Hitler und die Atombombe: Was wir heute zum Uranprojekt wissen
Uranprojekt im Dritten Reich:Hitler und die Atombombe: Was wir heute wissen
von Chiara Dombek
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Wissenschaftler diskutieren bis heute über das Atomprogramm der Nationalsozialisten. Im Deutschen Museum in München hat US-Historiker Mark Walker seine Forschung dazu vorgestellt.
Der Forschungsreaktor Haigerloch, an dem Physiker wie Werner Heisenberg im Auftrag Hitlers erfolglos ihre Atomforschung betrieben (Das Foto zeigt einen Nachbau).
Quelle: Imago
Wie nah Hitler an der Entwicklung einer Atombombe war und warum ihr Bau scheiterte, ist seit Jahrzehnten umstritten. Der Historiker Mark Walker analysierte dazu unter anderem 11.600 Dokumente aus dem Archiv des Deutschen Museums in München.
Er verglich dafür das deutsche und amerikanische Atombombenprojekt im Zweiten Weltkrieg und ordnete die Ergebnisse in verschiedene Kriegsphasen ein.
Hitler und die Atombombe: Die Phase der Blitzkriege
Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges versammelte das Heereswaffenamt gemeinsam mit dem Reichsforschungsrat deutsche Forscher im sogenannten "Uranverein". Physiker wie Werner Heisenberg oder Carl Friedrich von Weizsäcker hatten den Auftrag, einen Kernreaktor zu entwickeln und die Möglichkeit einer Atombombe zu untersuchen.
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Heisenberg berichtete dem Heereswaffenamt noch im selben Jahr, dass mit angereichertem Uran sehr starke Explosivstoffe möglich seien. Die Ergebnisse der Deutschen und ihr Atomprogramm seien bis Sommer 1942 auf Augenhöhe mit den Amerikanern gewesen, so Mark Walker. Ein Jahr später lag Hitler mit seinem Uranprojekt aber weit zurück.
In den USA begann das Atomforschungsprojekt 1940 auf Initiative von Präsident Franklin D. Roosevelt. Dieser wollte den Nationalsozialisten zuvorkommen, nachdem Wissenschaftler wie Einstein ihn zuvor vor dem militärischen Potenzial der Kernspaltung und einer möglichen deutschen Bombe gewarnt hatten.
In Deutschland hatten bereits 1938 die beiden Chemiker Otto Hahn und Fritz Straßmann erfolgreich einen Uran-Kern gespaltet.
Der Wendepunkt im Uranprojekt der Nationalsozialisten
Walker ist sich sicher, dass das Scheitern des Atomprojektes nicht am mangelnden Fachwissen der deutschen Wissenschaftler lag. Obwohl wichtige wissenschaftliche Vorstufen wie die Isotopentrennung nicht erreicht worden seien, hätten die Wissenschaftler in der Theorie gewusst, wie die Prozesse funktionierten.
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Das Uranprojekt scheiterte vielmehr an den Auswirkungen des "Totalen Krieges" in Deutschland, so Walker. Die Forschung sei in dieser Zeit langsam voran gekommen, weil die dafür benötigten Ressourcen kaum vorhanden waren und wichtige Anlagen sowie Fabriken zerstört wurden. Hinzu kamen fehlende Investitionen der Nazis in das Atomprojekt. Walker erklärt:
Während der Phase der Blitzkriege benötigten die Deutschen keine neuen Waffen mit hoher Zerstörungskraft, in der Endphase des Krieges war die deutsche Industrie nicht mehr dazu in der Lage, eine Atombombe zu bauen.
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Mark Walker, Historiker
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Atomprogramm in den USA nimmt Fahrt auf
Anders in den USA: Dort konnten die Forscher wissenschaftliche Vorstufen und Tests erfolgreich abschließen. Ab 1942 stellte die US-Regierung dem sogenannten Manhattan-Programm mehr finanzielle und materielle Ressourcen zur Verfügung, um das Projekt zu beschleunigen.
Ein Grund dafür war laut Walker auch ein Gespräch zwischen Werner Heisenberg, Carl Friedrich von Weizsäcker und dem dänischen Physiker Nils Bohr 1941 in Kopenhagen. Heisenberg habe bei Bohr den Eindruck erweckt, dass Deutschland weiterhin an einer Atombombe arbeite. Das habe Bohrs Angst verstärkt, die Nazis könnten schneller sein.
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Heisenberg soll bei dem Gespräch auch versucht haben, Bohr zu einem Bündnis der Wissenschaftler gegen einen Atombombenbau zu bewegen. Das sei ein Versuch gewesen, den Abwurf einer US-Atombombe über Deutschland zu verhindern, so Walker. Heisenberg habe zu diesem Zeitpunkt schon gewusst, dass das deutsche Atomprogramm scheitern würde, so Walker.
Werner Heisenberg im Jahr 1933
Quelle: AP
Die Internierung auf Farm Hall
Als Heisenberg 1945 die Nachricht von der Atombombe in Hiroshima erreicht, sagte er: "Ich glaube kein Wort von der ganzen Sache." Er und neun weitere deutsche Wissenschaftler wurden zu dieser Zeit auf dem englischen Landsitz Farm Hall gefangen gehalten.
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Die Briten hofften, so mehr über das Uranprojekt der Nazis zu erfahren. Den deutschen Wissenschaftlern sei nicht bewusst gewesen, wie weit die Amerikaner waren, so Walker. Auch Otto Hahn habe nicht daran geglaubt, dass der Bau einer solchen Bombe innerhalb der nächsten 20 Jahre realisierbar sei.
Hitlers Atomprojekt scheiterte - trotz bemühter Wissenschaftler an fehlenden Ressourcen, politischer Priorität und technischen Hürden, während die USA massiv investierten und wichtige Durchbrüche erzielten.