Ende des 2. Weltkriegs: Zeitzeugen erinnern sich an 1945
80 Jahre Kriegsende:Das Ende des Schreckens - und ein Anfang
von Stephanie Gargosch, Sherin Al-Khannak
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Ab dem 2. Mai 1945 schwiegen die Waffen in Berlin. Sechs Tage später kapitulierte Deutschland. Doch die Traumata des Zweiten Weltkriegs hallen bis heute bei vielen Zeitzeugen nach.
Marianne Wachtmann floh im Mai 1945 als Siebenjährige mit ihrer Mutter von Ostpreußen nach Berlin, erlebte dort nochmal Zerstörung und Todesangst, dann das Kriegsende. 02.05.2025 | 2:33 min
Eine Handvoll Fotos hat Marianne Wachtmann noch. Die Mutter, damals, sie selbst ein kleines Mädchen, im weißen Kleidchen. Berlin, 1945, die zerbombte Stadt. Sorgsam hütet die heute 87-Jährige das etwas verschlissene Fotoalbum.
Die Angst von damals, vor den Bomben, vor der russischen Armee, die Mutter zu verlieren, selbst zu sterben, die hat sie nie ganz los gelassen. Und so erinnert sich Marianne Wachtmann an fast jedes Detail der Tage vor der Kapitulation:
Wenn Alarm war, strömten die Massen in die Bunker, alle in Angst, hoffentlich kommen nicht die Bomben, bevor wir außer Gefahr sind.
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Marianne Wachtmann, Zeitzeugin
Zeitzeugin Marianne Wachtmann (87) erlebte 1945 das Kriegsende in Berlin.
Quelle: ZDF
Vom Bunker in die Trümmer
Sechs Monate verbrachten Mutter und Tochter in einem Bunker, zusammen mit vierzigtausend anderen. Tag für Tag, ihre Puppe im Arm, die Gasmaske um den Hals. Über 360 Luftangriffe flog die britische und amerikanische Armee. 500.000 Wohnungen zerstörten die Bomben in Berlin, mehr als in jeder anderen deutschen Stadt.
Am 13. Februar 1945 bombardierte die britische und amerikanische Luftwaffe Dresden. Zum 80. Jahrestag erinnern sich Überlebende an die traumatischen Erlebnisse dieser Nacht.12.02.2025 | 2:49 min
In den Tagen vor dem 2. Mai tobte in Berlin eine der verheerendsten Schlachten des Krieges. Die Rote Armee rückte in die Stadt vor. Die Wehrmacht wehrte sich verzweifelt. Adolf Hitler, der mit den Nationalsozialisten die Welt mit Krieg und Massenmord überzogen hatte, nahm sich am 30. April das Leben. Hunderttausende Zivilistinnen und Zivilisten wurden eingekesselt, auch die siebenjährige Marianne und ihre Mutter:
Das war schrecklich. Auf der Straße lag alles rum, also auch Tote, bei uns in der Straße.
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Marianne Wachtmann, Zeitzeugin
Am Ende sollte der Zweite Weltkrieg weltweit über sechzig Millionen Menschenleben gefordert haben. Marianne Wachtmann überlebte, doch befreit fühlten sie und ihre Mutter sich nicht wirklich.
Die beiden werden aus ihrem Haus vertrieben, ziehen zu den Großeltern. Dort verstecken sie sich vor Vergewaltigungen. Die rote Armee hisst derweil ihre Fahne auf dem zerstörten Reichstag; ein ikonisches Bild der Geschichte.
Geschichten über "kleine Kämpfe ums Überleben, aber auch viele Beobachtungen am Rande", sagt Historiker Oliver Hilmes zu seinem Buch "Ein Ende und ein Anfang: Wie der Sommer 45 die Welt veränderte".02.05.2025 | 7:12 min
Berlin setzt die Aufarbeitung fort
Heute, achtzig Jahre später, sind die Narben der Stadt verblasst; die Trümmer verschwunden, die Erinnerung bleibt. Und Berlin trägt den Gedenktag nicht wie eine Last, sondern will erinnern, ermahnen, erklären. Geschichte nicht vergessen, damit sich das Leid des Nationalsozialismus nicht wiederholt.
80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sind die "Narben des Kriegs abgeheilt", neue Formen des Gedenkens ermöglichen zum Beispiel Apps. ZDF-Reporterin Stephanie Gargosch berichtet.02.05.2025 | 8:04 min
Neun Tage lang, vom 2. bis 11. Mai, werden in mehr als hundert Veranstaltungen die Tage von damals wieder sichtbar. Den Anfang macht die Open-Air-Ausstellung "… endlich Frieden?!" vor dem Brandenburger Tor. Bilder des Endes des Krieges werden dort gezeigt: die Trümmer, die Zerstörung, die Sieger, die Opfer auf allen Seiten und der Abgrund der Konzentrationslager.
Der Titel: "… endlich Frieden?!" weist darauf hin, dass der 8. Mai, nicht für sofortigen Frieden stand. Es war nur der Anfang, eines langen Weges zu einer stabilen Demokratie. Der lange Weg, der Aufarbeitung der Gräueltaten während des Nationalsozialismus, auch durch Gedenktage.
Die Niederlage von Stalingrad 1943 ist die Wende im Krieg. Während die Gestapo jeden Widerstand im Keim erstickt, beginnen 1944 die Todesmärsche zurück ins Reich.09.05.2021 | 45:22 min
Der Wunsch: "Nie wieder"
Zwischen den privaten Bildern aus Marianne Wachtmanns Fotoalbum damals und heute liegt ihr Leben: als Trümmerfrau an der Stalinallee, die Ausbildung zur Fotolaborantin in der DDR, Mauerfall, Wiedervereinigung. "Ich wünschte", sagt sie, "dass nie wieder Menschen einen so sinnlosen Krieg führen und sich umbringen und so viel Elend auf der Welt passiert".
Seit Februar 2022 ist der Krieg zurück, nicht in Berlin, aber in Europa. Dabei mahnen Marianne Wachtmann und viele Zeitzeugen mit ihr, das es nichts Wichtigeres gebe als den Frieden. Was trösten mag: 80 Jahre Frieden in Deutschland, dem Land der einstigen Täter, ist auch ein Zeichen dafür, dass es dauerhaft gelingen kann - das friedliche Miteinanderleben.