Gutes Jahr für Tagfalter:Hoffnung für die Schmetterlinge?
Noch flattern sie durchs Land - bunt, leicht und scheinbar schwerelos. Tagfalter sind bedroht. Eine aktuelle Zählung macht allerdings Hoffnung.
Der Tagpfauenauge, einer der heimischen Nesselfalter, profitiert von den vermehrten Brennnesseln 2025. Er nutzt sie als Kinderstube für seine Raupen.
Quelle: dpaSeit nunmehr 20 Jahren dokumentiert das Tagfalter-Monitoring Deutschland (TMD) - ein Gemeinschaftsprojekt des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ) und der Gesellschaft für Schmetterlingsschutz (GfS) - die Bestandsentwicklung der heimischen Schmetterlinge. Auch im aktuellen Schmetterlingsjahr liefern die Daten wichtige Einblicke.
Deutlich mehr Falter ab Juni
Elisabeth Kühn, Biologin und seit Projektbeginn für die Koordination verantwortlich, hat bereits viele schwierige Jahre für die Tagfalter erlebt. Doch es gibt einen Lichtblick: "Nachdem das Frühjahr 2025 mit sehr niedrigen Falterzahlen begann, hat sich die Situation ab Ende Juni deutlich verbessert."
Besonders Nesselfalter wie Tagpfauenauge, Admiral und Kleiner Fuchs erleben bislang ein sehr gutes Jahr.
Elisabeth Kühn, UFZ
Ein möglicher Grund: die Zunahme von Brennnesseln, wie sie viele Kleingärtner in diesem Frühsommer beobachtet haben. Diese Pflanzen dienen zahlreichen Tagfalterarten als Kinderstube.
Trotz der positiven Tendenz bleibt Kühn vorsichtig: "Ich möchte die Zahlen bis Ende des Monitorings und der Auswertung abwarten." Denn in den Niederlanden wurde im Juli ein ungewöhnlicher Rückgang des Admirals, eines Edelfalters, gemeldet. Vielleicht gibt es solche Ausschläge auch noch in Deutschland.
Heimische Pflanzen und Kräuter sind wichtige Nahrungsquellen für Wildbienen und Schmetterlinge, die auch auf kleinen Balkonen und Terrassen Platz finden. Tipps, wie ihr eigenes Stück Grün zur Natur-Oase wird.
26.06.2025 | 2:28 minArtenvielfalt bei Faltern schwindet
Denn insgesamt bleibt die Lage für die Tagfalter-Populationen kritisch. "Etwa zwei Drittel der heimischen Tagfalterarten zeigen vor allem in den letzten Jahrzehnten rückläufige Bestände", erklärt Experte Josef Settele vom UFZ. Besonders betroffen sind Arten, die auf nährstoffarme Wiesen oder Moore angewiesen sind - Lebensräume, die durch intensive Landwirtschaft, Flächenversiegelung und den Klimawandel zunehmend verschwinden.
Der Artenrückgang bei unseren heimischen Tagfaltern hat ein erschreckendes Ausmaß.
Elisabeth Kühn, UFZ
Der Klimawandel wirkt dabei wie ein Brandbeschleuniger: Längere Dürreperioden lassen Futterpflanzen vertrocknen, Raupen finden keine Nahrung mehr. Gleichzeitig zerstören Starkregen und Unwetter empfindliche Lebensräume. Extremwetter wird zur neuen Normalität - mit fatalen Folgen für viele Schmetterlingsarten.
Der Naturschutzbund schlägt Alarm: rund ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten ist gefährdet oder bedroht. Für mehr Wertschätzung sollen schon Kinder mehr sensibilisiert werden.
22.05.2025 | 1:28 minWichtige Funktionen im Ökosystem
Tagfalter sind weit mehr als nur als farbenfrohe Sommerboten. Sie übernehmen wichtige Funktionen im Ökosystem: Sie bestäuben Wildpflanzen, ihre Raupen dienen als Nahrung für viele Vögel und andere Tiere. Und sie sind wichtige Bioindikatoren, weil sie sensibel auf Umweltveränderungen reagieren und ihr Vorkommen die ökologische Qualität eines Lebensraums widerspiegelt.
- Blühflächen anlegen: Ob Garten, Balkon oder Hinterhof - Pflanzen wie Ampfer, Flockenblume, Veilchen, Wiesensalbei oder Dost helfen.
- Pestizide weglassen: Chemie im Garten schadet Schmetterlingen.
- Wildwuchs zulassen: Ein bisschen "Unordnung“ im Garten - mit Brennnesseln und Wildblumen - ist perfekt für Raupen. "Unkraut“ hat auch seine guten Seiten und ist dann plötzlich gar keines mehr.
- Mitzählen: Das UFZ sucht weiterhin Freiwillige fürs Monitoring. Keine Vorkenntnisse nötig - nur Lust auf Natur und ein bisschen Zeit.
Doch es gibt Hoffnung - dort, wo Lebensräume gezielt geschützt oder wiederhergestellt werden. Elisabeth Kühn hebt dabei erfolgreiche Projekte hervor: "In der Eifel gibt es zum Beispiel ein Schutzprojekt für den Blauschillernden Feuerfalter, im Saarland, Thüringen und Schleswig-Holstein für den Goldenen Scheckenfalter - und zwischen Leipzig und Halle hat sich der Eschen-Scheckenfalter, der auch Maivogel genannt wird, die letzten Jahre sehr gut entwickelt."
Was kann man tun, um die Biodiversität zu schützen? Das erfahren Kinder in der Zooschule Nordhorn, wo Biodiversität für Kinder und Erwachsene auf anschauliche Weise erlebbar gemacht wird. Dafür haben sie sogar einen Preis gewonnen.
22.05.2025 | 1:49 minEinzigartiges Schmetterling-Zählen
Jeder ist beim Zählen der Schmetterlinge willkommen: Vom Frühling bis zum Herbst werden entlang festgelegter Strecken Tagfalter gesichtet und notiert - ein europaweit vernetztes und einzigartiges Langzeitmonitoring.
Und die Zahl der Teilnehmenden wächst, freut sich Elisabeth Kühn: "Seit 2018 verzeichnen wir einen deutlichen Anstieg, ausgelöst durch die Krefeld-Studie zum sogenannten Insektensterben. Sie hat viele Menschen motiviert, sich für den Schutz von Faltern zu engagieren und wertvolle Daten für die Wissenschaft zu sammeln."
Masse der Insekten geht zurück
Die Krefeld-Studie, initiiert vom Entomologischen Verein Krefeld, zeigte einer breiten Öffentlichkeit, dass die Biomasse von Fluginsekten in deutschen Schutzgebieten zwischen 1989 und 2016 um über 75 Prozent zurückgegangen ist.
Tagfalter sind stille Zeugen des ökologischen Wandels.
Ihr Rückgang ist ein Alarmsignal.
Prof. Josef Settele, UFZ
Settele ruft daher zum Handeln auf. Noch bis September wird gezählt. Dann wird sich zeigen, ob 2025 ein gutes oder schlechtes Jahr für die Tagfalter war - und im nächsten Jahr geht es im April von vorne los.
Mark Hugo von der ZDF-Umweltredaktion erklärt, warum biologische Vielfalt für die Menschen überlebenswichtig ist.
22.05.2025 | 6:04 minAndreas Ewels ist Redakteur in der ZDF-Umweltredaktion.
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