Nationale Anti Doping Agentur: Dopingsünder unter Datenschutz
Nationale Anti Doping Agentur:Dopingsünder unter Datenschutz
von Christoph Schneider
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Namen von Dopingsündern werden von der NADA nicht mehr aus eigenem Antrieb heraus veröffentlicht - und das offenbar schon seit Jahren - aus rechtlichen Gründen. Ist das zulässig?
In Deutschland dürfen bei Dopingfällen die Namen nicht genannt werden - wegen Datenschutz. NADA-Chef Lars Mortsiefer hofft, dass der EuGH das deutsche Gesetz kippt.03.06.2025 | 3:47 min
Die Nachricht ließ aufhorchen, die die ARD-Dopingredaktion vor ein paar Tagen publik machte: Demnach veröffentlicht die Nationale Anti Doping Agentur (NADA) aus Sorge vor juristischen Konsequenzen seit März 2020 aus eigenem Antrieb heraus keine Sanktionsentscheidungen gegen Dopingsünder mehr.
Die rechtlichen Risiken seien zu hoch und die Datenschutzregelungen nicht eindeutig, argumentiert die NADA. Nach "Sportschau"-Berechnungen geht es um eine Zahl, die zwischen 70 und 130 Dopern schwankt.
Datenschützer in NRW sehen keine Rechtsgrundlage
Entscheidend für diese wenig öffentlichkeitsfreundliche Haltung: Ein vor über fünf Jahren eingeleitetes Prüfverfahren der für die NADA zuständigen Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW, das noch immer nicht abgeschlossen ist.
Demnach sei die Veröffentlichung personenbezogener Daten nicht zulässig, weil dafür eine Rechtsgrundlage fehle. In einer aktuellen Stellungnahme verteidigt die NADA ihre Position und gibt an, alle Verstöße in anonymisierter Form im jeweiligen Jahresbericht aufzuführen. Und alle zuständigen Stellen, wie zum Beispiel die Deutsche Sporthilfe, würden "zeitnah und umfassend informiert", so die NADA.
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Zwei gegensätzliche Rechtspositionen
Es geht um zwei Rechtspositionen, die es abzuwägen gilt. Zum einen gibt es die Pflicht der NADA aus dem Welt-Anti-Doping-Code, Sanktionsentscheidungen zu veröffentlichen. Zum anderen ist da die Rechtsauffassung mancher Datenschutzbehörden, dass die Veröffentlichung der Namen der Athletinnen und Athleten, gegen die eine rechtskräftige Sanktion verhängt wurde, nicht mit deutschem und europäischen Datenschutzrecht vereinbar ist.
Würde die NADA systematisch Sanktionsentscheidungen veröffentlichen, wäre sie einem hohen Haftungs- und Regressrisiko ausgesetzt.
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Klare Fälle könnten genannt werden
Fälle wurden von der NADA erst eingeräumt, wenn es medial konkrete Nachfragen gab. So wurde laut ARD-Recherchen einer der besten Kanuten Deutschlands, Martin Hiller, im Februar für vier Jahre wegen Dopings gesperrt. Die NADA machte das erst vor wenigen Tagen publik.
Kanute Martin Hiller
Quelle: Imago
Im Oktober 2024 wurde Hiller demnach positiv getestet, eine weitere Kontrolle sei ebenfalls positiv gewesen. Der Athlet habe keinen Einspruch eingelegt und akzeptiere seine Sperre.
Dieser Fall müsse doch öffentlich werden, denn "wenn man positiv ist, ist man positiv - und da hat die sportliche Karriere am Ende nichts mit zu tun", so Athletensprecher Patrick Dogue, moderner Fünfkämpfer.
Richtungsweisendes Verfahren vor dem EuGH
Eine Änderung der deutschen Sichtweise könnte möglicherweise durch ein aktuelles Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) bewirkt werden. Es geht um die Praxis der österreichischen NADA, die die Veröffentlichung von Dopingsanktionen mit der Datenschutzgrundverordnung der EU (DSGVO) für vereinbar hält.
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Diese Verhandlung hat weitreichende Auswirkungen bezüglich Transparenz, Glaubwürdigkeit und Integrität des Sports. Denn in Österreich läuft es genau anders als in Deutschland. Dort werden regelmäßig die vollständigen Namen betroffener Athletinnen und Athleten, deren ausgeübte Sportart und Verstoß genau angegeben. Die österreichische NADA informiert darüber in Pressemitteilungen.
Abwägung zwischen Datenschutz und Transparenz
Auch hier geht es aber zuerst um eine sorgfältige Abwägung zwischen dem Schutz der Privatsphäre der betroffenen Personen und dem berechtigten öffentlichen Interesse an Transparenz und Chancengleichheit im Sport.
Dabei sind rechtliche wie ethische Vorgaben zu berücksichtigen, um die Persönlichkeitsrechte zu wahren. So kann eine Veröffentlichung bei Freizeitsportlern, Minderjährigen oder besonders schutzwürdigen Personen ausgeschlossen sein.
Der EuGH muss nun klären, ob es sich bei den veröffentlichten Daten um besonders schutzwürdige Informationen handelt, und ob deren Veröffentlichung zulässig ist. Die Entscheidung des EuGH ist weltweit richtungsweisend, wie bei den Veröffentlichungen von Anti-Doping-Verstößen verfahren werden soll. Ein Urteil wird in den kommenden Monaten erwartet, dem sich dann auch die Deutsche NADA anschließen müssen wird.
Christoph Schneider ist Redakteur in der Fachredaktion Recht & Justiz des ZDF.
Quelle: Reuters
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