Depressionen: Vermeintliche Hilfe im Netz birgt Risiken

Depressionen und Social Media:"Vorsicht vor Angeboten, die schnelle Heilung versprechen"

Steffi Moritz-Möller

von Steffi Moritz-Möller

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Jeder zweite Bürger informiert sich im Netz zum Thema Depressionen, so eine Studie. Doch gerade auf Social Media finden Betroffene nicht nur Hilfe, ein Experte warnt vor Risiken.

Eine Person hält ein Smartphone in der Hand, auf dem eine Suchanfrage mit der Frage «Bin ich müde oder depressiv?» in einem KI-Chatfenster zu sehen ist.

Rund die Hälfte aller Menschen in Deutschland hat bereits online nach Informationen zu Depressionen gesucht. Vor allem KI und Social Media werden wegen der Anonymität genutzt.

25.11.2025 | 1:40 min

Thomas Reinbacher ist das, was man einen Überflieger nennt: Er studierte in den USA, arbeitete bei der Nasa und Google, kannte nur eine Richtung: nach oben. Aber dann wird er ausgebremst. Es geht ihm schlecht, er spürt nichts mehr, kann nicht mehr lesen und versteht nicht, was mit ihm los ist.

Auf Social Media spricht er über seine Depression

Der Informatiker schaut im Internet und entdeckt einen Podcast, der ihn auf die Idee bringt, dass sich hinter seiner Stimmung eine Depression verbergen könnte. Diese wirft ihn schließlich so sehr aus der Bahn, dass er an Suizid denkt - und sich endlich Hilfe beim Arzt sucht: Für 200 Tage muss er in eine Klinik.




Danach ändert er sein Leben radikal. Er kündigt seinen Job, schreibt ein Buch über seine Erlebnisse und vor allem geht er online, beginnt, auf Social Media offen über seine Erfahrungen zu sprechen, will so anderen helfen.

Dafür bekommt er riesigen Zuspruch. Denn noch immer ist es für viele Betroffene schwer, sich offen zu ihrer Erkrankung zu bekennen, und vielleicht noch mehr, sich überhaupt einzugestehen, an einer Depression zu leiden.

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Depressionen gehören zu den häufigsten Erkrankungen. "Wenn die Depression wirklich zwei Wochen besteht und […] mehr ist, als eine vorübergehende Verstimmung", empfiehlt Psychotherapeutin Nadine Zehender, Hilfe aufzusuchen.

26.11.2024 | 17:17 min

Depressionen: Jeder Zweite sucht online Infos

Die Stiftung "Deutsche Depressionshilfe" hat 5.300 Personen zum Thema Depressionen und Social Media befragt. Das Ergebnis überrascht: Jeder zweite Bürger informiert sich im Netz über Depressionen. Bei den Menschen, die schon von Depressionen betroffen sind, sind es 78 Prozent.

Neben der allgemeinen Suche via Suchmaschinen wird auch auf den Seiten von Krankenkassen, Kliniken und Ärzten gesucht. Bei Jugendlichen wird häufiger Künstliche Intelligenz eingesetzt.

Männer und Depression: Das stumme Leiden

In Europa werden Frauen doppelt so häufig wegen Depressionen behandelt wie Männer. Nach neuestem Wissensstand sind aber wesentlich mehr Männer betroffen. Die Dokumentation zeigt, warum "männliche Depressionen" oft unentdeckt bleiben, beleuchtet aktuelle Erkenntnisse zur Diagnostik und Behandlung sowie Möglichkeiten, das mitunter tödlich endende Schweigen der Männer zu durchbrechen.

09.10.2025 | 52:26 min

Experte: Social Media ersetzt keine professionelle Behandlung

Doch genau da liegen auch Gefahren: Social Media kann Hilfe bieten, birgt aber auch zahlreiche Risiken. Ulrich Hegerl, Vorsitzender der Deutschen Depressionshilfe, warnt vor massenhafter Verbreitung von falschen Vorstellungen und Inhalten.

