachmann an. Gemeinsam ziehen die beiden durch den Ort und erleben Abenteuer.

Sie verstecken sich in der Mühle, fangen Vögel mit Leimruten, reiben sich nach dem Baden mit Schlamm ein und lassen sich so in der Sonne trocknen. Max und Moritz gab es also wirklich. Aus Erich wurde der pausbäckige Max, aus Wilhelm wurde Moritz mit der Haartolle.

In seinem Heimatort Wiedensahl hatte Busch als Junge zudem einmal einem Dorfbewohner Tierhaare in die Pfeife gestopft. Ein anderes Mal stahl er bei seinem Vater Fensterblei und Pulver und unternahm damit Sprengversuche. Für beides kassierte er Prügel. Aus diesen Erlebnissen werden später die Streiche von Max und Moritz: Dem hochverehrten Lehrer Lämpel stopfen sie Schießpulver in die Pfeife, der armen Witwe Bolte bringen sie die Hühner um, und beim Bäcker werden sie zu Brot gebacken. Dabei wendet Busch das Stilmittel der Übertreibung an, sagt Bernd Dolle-Weinkauf:

Er knüpft an seine biografische Erfahrung an und bläst sie auf zum 'Rums! Da geht die Pfeife los'.

Bernd Dolle-Weinkauf, Jugendbuch-Forscher

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15.10.2025 | 2:36 min

"Max und Moritz": Initialzündung für Comics

Auch zeichnerisch bahnt sich bei Busch etwas Neues an. Fachleute sehen in Max und Moritz eine Initialzündung für die Entstehung der Comics. Die Linienführung bei Busch sei virtuos, sagt die Kunsthistorikerin und Comicforscherin Barbara Eggert aus Stuttgart: "Da bedeutet jeder Stich etwas." In ihrer subversiven, doppelbödigen Art sei die Geschichte auch ansprechend für Erwachsene, betont Eggert.

Sie ist eine Projektionsfläche für Dinge, die man selbst einmal gern wagen würde.

Barbara Eggert, Kunsthistorikerin und Comicforscherin

In 300 Sprachen übersetzt

Im Laufe der Jahrzehnte hat die Geschichte einen Siegeszug um die Welt angetreten. Inzwischen ist sie in rund 300 Sprachen übersetzt.

Viele Autoren haben die anarchische Story später nachgeahmt und in andere Milieus verlegt. Schon 1925 ließen sich "Maus und Molli", zwei Mädchen, böse Streiche einfallen. 1969 agierten "Marx und Maoritz" in der kommunistischen Szene. 2003 grüßten "Mac und Mufti" aus dem Punk-Milieu. Bei Max und Moritz wehrten sich Kinder gegen scheinbare Autoritäten, gegen Heuchelei und Spießertum, sagt Eva Jandl-Jörg. "Und Wilhelm Busch hilft ihnen dabei."

Quelle: epd

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