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Abkommen mit Niederlanden:Kabinett stimmt Gasförderung vor Borkum zu
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Das Bundeskabinett hat dem umstrittenen Abkommen mit den Niederlanden zur gemeinsamen Gasförderung vor der Insel Borkum zugestimmt. Umweltschützer sorgen sich um das Wattenmeer.
Das Wattenmeer verändert sich im Das Bundeskabinett hat der Gasförderung vor Borkum zugestimmt. Experten warnen vor Konsequenzen für das Wattenmeer.
Quelle: dpa
Das Kabinett hat an diesem Mittwoch einem umstrittenen Abkommen mit den Niederlanden zur gemeinsamen Erdgasförderung vor der Nordsee-Insel Borkum zugestimmt. Mit dem Kabinettsbeschluss sind die rechtlichen Voraussetzungen für die Unterzeichnung des völkerrechtlichen Vertrags geschaffen. "Wir unterstützen die Niederlande bei der Förderung aus der grenzüberschreitenden Gaslagerstätte", erklärte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU). Das stärke die Versorgungssicherheit und den Gasmarkt.
Das sogenannte Unitarisierungsabkommen soll die Grundlage dafür bilden, dass beide Länder eine grenzüberschreitende Lagerstätte gemeinsam ausbeuten können. Bevor der Vertrag in Kraft treten kann, muss der Bundestag ihn noch per Gesetz ratifizieren. Über das Abkommen wird seit 2022 verhandelt.
Umweltschützer sehen Wattenmeer in Gefahr
Die Schutzgemeinschaft Deutsche Nordseeküste (SDN) hatte zuvor die Bundesregierung aufgefordert, das abkommen agzulehnen. "Nicht nur die Nordsee, sondern sogar das eigentliche Naturschutzgebiet Wattenmeer geraten immer mehr in den Sog einer steigenden Industrialisierung", sagte der SDN-Vorsitzende Gerd-Christian Wagner einer Mitteilung zufolge.
Er sehe die Gefahr, dass sich infolge des Abkommens weitere Gasförder-Projekte und andere wirtschaftliche Vorhaben in der Nordsee nur noch schwer verhindern ließen. "Ganz zu schweigen von der damit einhergehenden steigenden Bedrohung durch Unfälle, die insbesondere das Wattenmeer dauerhaft verseuchen könnten", sagte Wagner.
In der Schutzgemeinschaft haben sich nach eigenen Angaben rund 200 Mitglieder, darunter Kommunen an der Küste, Naturschutzvereine und Verbände, zusammengeschlossen.
Die biologische Vielfalt im Wattenmeer hat sich laut einer neuen Studie über Jahrzehnte stark verändert. Die Populationen vieler Fische, Pflanzen und Vögel gehen zurück, wie ein Forschungsteam der Universitäten Oldenburg und Groningen im Fachjournal "Global Change Biology" berichtet.
Die Forschenden stellten fest, dass sich das Ökosystem Wattenmeer im Lauf der Zeit merklich umorganisiert hat. Nur wenige Populationen blieben unverändert. So nahmen etwa die Bestände des Atlantischen Kabeljaus und der Plattfische ab, auch bei vielen Muscheln, Schnecken, Seegras und Salzwiesen sei ein rückläufiger Trend zu beobachten. Zu den Gewinnern gehören Neuankömmlinge im Watt wie die Pazifische Auster oder die Amerikanische Schwertmuschel.
Demnach sanken vor allem die Populationsgrößen von jenen Fischen, die das Wattenmeer als Kinderstube nutzen, von Pflanzen, die die Küstenlinie stabilisieren und seit den frühen 2000er-Jahren auch von Vögeln, die das Wattenmeer als Rastplatz entlang ihrer Migrationsroute oder als Brutstätte nutzen.
Demnach sanken vor allem die Populationsgrößen von jenen Fischen, die das Wattenmeer als Kinderstube nutzen, von Pflanzen, die die Küstenlinie stabilisieren und seit den frühen 2000er-Jahren auch von Vögeln, die das Wattenmeer als Rastplatz entlang ihrer Migrationsroute oder als Brutstätte nutzen.
Laut der Studie nahmen die meisten Populationen von Seevögeln zwar anfangs zu. Seit den späten 1990er- und frühen 2000er-Jahren sinkt die Anzahl vieler Watvögel und Möwen jedoch. Negative Entwicklungen traten häufig bei verwandten Arten auf. Die Forschenden gehen davon aus, dass diese Spezies ähnliche Überlebensstrategien haben und daher gemeinsam unter veränderten Umweltbedingungen leiden könnten. In weiteren Untersuchungen will das Team nun die Ursachen für die Veränderungen erforschen.
Die Wissenschaftler untersuchten systematisch und ganzheitlich, wie sich die Anzahl der Organismen pro Art und Standort im Wattenmeer mit der Zeit wandelte. Dafür sammelte das Team nach eigenen Angaben Daten von 200 Stationen entlang der Wattenmeerküste zwischen Den Helder in den Niederlanden und Blåvand in Dänemark. Die ältesten Informationen stammen aus dem Jahr 1900, seit den 1970er- und 1980er-Jahren gibt es mehr Angaben.
"Unsere Methode könnte somit dabei helfen, die lokale Gefährdung einzelner Arten frühzeitig zu erkennen", meint die Oldenburger Meeresökologin Anika Happe.
Quelle: dpa
"Unsere Methode könnte somit dabei helfen, die lokale Gefährdung einzelner Arten frühzeitig zu erkennen", meint die Oldenburger Meeresökologin Anika Happe.
Quelle: dpa
Niederländer wollen Gas fördern - auch auf deutschem Gebiet
Der niederländische Energiekonzern One-Dyas will aus einem grenzüberschreitenden Vorkommen nahe dem Wattenmeer Gas fördern. Er plant, von einer Bohrplattform auf niederländischem Hoheitsgebiet aus auch unter dem Meeresboden auf deutschem Gebiet Gas zu fördern. Der Energiekonzern schätzt, aus dem Feld über mehrere Jahre zwischen 4,5 und 13 Milliarden Kubikmeter Gas gewinnen zu können. Dies entspräche knapp sechs bis 16 Prozent der rund 80 Milliarden Kubikmeter, die Deutschland allein im Jahr 2024 verbraucht hat.
Das niedersächsische Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie hatte dafür 2024 eine auf 18 Jahre befristete Genehmigung erteilt.
Kritik aus Opposition und Landesregierung
In den vergangenen Tagen hatten neben mehreren Umweltschutzverbände auch Niedersachsens Landesregierung den Plan kritisiert, das Abkommen zu schließen, obwohl noch mehrere Gerichtsentscheidungen um die Erdgasförderung ausstehen. Die Eile in der Frage sei ungewöhnlich, hatte Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) gesagt.
Die Grünen lehnen das Vorhaben weiter ab. Deren klimapolitische Sprecherin, Lisa Badum, warf der Regierung vor, zu stark auf klimaschädliche fossile Energieträger zu setzen. "Wir stecken mitten in der schlimmsten Dürre seit Beginn der Aufzeichnungen, und Friedrich Merz will im Wattenmeer - und bald auch am bayerischen Ammersee - nach fossilem Gas bohren."
Das ist wie Feuerlöschen mit Brandbeschleuniger.
Lisa Badum, klimapolitische Sprecherin der Grünen
"Die Koalition muss raus aus dem Gasrausch und endlich von ihrer fossilen Sucht wegkommen", sagte Badum.
Quelle: dpa, Reuters
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