Social Media kann unterstützen, aber ersetzt keine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung.

Ulrich Hegerl, Deutsche Depressionshilfe

Kommerzielle Interessen sind oft nur schwer zu erkennen, der Wahrheitsgehalt von Beiträgen ebenso. Interessierten empfiehlt Hegerl, zu prüfen, ob der Beitrag von einer Universität, Krankenkasse oder einem Fachmann kommt.

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Und warnt: "Vorsicht vor allem bei Angeboten, die schnelle Heilung versprechen oder Produkte verkaufen", so Hegerl.

Austausch auf Social Media hilft nicht allen Depressiven

Laut der Befragung der Deutschen Depressionshilfe erleben viele der Betroffenen (73 Prozent) trotz Recherche oder Austausch auf Social Media keine Veränderung ihres Befindens.

Einerseits empfänden viele den Austausch mit anderen und Erfahrungsberichte als motivierend, verstünden ihre Situation besser und fühlten sich weniger einsam.

15 Prozent der Befragten empfinden laut Studie jedoch genau das als negativ, fühlen sich überfordert und durch die "Erfolgs-Storys" anderer bedrückt.

Erste Anlaufstellen, zusammengestellt vom Aktionsbündnis für seelische Gesundheit
Beratungs- und Notfallkontakte - Aktionsbündnis Seelische Gesundheit

Die Telefonseelsorge ist anonym, kostenlos und rund um die Uhr unter 0800 / 111 0111 und 0800 / 111 0222 erreichbar.
Oder per Chat und E-Mail: www.telefonseelsorge.de

Info-Telefon der Deutschen Depressionshilfe: 0800 / 33 44 533 (kostenfrei)

Stiftung Deutsche Depressionshilfe und Suizidprävention
Depression: Infos und Hilfe - Stiftung Deutsche Depressionshilfe

Deutsche Depressionsliga e. V.
https://depressionsliga.de

Wenn Sie bemerken, dass Ihr Angehöriger sich in einer akuten Krise befindet, wenden Sie sich an die nächste psychiatrische Klinik oder wählen Sie den Notruf unter 112.

Krisendienst Psychiatrie: 0800 / 655 3000


Thema Suizid auf Social Media birgt große Gefahren

Ein großes Problem ist dabei das Thema Suizid: 80 Prozent der Betroffenen kamen damit online in Kontakt, trafen im Netz auf Menschen, die suizidale Gedanken hatten oder Suizid ankündigten oder diesen schon versucht hatten.

"Das ist bedenklich", so Hegerl, "Bei solchen Posts besteht immer die Gefahr von Nachahmungseffekten - vor allem, wenn Nutzer sich mit der Person auf Social Media identifizieren."

Man sieht eine Mutter die ihr Kind glücklich hält und eine Ärztin, die mit dem Kind spielt.

Sophie Altmann ist schwanger. Statt Vorfreude empfindet sie Erschöpfung und Gereiztheit. Sie leidet unter einer pränatalen Depression - ohne es zu wissen.

21.10.2025 | 1:13 min

"Dass das alles fake ist, erkennt man erst später"

Die Gefahren, die soziale Medien im Umgang mit Depressionen bergen, hat auch Katha aus Leipzig erkannt. Die 21-Jährige ist schon als Teenager schwer an Depressionen erkrankt. Das Surfen im Internet habe ihr zwar geholfen, sie aber aufgrund der Flut von Informationen und Beiträgen auch verunsichert.

"Als Jugendliche vergleicht man sich und findet gerade im Netz immer nur toll aussehende Leute, die glücklich scheinen. Das zieht einen runter. Dass das alles nur fake ist, erkennt man erst später".

Katha setzt sich für mehr Aufklärung von jungen Menschen ein, hat lange im Jugendbeirat der Stiftung geholfen. Inzwischen hat sie, wie auch Thomas Reinbacher, einen eigenen Instagram-Kanal.

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