Schnelles Netz, digitale Verwaltung - möglich wäre das längst. Doch Bürokratie bremst nicht nur den Staat, sondern auch Unternehmen, die längst weiter sein wollen.
Zettelwirtschaft, Funklöcher, veraltete Software – im Jahr 2025 kämpfen viele mittelständische Unternehmen in Deutschland noch immer mit den Basics der Digitalisierung.18.08.2025 | 43:58 min
In den Büros von Timo und Philipp Wolfsdorf stehen die Aktenordner dicht an dicht. Die Brüder führen eine Druckerei in Ottersberg bei Bremen - drei Standorte, jede Menge Lieferscheine, Belege und Rechnungen. Eigentlich könnten sie ihre Unterlagen längst digital archivieren. Doch das Finanzamt verlangt weiterhin Papier - so lange kein zertifiziertes Verfahren genutzt wird. Für den Familienbetrieb ist das zu aufwändig. Also wird weiter ausgedruckt. Kürzlich haben sie sich sogar neue Drucker angeschafft.
Da könnte der Staat natürlich auch mal die Sachen ein bisschen einfacher gestalten. Das würde den ganzen Aufbewahrungsmechanismus deutlich vereinfachen für uns.
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Timo Wolfsdorf, Geschäftsführer von Froben Druck
Die „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ empfiehlt der Regierung 35 Maßnahmen zur Staatsmodernisierung – darunter eine zentrale Plattform für Sozialleistungen.14.07.2025 | 2:48 min
Deutsche sind zu perfektionistisch
Die Geschichte der Wolfsdorfs ist kein Einzelfall. Bürokratie und komplizierte Vorschriften gehören für viele Unternehmen zum Alltag - und bremsen den digitalen Fortschritt aus. Andrea Thoma-Böck kennt das aus eigener Erfahrung - sie leitet das Familienunternehmen Thoma Metallveredelung im schwäbischen Heimertingen. Selbst neue Entlastungsgesetze verpuffen, sagt sie, weil ständig neue Regelungen hinzukommen. Sie sieht das Problem nicht nur in der Gesetzesflut, sondern auch im deutschen Anspruchsdenken.
Wir sind ein Land von Ingenieuren und denken unglaublich kompliziert. Wir sind einfach viel zu schwerfällig und kriegen die PS nicht auf die Straße.
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Andrea Thoma‑Böck, Geschäftsführerin Thoma Metallveredelung
Dabei ist der Wille zur Digitalisierung da. Die meisten Unternehmen wissen, dass sie digitaler werden müssen, doch auf dem Weg dorthin sehen sie den Staat oft als Hindernis. Laut einer Bitkom-Umfrage vom März 2025 fordern neun von zehn Unternehmen von der Bundesregierung kurzfristige Maßnahmen zum Bürokratieabbau und zur Modernisierung der Verwaltung.
Auch Bauunternehmer und Planer fordern einen Bürokratieabbau, um die Instandsetzung der Infrastruktur voranzutreiben. 500 Milliarden Euro Sondervermögen stehen für den Ausbau bereit.09.06.2025 | 1:26 min
Neues Ministerium für Bürokratieabbau
Genau das will Karsten Wildberger nun liefern. Der CDU-Politiker und ehemalige Topmanager ist Deutschlands erster Minister für Digitalisierung und Staatsmodernisierung. Sein Auftrag: die Verwaltung digitalisieren und bürokratische Hürden abbauen.
Der Koalitionsvertrag steckt dafür ambitionierte Ziele: Bis 2029 sollen die Bürokratiekosten für die Wirtschaft um 25 Prozent sinken, Verwaltungsvorschriften um mindestens 20 Prozent reduziert werden - etwa durch den Abbau unnötiger Melde- und Dokumentationspflichten. Mit einem digitalen Bürgerkonto soll der Behördengang endlich einfacher werden.
Am Ende der Legislaturperiode hoffe ich, dass die Menschen sagen: Klasse, es ist viel passiert. Ich habe mehr Bandbreite, weniger weiße Flecken - und ich kann vieles digital erledigen, ohne mit fünf Zetteln aufs Amt zu müssen.
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Karsten Wildberger (CDU), Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung
Das neue Digitalministerium schürt große Erwartungen: Die Bürokratie-Kosten für die Wirtschaft sollen um ein Viertel runter.10.07.2025 | 4:09 min
Ob das gelingt? Unternehmerin Thoma-Böck bleibt skeptisch. Für sie ist der angekündigte Bürokratieabbau bislang vor allem eines: ein weiteres politisches Versprechen. "Dieser Bürokratieabbau von 25 Prozent - der ist für mich nicht messbar. Solange wir immer wieder neue Gesetze verabschieden, bringt das nichts. Wir müssen endlich aufhören, uns selbst zu behindern."
Mehr zu dem Thema sehen Sie der ZDF-Wiso-Doku: "Update überfällig: Wie digital ist die Wirtschaft?“ am Montag, 18.8., um 19.25 Uhr im ZDF. Oder jederzeit im ZDF-Streamingportal.