Nachruf auf Niki Pilic: Als Boris Becker zu spät zum Training kam

Nachruf auf Niki Pilic:Als Boris Becker zu spät zum Training kam

Autorenbild Aris Donzelli
von Aris Donzelli
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Als Spieler und als Davis-Cup-Kapitän eine Respektperson - so hat ZDF-Reporter Aris Donzelli die verstorbene Tennis-Legende Niki Pilic in Erinnerung. Ein Nachruf.

Boris Becker (li.) im Gespräch mit Teamchef Niki Pilic

Kapitän und Vaterfigur, auch für Boris Becker (links): Niki Pilic.

Quelle: Imago / Kosecki

Niki Pilic hatte viele treffende Spitznamen: "Mr. Davis Cup", angelehnt an die erfolgreiche Zeit, in der er als Davis-Cup-Kapitän Deutschland drei Mal den begehrtesten Mannschaftstitel im Tennis einbrachte. 1988 war er so etwas wie ein Ersatzvater für seine Mannschaft. Boris Becker, Carl-Uwe Steeb, Patrick Kühnen, Eric Jelen sind unter ihm gewachsen.

Der Finalerfolg im Jahr 1988 mit einem 4:1 in Göteborg gegen Schweden war eine Überraschung, die Becker erst ermöglicht hat. Aber Steebs Sieg gegen French-Open-Sieger Mats Wilander war die Sensation.

Archiv: Davis Cup Finale, BR Deutschland - Schweden in Stuttgart, v.li.: Patrik Kühnen (BRD), Mats Wilander (Schweden), Boris Becker, Eric Jelen (BRD), Jan Gunnarsson (Schweden), Carl Uwe Steeb und Teamchef Niki Pilic (beide BRD)

Der zweite deutsche Triumph im Tennis-Davis-Cup, 1989 wieder gegen Schweden: Die Partie Boris Becker gegen Mats Wilander mit dem Original-Kommentar von Rainer Deike.

07.05.2020 | 139:26 min

Ein Jahr später in Stuttgart - wieder gegen Schweden - triumphierte das deutsche Team erneut. Und 1993 folgte unter Pilics Führung der letzte der drei Davis-Cup-Siege Deutschlands.

Niki Pilic vom Kapitän zum Berater

Seinen letzten Erfolg als Mannschaftskapitän hatte Niki Pilic 2005 mit Kroatien. Als Berater für Serbien half er Novak Djokovic und Co., 2010 den Davis Cup zu gewinnen, bevor er von 2015 bis 2017 zum Deutschen Tennis-Bund zurückkehrte, ebenfalls als Berater.

"Tennis-Legende" - auch einer seiner mit viel Respekt versehenen Beinamen. In seiner aktiven Zeit war der Linkshänder einer der härtesten Aufschläger, dazu ein druckvolles Grundlinienspiel.

Niki Pilics Einfluss aufs Welt-Tennis

1973 - Finale French Open. Dort unterlag er Ilie Nastase, dem Ballzauberer der damaligen Zeit. Pilic wurde knapp einen Monat später vom Tennis-Weltverband für Wimbledon gesperrt. Angeblich hatte er sich geweigert, im jugoslawischen Davis-Cup Team gegen Neuseeland anzutreten.

Boris Becker gewinnt Wimbledon 1985

Im Juli 1985 gewann der damals 17-jährige Boris Becker als jüngster Spieler und erster Deutscher das bedeutende Tennisturnier Wimbledon. In Deutschland wurde er dafür als Nationalheld gefeiert.

08.07.2025 | 9:18 min

13 von 16 gesetzten Spielern sagten daraufhin das Turnier aus Protest ab. Insgesamt waren es 81 Spieler, die sich mit ihm solidarisch zeigten. Eine Geste, die deutlich macht, wie sehr Niki Pilic im Welttennis zu Beginn der 1970er-Jahre respektiert wurde.

Niki Pilic wird 1987 Deutscher

Ein weniger bekannter Beiname war "Der Deutsche" oder "Preuße vom Balkan". Nicht nur, weil er 1987 die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hatte. Ganz einfach, weil Niki Pilic eine durchaus deutsch anmutende Arbeitsethik hatte.

Das begann mit Pünktlichkeit. 1992, Olympische Spiele: Ein paar Tage vor dem Start hatte Niki Pilic für Boris Becker Training angesetzt. Als 15 Minuten vergangen waren, ohne dass Becker erschien, blickte Pilic zu mir und sagte: "Nimm einen meiner Schläger. Lass uns ein paar Bälle schlagen!"

Training mit dem Reporter - statt Boris Becker

Meine Befürchtung, dass sich das nicht besonders gut machen würde, wenn Becker plötzlich um die Ecke käme, konterte er mit: "Dann muss halt Boris warten."

Es war ein schwül heißer Spätnachmittag im Vall d’Hebron, wo das olympische Tennisturnier ausgetragen wurde. Becker kam fast eine halbe Stunde nach der verabredeten Zeit, ging wortlos auf den Platz, den ich wenige Minuten zuvor rechtzeitig verlassen hatte, und fügte sich einem extra harten Training ohne mit der Wimper zu zucken. Wissend und sprichwörtlich fühlend was er falsch gemacht hatte.

Auch Djokovic ein Pilic-Schützling

Niki Pilic führte in München sein Tenniszentrum. In Oberschleißheim bildete er junge Spieler aus, bereitete die Davis-Cup-Mannschaft vor. Auch Michael Westphal wuchs sportlich unter seiner Betreuung.

Einer seiner Schützlinge im Tennis-Camp spielt heute noch - und er hat einen Namen wie Donnerhall: Novak Djokovic, dessen Deutschkenntnisse auf jene Zeit in Oberschleißheim zurückzuführen sind.

Täglich 15 Liegestütze

Das Tennis-Camp gibt’s nicht mehr. Niki Pilic zog an die Riviera Kroatiens nach Opatija, wo er bis ins hohe Alter seine unerschütterliche Arbeitsethik weiterlebte: 15 Liegestütze zum Start in den Tag, dann auf den Tennisplatz. Unterbrochen von einem Tag: Sonntags ging er in die Kirche.

Niki Pilic starb im Alter von 86 Jahren. Die weltweite Tennisfamilie wird ihn vermissen.

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