Hunderte Tote: Warum Afghanistan so von Erdbeben bedroht ist

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Hunderte Tote am Hindukusch:Warum Afghanistan so heftige Erdbeben hat

Autorenfoto Nils Metzger
von Nils Metzger
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Ein weiteres schweres Erdbeben mit vielen Toten trifft Afghanistan. Wie funktionieren Erdbeben und warum ist das Land am Hindukusch so anfällig?

Afghanistan

Bei einem schweren Erdbeben im Osten Afghanistans sind laut Katastrophenschutz mindestens 250 Menschen ums Leben gekommen. Hunderte weitere wurden verletzt.

01.09.2025 | 0:19 min

In der Nacht auf Montag hat im Nordosten Afghanistans die Erde gebebt. Das Innenministerium in Kabul meldete mehr als 600 Tote in der Provinz Kunar entlang der Grenze zu Pakistan.

Das Beben hatte eine Stärke von 6,0 - im Laufe der Nacht gab es noch Nachbeben. Die Zahl der Opfer könnte noch deutlich ansteigen, einige der betroffenen Gebiete sind wenig erschlossen.

Karte: Erdbeben Afghanistan

Hier ereignete sich das Erdbeben.

Quelle: ZDF

Wie entstehen Erdbeben?

Der Grund für Erdbeben ist die natürliche Tektonik der Erdplatten, aus denen sich die Erdkruste zusammensetzt. Diese Bewegungen der Kontinentalplatten ließen einerseits über viele Millionen Jahre hinweg Gebirge, Vulkane und Meere entstehen - zeigen sich aber auch in Beben.

Wenn entlang ihrer Grenzen Platten aneinander reiben, aufgetürmt oder untereinander gedrückt werden, kann sich über Zeit eine Spannung aufbauen, die sich dann blitzartig entlädt - was an der Oberfläche als Erdbeben wahrgenommen wird.

Entstehung Erdbeben CC

Die Gesteinsplatten der Erdkruste sind ständig in Bewegung. Sie können sich verhaken und eine enorme Spannung aufbauen. Löst sich diese ruckartig, bebt die Erde.

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Die Vorhersage solcher Ereignisse ist komplex. Zwar können Forscher teils vorab Spannungen in der Plattentektonik feststellen und so den ungefähren Ort eines künftigen Bebens identifizieren. Aber der genaue Zeitpunkt kommt dann überraschend. Anders als bei Tsunamis gibt es bislang keine zuverlässigen Frühwarnsysteme.

"Das ist für die Region zunächst keine Überraschung", sagt Marco Bohnhoff vom Helmholtz-Zentrum für Geoforschung in Potsdam dem ZDF.

Dass dieses Erdbeben heute Nacht an dieser Stelle aufgetreten ist, konnte nicht vorhergesagt werden.

Marco Bohnhoff, Helmholtz-Zentrum für Geoforschung

"Das Problem ist, das Erdbeben war sehr flach, in den oberen acht Kilometern der Erdkruste und hat damit sehr starke Erschütterungen an der Oberfläche ausgelöst und damit auch zu hohen Opferzahlen geführt", erklärt Bohnhoff.

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Was bestimmt, wie tödlich ein Beben wird?

Welche Zerstörung Erdbeben anrichten, hängt von mehreren Faktoren ab - sowohl der Art des Bebens selbst wie auch die Bebauung an der Oberfläche. Wichtig sind:

  • In welcher Tiefe findet das Beben statt?
  • Wie erdbebensicher sind Gebäude gebaut?
  • Wie schnell sind Retter vor Ort und können Eingeschlossene befreien?

Auch verschiedene topografische Faktoren und die Bodenbeschaffenheit können die Auswirkungen eines Bebens beeinflussen - etwa falls die Beben mit Erdrutschen einhergehen.

Die Schwere eines Bebens allein ist nur ein Faktor, findet es in nur wenigen Kilometern Tiefe statt, kann auch ein mittelschweres Beben heftige Schäden anrichten. Die Tiefe eines Erdbebenherds kann von weniger als zehn Kilometern bis zu mehreren Hundert Kilometern Tiefe reichen.

Die Momenten-Magnituden-Skala gibt an, wie stark ein Erdbeben war. Ab 4 ist es deutlich wahrnehmbar, ab 6 sind größere Schäden zu erwarten.

Die Momenten-Magnituden-Skala misst, wie stark ein Erdbeben war.


Warum ist Afghanistan besonders betroffen?

Afghanistan liegt in einer Region, in der die indische Platte auf die eurasische trifft. Die hohen Berge Afghanistans aber auch der Himalaya sind eine Folge dieser Plattenbewegungen. Die aktuell betroffene Gegend um die Stadt Dschalalabad ist darum besonders anfällig für schwere Beben.

"Es hat in dieser Region in den letzten 100 Jahren auch wesentlich stärkere Erdbeben gegeben. Seit 1900 drei Beben größer Magnitude 7,6. Das wäre dann ein Vielfaches der Energie. Solche Erdbeben können auch immer wieder auftreten", sagt Experte Bohnhoff. Aktuell sehe es so aus, dass es sich bei dem Beben um ein sogenanntes Hauptbeben gehandelt habe und die Aktivität nun abklinge. "Durch Spannungsumlagerungen durch dieses Beben heute Nacht kann es zu stärkeren Beben noch kommen", so Bohnhoff.

Die Weltkarte zeichnet die Erdbebengebiete der Erde aus. Besonders die amerikanische Pazifikküste sowie Japan, Neuseeland, Neuguinea und Zentralasien sind gefährdet.


Die Schäden sind auch darum so groß, weil Gebäude nicht ansatzweise erdbebensicher gebaut werden können, sondern in ländlichen Regionen oft aus einfachen Materialien wie Lehm bestehen. In den verganenen Wochen habe es starken Regen gegeben, erklärt Bohnhoff. Auch das kann die Bausubstanz verwundbarer bei Erdbeben machen. Wie in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern werden bei mehrstöckigen Gebäuden in Ballungsräumen oft Bauvorschriften nicht eingehalten, sodass Häuser im Ernstfall zu Todesfallen werden.

Zuletzt kamen 2024 bei einem schweren Beben weiter westlich im Land mehr als 1.000 Menschen ums Leben. Weil Hilfe nur langsam zu den Betroffenen kommt, kann die Opferzahl in den Tagen nach einem schweren Beben noch deutlich ansteigen. Da auch Infrastruktur wie Wasser- und Stromleitungen betroffen sind, steigt die Gefahr von Seuchen. Die langfristigen Folgen von schweren Beben können die Entwicklung einer Region auf Jahrzehnte beeinträchtigen.

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