Wimbledon: Diskussion um Linienrichter nach Technik-Ausfall
Technik-Ausfall in Wimbledon:Diskussion um fehlende Linienrichter
von Jannik Schneider
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Erstmals in der 148-jährigen Tradition sind die Linienrichter beim Wimbledon-Turnier durch Künstliche Intelligenz ersetzt worden. Doch der KI unterlaufen auch Fehler.
Die russische Tennisspielerin Anastasia Pavlyuchenkova zeigte sich unzufrieden nach der Technik-Panne während ihres Spiels.
Quelle: AFP
Anastasia Pavlyuchenkova war am Sonntag die Leidtragende eines viel beachteten Aussetzers des "Live Electronic Line Calling" (ELC).
Der obligatorische Ausruf der KI nach einem Schlag der britischen Gegnerin Sonay Kartal im Wimbledon-Achtelfinale beim kritischen Spielstand von 4:4 und Vorteil Pavlyuchenkova ertönte nicht, obwohl der Ball zehn Zentimeter im Aus gelandet war. Wenige Sekunden später folgte stattdessen ein verwirrendes "stop, stop" aus den Lautsprechern.
Linienrichter durch KI ersetzt
Die Organisatoren des Rasenklassikers verzichten bei der 148. Auflage erstmals auf ihre stilsicheren und vielbeachteten Linienrichter, haben rund 300 Unparteiische vom Heiligen Rasen verbannt und durch KI ersetzt. Das hat medial für große Beachtung gesorgt.
Insgesamt fast 63 Millionen Euro Preisgeld werden beim Rasen-Klassiker in Wimbledon für die Spieler ausgeschüttet. Sorgenfrei lebt im Profitennis aber längst nicht jeder.
von Jannik Schneider
Längst nicht jedem gefällt, dass nun die KI allein entscheidet, ob ein Ball im Feld oder im Aus ist. Auf der ATP- und WTA-Tour ist das längst Alltag und nach den ersten sechs Tagen schien die Diskussionen in Wimbledon ebenfalls abgeebbt. Bis das System am Sonntag versagte.
Der Stuhlschiedsrichter musste den Spielerinnen und Fans mitteilen, dass die Technik nicht funktioniert hatte und der Ballwechsel deshalb wiederholt werden müsse. Das Problem laut Regelwerk: TV-Bilder dürfen nicht zur nachträglichen Betrachtung hinzugezogen werden.
Das "Live Electronic Line Calling" (ELC) der Firmen "Hawk Eye" und Hauptkonkurrent "FoxTenn" führt durch eine Kombination aus Kameras, Sensoren und Software dazu, dass die Flugbahn und der Abdruck eines Balls millimetergenau verfolgt wird. Der Court wird genau vermessen.
2025 wurde sogar bei Sandplatzturnieren, auf denen es früher Probleme gab, auf der Tour ohne Linienrichter agiert. Typisch Tennis: Die Verantwortlichen der French Open setzten dennoch auf Linienrichter, Spieler mussten sich wieder umgewöhnen.
Seit 2007 nutzte Wimbledon das Hawk Eye in der Form, dass Spieler dreimal pro Satz Entscheidungen der Linienrichter anfechten durften. Die Entscheidung wurde auf den Videoleinwänden gezeigt und brachte auch für die Fans eine neue Attraktion. Hatte der Spieler recht, jubelte das Publikum.
Kartal gewann den wiederholten Ballwechsel und das Spiel. Pavlyuchenkova sagte zum Schiedsrichter: "Weil sie von hier ist, können sie (die Verantwortlichen Anm. d. Red.) sagen, was sie wollen."
Du hast mir das Spiel weggenommen.
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Anastasia Pavlyuchenkova, Wimbledon-Teilnehmerin
Menschlicher Fehler?
Danach wandelte sie ihre Wut um, rettete sich in den Tiebreak und zog letztlich knapp mit 7:6, 6:4 in das Viertelfinale ein. Die Aufregung aber war so groß, dass sich das Turnier gezwungen sah, Medienanfragen mit einem Statement zu beantworten.
Es sei klar, dass das eigentlich optimal funktionierende ELC-System auf einem Teil der Aufschlagseite während dieses einen Spiels von den Betreibern des Systems irrtümlich deaktiviert wurde. Also doch ein menschlicher Fehler?
Der 7. Juli 1985 hat das Leben von Boris Becker und den deutschen Tennis-Sport. geprägt. 40 Jahre später ist er immer noch eine Ikone.
Neben der technischen Komponente und dem Thema der Vereinheitlichung geht es bei der Diskussion in Wimbledon um das Flair und die menschliche Komponente, die Linienrichter zum prestigeträchtigsten Tennisturnier der Welt beitrugen. Dass das System weniger Fehler macht als das menschliche Auge bestreitet keiner aus dem rund 300 Köpfe umfassenden Linienrichterpool, der 2025 auf 80 reduziert wurde. Zwei pro Platz assistieren den Stuhlschiedsrichter weiter, beispielsweise bei der Begleitung von Spielern bei Toilettenpausen.
Unterschiedliche Meinungen unter Spielerinnen
Die topgesetzte Aryna Sabalenka sagte zu Turnierbeginn, dass sie "50/50“ sei, aber "wahrscheinlich zum elektronischen System tendiert“, weil damit die Frage der Anfechtung einer Entscheidung des Linienrichters entfällt.
Ein Bild aus dem vergangenen Jahr: Linienrichter bei Wimbledon
Quelle: IMAGO / Hasenkopf
Titelverteidigerin Barbora Krejčíková erklärte, dass sie "den alten traditionellen Stil mag“, während der amerikanische Star Frances Tiafoe den Nervenkitzel genoss, einen Linienrichter anfechten zu können.
An den Courts schießen 2025 je sechs bis acht grüne, rund drei Meter große Posten mit hochauflösenden Hightech-Kameras aus dem Boden. Der englische "Telegraph" schrieb, die Neuerung an den Plätzen habe einen einschüchternden Effekt: "So halb erwartet man, dass diese Roboter zu Leben erwachen.“ Doch es erwacht nichts.
Linienrichter sorgten für Hingucker
Nur die so stilsicheren Linienrichter sterben aus. In ihrem eleganten, von Ralph Lauren ausgestatteten Dress sorgten sie stets für einen Hingucker.
Der ehemalige Linienrichter Andrew Jarrett erklärte CNN trotz seines Wehmuts, dass die Entwicklung richtig sei. Als Problem benannte er den bald fehlenden Schiedsrichternachwuchs, wenn diese nicht zu großen Turnieren dürften. Denn die besten Stuhlschiedsrichter der Welt, und die benötigt es weiter, fangen in der Regel immer als Linienrichter an.
Quelle: Reuters
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