Leichtathletik: Hammerwerferin Nova Kienasts Uhr tickt anders

U20-EM-Gold im Hammerwurf:Leichtathletik: Nova Kienasts Uhr tickt anders

von Johannes Fischer
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Die Hammerwerferin Nova Kienast holt bei der U20-EM in Finnland Gold für Deutschland. Die 18-Jährige mit besonderem Zeitgefühl gilt als großes Versprechen für die Zukunft.

Nova Queen Kienast
Ihre Zeit beim Wurf geht langsamer: Nova Kienast holt mit dem letzten Versuch EM-Gold.
Quelle: Imago

Als Nova Kienast bei der U20-Europameisterschaft im finnischen Tampere zu ihrem letzten Versuch in den Ring stieg, ging es um alles oder nichts. Ihre Konkurrentinnen hatten sie zuvor aus den Medaillenrängen katapultiert, sodass die 18-Jährige den Hammer nahe an ihre persönliche Bestweite von 68,54 Meter werfen musste, um nicht leer auszugehen.
"Mein vierter und fünfter Versuch waren weit, landeten aber außerhalb des Sektors", sagt Kienast.

Dann habe ich versucht, mich zu sammeln, weil ich nur noch diese eine Chance hatte, um aufs Podium zu kommen.

Nova Kienast, Hammerwerferin

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Konzentration ist alles

Sie habe vor dem Finale mit Tabea Werner, der Sportpsychologin im DLV-Team, gesprochen und sei mit ihr verschiedene Möglichkeiten durchgegangen, die im Wettkampf auf sie zukommen könnten - unter anderem auch die mentale Drucksituation vor dem finalen Wurf.
Es half: Kienast blieb fokussiert, schleuderte das Gerät auf 67,93 Meter und verdrängte damit die Französin Marie Rougetet (67,38 Meter) und die Lokalmatadorin Pinha Kärhä (66,07 Meter) auf die Plätze. Es war die erste internationale Goldmedaille für die Athletin des SSC Berlin, nachdem sie schon 2024 Bronze bei der U18-EM gewonnen hatte.

Kienast trainiert unter Meistercoach Armstrong

Kienast gilt als großes Versprechen für die Zukunft. Vor knapp einem Jahr machte sie sich ins kanadische Kamloops (Provinz British Columbia) zum Meistercoach Dylan Armstrong auf, der kurz zuvor den Kanadier Ethan Katzberg im Hammerwurf zum Olympiasieg in Paris geführt hatte. Dem früheren Kugelstoßer Armstrong eilt der Ruf voraus, die größten Talente zu erspähen und sie zu Weltklasseathleten formen zu können.
Armstrong lernte Kienast in einem Trainingslager in Portugal kennen und sah in ihr offenbar dieses große Potenzial und holte sie in sein Trainingszentrum nach Kanada. Bereits wenige Monate später pulverisierte sie die U18-Weltbestleistung mit dem Drei-Kilo-Hammer (im Erwachsenenbereich ist er ein Kilo schwerer) um über zwei Meter auf 78,34 Meter.
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Kienasts Wahrnehmung von Zeit ist langsamer

Dabei profitiert die deutsche Teenagerin von einem neurologischen Phänomen, das ihr im Ring subjektiv mehr Zeit lässt. Wenn Kienast den Hammer kreisen lässt, dann nimmt sie die Bewegungen langsamer wahr, als sie tatsächlich passieren.
"Im Video sehe ich den Wurf, der ungefähr zweieinhalb Sekunden dauert", erklärt sie. Im Ring fühle er sich allerdings wesentlich länger an, sodass ihr mehr Zeit für etwaige Korrekturen bleibe.

Kraft und Geschwindigkeit müssen kontrolliert werden

In Tampere habe Kienast allerdings das Gefühl gehabt, dass sie sich bremsen müsse, weil sie ihre Kraft und Geschwindigkeit im Ring noch nicht adäquat kontrollieren konnte. "Aber das ist für das erste U20-Jahr wahrscheinlich normal", mutmaßt sie.
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Ihren Plan, bereits mit 18 Jahren zur Leichtathletik-WM nach Tokio (13. bis 21. September) zu fliegen, musste sie bereits im Frühjahr begraben - ihr Abitur ging vor.
"Ich habe Anfang des Jahres nach drei Monaten Training in Kanada meine Bestweite geworfen, danach bin ich nach Berlin geflogen und musste mich ums Abi kümmern." Kienast weiter:

Dann bin ich auf Weiten um die 65 Meter runtergerutscht und es war klar, dass es noch nicht reichen würde.

Nova Kienast, Hammerwerferin

Nächste Saison will Kienast durchstarten

Das soll sich aber im kommenden Jahr ändern, dann will Nova Kienast ohne Abiturstress auch bei den Arrivierten mitmischen.
"Nächstes Jahr steht die U20-WM in Oregon an", sagt sie. "Und was ich noch mit dem deutschen Team besprechen muss: Ich würde sehr gerne bei der Erwachsenen-EM in Birmingham starten, auch wenn die nur zwei Tage danach beginnt." Mit einem weiteren U20-Titel in der Tasche hätte sie bestimmt gute Argumente für ihr Anliegen.
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Quelle: Reuters

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