Massa gegen Formel 1: Der Streit um den verlorenen Titel von 2008

Crash, Vertuschung, Millionenklage:Massa gegen Formel 1: Der Streit um einen verlorenen Titel

von Karin Sturm

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Noch ist nicht raus, ob und wie viel Schadenersatz Felipe Massa bekommt. In der Vorverhandlung ums so genannte "Singapur-Crashgate" flogen jedenfalls die Fetzen.

Nelson Piquet Jr. (Brasilien Renault) crasht mit seinem Boliden in die Mauer (2008)

Der Crash, bei dem Felipe Massa die Verschwörung wittert: Der Renault von Nelson Piquet jr. landete an der Mauer.

Quelle: Imago

Jetzt muss Massa warten: Nach einer viertägigen Vorverhandlung vor dem Londoner High Court hat der zuständige Richter zunächst eine Entscheidung vertagt: Ob er eine Hauptverhandlung zulassen oder die Klage direkt abweisen würde, werde er "in einiger Zeit" bekanntgeben. Was nach Einschätzung britischer Rechtsexperten eher Wochen als Tage bedeuten dürfte.

Der Ex-Formel-1-Pilot aus Brasilien gibt sich dennoch zuversichtlich: "Ich hoffe, dass das Gericht die Versuche der Beklagten erkennt, eine öffentliche Verhandlung der schwerwiegenden Vorwürfe gegen sie zu verhindern."

Heftige Auseinandersetzungen der Anwälte

In den Anhörungen fetzten sich die Anwälte teilweise heftig. Nick De Marco, ein von Massa engagierter britischer Star-Anwalt, erklärte, dass die damaligen Verantwortlichen der Formel 1 an einer "vorsätzlichen Vertuschung" der Ereignisse in Singapur beteiligt gewesen seien, um ihre eigenen Interessen zu schützen. Was erst durch eine entsprechende Aussage von Ex-Formel-1-Chef Bernie Ecclestone im Jahr 2023 klar geworden sei.

Massa wittert eine Verschwörung. Der Unfall von Nelson Piquet jr. sei absichtlich herbeigeführt worden: Beim Grand Prix von Singapur 2008 lag Massa souverän in Führung, als Piquet sein Auto in die Mauer setzte.

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In der anschließenden Safety-Car-Phase fiel Massa durch Chaos bei seinem Boxenstopp weit zurück, während sein WM-Rivale und späterer Weltmeister Lewis Hamilton als Dritter wertvolle Punkte holte. Massa-Anwalt De Marco spricht von einem der "größten Skandale der Sportgeschichte".

Vorwurf Massa: Reglement-Verstoß der FIA

In Massas Antrag heißt es, "dass die FIA gegen ihr Reglement verstoßen hat, indem sie den Unfall [...] nicht unverzüglich untersucht hat und dass Herr Massa bei ordnungsgemäßem Vorgehen in jenem Jahr die Formel-1-Fahrerwertung gewonnen hätte."

Formel-1-Fahrer Felipe Massa fährt mit Tankschlauch los. (2008)

Zum Piquet-Crash kam für Massa noch der völlig verkorkste Boxenstopp im selben Rennen: nach grünem Licht vom Team fuhr er los, jedoch steckte der Tankschlauch noch im Auto.

Quelle: AP

Hintergrund: Rückwirkende Änderungen von Ergebnissen sind laut den Statuten des internationalen Motorsport-Verbands (FIA) nach dem 31. Dezember der betreffenden Saison nicht mehr möglich.

Und natürlich geht es dann ums Geld, um Schadensersatz "für den erheblichen finanziellen Verlust, den er aufgrund des Versagens der FIA erlitten hat, an dem auch Herr Ecclestone und die FOM mitschuldig waren", so die Massa-Seite. Inzwischen ist - durch eingerechnete Zinsen - von 64 Millionen Pfund, knapp 73 Millionen Euro, die Rede.

Ecclestone-Anwalt: Persönliche Angriffe gegen Massa

Die Anwälte der Gegenseite schlugen heftig zurück, griffen Massa teilweise persönlich an: "Herrn Massas schwache Leistung im Rennen hatte nichts mit dem Unfall zu tun, ebenso wenig wie Lewis Hamiltons starke Leistung", hieß es von Ecclestone-Vertreter David Quest.

Außerdem ignoriere die Klage "auffällig eine Reihe eigener Fehler sowie die seines Teams Ferrari während des Grand Prix von Singapur und in anderen WM-Läufen".

Massa fehlte am Saisonende ein Punkt

Anneliese Day, Anwältin des Formel-1-Management (FOM), argumentierte, dass Massas gescheiterter Titelkampf schlicht darauf zurückzuführen sei, "dass Hamilton im Laufe der Saison besser als Massa performt hat". Am Ende war Hamilton um einen Punkt besser als Massa.

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Im Übrigen, so der allgemeine Tenor, habe Massa schon 2008 oder spätestens 2009 genügend Informationen gehabt, um zu klagen. Die Sache sei deshalb verjährt.

Wie geht es weiter im "Singapur-Crashgate"?

Wird die Klage zugelassen, könnte sich das Verfahren noch Monate, wenn nicht Jahre in die Länge ziehen. Ob und wie viel Schadenersatz Massa am Ende tatsächlich bekommen würde, steht in den Sternen.

Wobei es dem Brasilianer ja auch grundsätzlich um "Gerechtigkeit" geht. Bei vielen Motorsport-Fans und Medien findet er dafür freilich kein Verständnis - selbst wenn die Verantwortlichen damals wohl zumindest etwas fragwürdig agierten. Am meisten verdienen würden wahrscheinlich die Anwälte.

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