Fachkräftemangel im Handwerk: So wollen Influencer das ändern
Fachkräftemangel in Deutschland:Wie Influencer für das Handwerk werben
von Jonas Joisten
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Viele junge Menschen entscheiden sich nach der Schule gegen eine Ausbildung. Influencer wollen das ändern und werben in sozialen Medien für das Handwerk - kann das gelingen?
Die Konjunkturflaute trifft das Handwerk spürbar. Besonders die Baukrise und fehlende Fachkräfte setzen vielen Betrieben zu. Die Lage bleibt angespannt.20.02.2025 | 1:35 min
Deutschlandweit bleibt im Handwerk rund jede zweite Stelle unbesetzt: Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) fehlten bundesweit im Zeitraum von Juli 2023 und Juni 2024 dort rund 113.000 Fachkräfte - und der Bedarf an Handwerkern wächst weiter an. Um diesem Trend entgegenzuwirken, zeigen einige Handwerker ihren Berufsalltag in den sozialen Medien. Kann so die Suche nach dringend benötigtem Nachwuchs gelingen?
Handwerkerin teilt ihren Alltag auf Social-Media
Über das Handwerk kursieren viele Vorurteile. Die Berufe seien dreckig, schlecht bezahlt und außerdem müsse man früh aufstehen. Die Influencer wollen mit diesen Vorurteilen aufräumen und zeigen, was der eigene Beruf zu bieten hat.
Jessica Jörges hat sich nach dem Abitur für eine Ausbildung zur Malerin entschieden. Ein Studium kam für sie damals nicht infrage - alles zu theoretisch. Heute ist Jörges Malermeisterin im Familienbetrieb und wird die Firma in der vierten Generation übernehmen.
Jedes Jahr bleiben Tausende Ausbildungsplätze im Handwerk unbesetzt. Viele Betriebe suchen händeringend Nachwuchs. Höchste Zeit, die Ausbildung attraktiver zu machen.12.09.2024 | 29:45 min
Mit dem Start ihrer Ausbildung 2016 hat sie angefangen, ihren Berufsalltag mit anderen Menschen zu teilen. Zunächst über einen Blog, dann über Instagram. Auslöser sei damals ihr Vater gewesen. Er habe sie damals gefragt, was sie sich unter einer Ausbildung zum Maler vorstellen würde. "Ich konnte das nicht beantworten. Ich war nie ein Kind, das in den Ferien im eigenen Betrieb mitgearbeitet hat", sagt die 27-Jährige.
Auf Instagram hat Jörges mittlerweile mehr als 10.000 Follower. Immer wieder würden junge Frauen auf sie zukommen und sagen, dass sie aufgrund ihres Kanals eine Ausbildung angefangen haben. Jessica Jörges hofft, dass sie durch ihren Kanal mehr Menschen für den Malerberuf begeistern kann.
Ich möchte einfach zeigen, wie viel Erfolg und Spaß man im Handwerk haben kann.
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Jessica Jörges, Malermeisterin
Auch Julia ist Influencerin. Sie möchte jungen Menschen das Handwerk näherbringen. Dafür besucht sie mit ihrem Camper Schulen in ganz Deutschland - ehrenamtlich.09.09.2024 | 1:15 min
Handwerker: "Social Media ist ein zusätzlichen Job"
Dass Social-Media-Aktivitäten neben dem Beruf auch negative Folgen haben können, hat Johannes Münkel im vergangenen Jahr gemerkt. Er hat täglich mehrere Storys und Beiträge für seine insgesamt 300.000 Follower auf Instagram und TikTok hochgeladen.
Laut Münkel entstehen mittlerweile mehr als 70 Prozent seiner Aufträge durch die Reichweite in den sozialen Medien. Zusätzlich habe der Betrieb einen Anstieg von Bewerbern für ein Praktikum und eine Ausbildung verzeichnen können.
Nach seiner Übernahme des Familienbetriebs litt seine Arbeit als Fliesenlegermeister allerdings unter der Social-Media-Tätigkeit. Auch gesundheitlich habe der 34-Jährige gespürt, dass es so nicht mehr weitergeht. "Mit meinen Erfahrungen würde ich heute nie mehr auf dieses Ding aufspringen." Es sei ein zusätzlicher Job neben dem eigentlichen Job als Fliesenleger gewesen. "Ich habe dafür einen hohen Preis gezahlt."
Im vergangenen Jahr wurden 20.000 Lehrstellen im Handwerk nicht besetzt. Der Fachkräftemangel in der Branche lässt viele Betriebe umdenken. Auch ein Thema auf der Handwerksmesse.28.02.2024 | 2:00 min
Handwerkskammer: "Es gibt keine verlorenen Wege"
Auch die Handwerkskammern unternehmen viel, um junge Menschen für das Handwerk zu gewinnen. Schulprojekte und eigene Beiträge auf Instagram, TikTok und Youtube sollen bei der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main neue Interessenten für das Handwerk anziehen. Hauptgeschäftsführer Christof Riess sieht viele Bereiche, in denen das Handwerk stärker beworben werden sollte. Sein Wunsch an die Politik: Werkunterricht soll an die Schulen zurückkehren.
Wer soll die Klimaberufe ergreifen? Das wird kein Akademiker tun, dazu brauchen sie ausgebildete Handwerker.
Einen großen Nachholbedarf sieht Riess außerdem bei der Wahrnehmung von Handwerksberufen in der Gesellschaft. Viele junge Menschen und Eltern würden häufig nicht die Vorteile sehen, die ein Beruf im Handwerk mit sich bringt. "Eltern müssen verstehen, dass das Handwerk Zukunftschancen bietet", sagt Riess.
Viele wissen laut Riess nicht, dass ein Meisterbrief im Handwerk einem Bachelorabschluss gleichgestellt ist. Auch mit einer abgeschlossenen Ausbildung mit der Note 2,5 - in Kombination mit einem Realschulabschluss - habe man eine Hochschulzugangsberechtigung. "Es gibt keine verlorenen Wege. Und das müssen wir den Eltern und jungen Menschen erzählen."
Quelle: dpa
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