Erzgebirge: Wie Fluten 4.000 Jahre alten Bergbau enthüllten

Bergbautradition seit der Bronzezeit:Erzgebirge: Wie Fluten Geschichte des Bergbaus neu schrieben

von Andreas Singler

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Das Hochwasser 2002 spülte im Erzgebirge Zugänge zu einigen der ältesten Silberabbaustätten in Europa frei. Groß angelegte Forschung wies danach Bergbau vor fast 4.000 Jahren nach.

Gescannter Bergwerktunnel mit Hand, auf der Silberwürfel liegen

Nach der Jahrhundertflut 2002 reißen plötzlich Erdlöcher in Dippoldiswalde auf. Sie geben den Blick frei auf ein uraltes Bergwerk direkt unter der Altstadt.

02.12.2025 | 44:29 min

2002 - eine Jahrhundertflut traf den Osten Deutschlands und verursachte entlang seiner Flüsse Milliardenschäden. Doch auf ihr Konto ging auch ein unerwarteter Nebeneffekt für die Wissenschaft. In Dippoldiswalde, einer großen Kreisstadt im Erzgebirge unweit von Dresden und der tschechischen Grenze, traten plötzlich mitten in der Stadt Erdlöcher auf.

Die Fluten spülten Gänge und Schächte frei, die seit Jahrhunderten kein Mensch mehr betreten hatte: Spuren mittelalterlicher Silberbergwerke und Fenster in die damalige Bergbaukultur. Für Christiane Hemker vom sächsischen Landesamt für Archäologie war dies eine kleine Sensation:

Dippoldiswalde war überhaupt nicht bekannt für Bergbau aus dieser Zeit.

Dr. Christiane Hemker, Leiterin des Forschungsschwerpunktes Montanarchäologie im Landesamt für Archäologie Sachsen

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Bergbaugeschichte im Erzgebirge wird neu geschrieben

Alle anderen in Europa derzeit bekannten Bergwerke aus dieser Zeit wurden laut Christiane Hemker "von späteren Bergbauphasen überprägt". Dadurch seien die frühen Spuren der Anfänge weitgehend verwischt. "Wir wussten, bevor wir Dippoldiswalde entdeckt hatten, nichts über mittelalterlichen Bergbau und auch nichts über die Bergbauprozesse unter Tage aus archäologischen Quellen", so Hemker.  Die Wissenschaft vermag nun 300 Jahre weiter zurückzublicken als zuvor.

Sehen Sie die Doku "Entschlüsselt. Silber im Erzgebirge" am 5. Januar 2026 um 3:30 Uhr bei ZDFinfo oder jederzeit im ZDF-Streaming-Portal.


Dank der überraschenden Funde in Dippoldiswalde - Jahresringanalysen datierten die verbauten Hölzer bis ins Jahr 1185 - kann die Geschichte des mittelalterlichen Bergbaus in der Region mittlerweile neu geschrieben werden. Das liegt auch an der Durchführung des von der EU zwischen 2012 und 2018 geförderten ArchaeoMontan-Projektes für das gesamte Erzgebirge.

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Beschwerliche Arbeit in engen Stollen - und ein frühes Entwässerungssystem

Wie die ZDFinfo-Dokumentation "Entschlüsselt. Silber im Erzgebirge" zeigt, war der Bergbau im ausgehenden 12. Jahrhundert trotz der Beschwerlichkeit der Arbeit in engen, tiefen Stollen viel fortschrittlicher als erwartet.

Zwar dauerte es rund einen Monat, bis sich die Bergleute einen Meter weit in den Berg hineingegraben hatten. Andererseits zeugen Haspeln aus Holz und Gefäße aus Holz oder Leder davon, dass die Kumpel schon früh in der Lage waren, eindringendes Grundwasser selbst aus weiter Tiefe abzuschöpfen und abzuleiten: "Bei etwa 22 Meter unter Tage haben wir ein Stollensystem entdeckt, das viele der Bergwerke miteinander verbunden hat", berichtet Christiane Hemker.

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Wissenschaftliche Fortschritte durch virtuelle Archäologie

Möglich wurde der wissenschaftliche Durchbruch auch durch Methoden der virtuellen Archäologie. Die Technik "Structure from Motion (SfM)" erzielte spektakuläre Ergebnisse gerade dort, wo moderne Laserscantechnik in den alten, engen und einsturzgefährdeten Schächten an ihre Grenzen stieß.

SfM basiert auf Photogrammetrie. "Dabei werden überlappende Fotos eines Objektes oder Raumes aufgenommen und anschließend zu einer 3D-Ansicht zusammengesetzt", erklärt der britische Archäologe Mark Altaweel.

Solche 'digitalen Zwillinge' können bewahren, was in der realen Welt bereits zerstört wurde.

Prof. Mark Altaweel, University College London

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In einer tschechischen Höhle stoßen Forscher 1872 auf Spuren der legendären Bernsteinstraße. Können neue Hightechmethoden die Geheimnisse der historischen Handelsroute enthüllen?

02.12.2025 | 44:20 min

Bergbau im Erzgebirge seit fast 4.000 Jahren

Der Erdrutsch von Dippoldiswalde brachte nicht nur neue Erkenntnisse über den lokalen Bergbau. Die dadurch initiierten Forschungsprojekte sorgten für weitere Entdeckungen auf beiden Seiten des sächsisch-böhmischen Erzgebirges.

Auf der deutschen Seite rund um Altenberg belegten Zinnfunde in uralten Stollen, dass Bergbau im Erzgebirge nicht erst seit dem Mittelalter betrieben wurde, sondern bereits seit fast 4.000 Jahren, seit der Bronzezeit. Zinn ist für die Herstellung von Bronze ein unverzichtbarer Rohstoff. Es gibt nicht viele Fundorte davon in Europa. "Daher gilt das Erzgebirge nicht nur als eine der ältesten, sondern auch als eine der bedeutendsten Bergbauregionen des Kontinents", sagt Mark Maslin, Professor für Erdsystemwissenschaften am University College London.

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Quelle: dpa

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Über dieses Thema berichtete ZDFinfo in der Sendung "Entschlüsselt. Silber im Erzgebirge" am 02.12.2025 ab 22:25 Uhr.

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