Delir als Risiko nach Narkosen: Symptome und Prävention

Gehirn aus dem Gleichgewicht:Delir nach Operation mit Narkose

von Gunnar Fischer
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Verwirrtheit, Realitätsverlust und psychomotorische Einschränkungen: Nach Operationen mit Narkose sollte das Risiko für ein Delir nicht unterschätzt werden. Wie man vorbeugen kann.

Delir
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Vor dem Eingriff war der Angehörige noch agil und fit, nach der Operation im Krankenhaus ist er plötzlich nur noch verwirrt und desorientiert: Insbesondere Intensivpatienten kann es so ergehen, wenn sie aus der Narkose erwachen.
Die Wahrscheinlichkeit an einem Delir zu erkranken, steigt mit dem Lebensalter, der Schwere der Erkrankung und der Größe des Eingriffs. Viele Fälle werden nach stationär durchgeführten Operationen beobachtet, die mit einer länger andauernden Narkose einhergegangen sind.

Bewusstseinsstörungen als wichtiges Anzeichen

Beim postoperativen Delir treten die Symptome oft zwischen dem zweiten und siebten Tag nach der Operation auf und dauern etwa drei bis vier Tage an. Dazu zählen Funktionsstörungen des Gehirns, die sich auch über mehrere Wochen hinziehen können.
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Betroffene geraten in einen Zustand geistiger Verwirrtheit und Desorientierung. Sie leiden an Halluzinationen und Bewusstseinsstörungen. Ralf-Joachim Schulz, Internist und Geriater am St. Marien-Hospital in Köln, kennt sehr eindrückliche Delir-Erlebnisse bei Patienten.

Es gibt Patienten, die beschreiben, dass das Wasser die Wände runterläuft, wenn sie wach werden.

Prof. Dr. Ralf-Joachim Schulz, Geriater

Beim Delir unterscheiden Mediziner zwei typische Erscheinungsformen:
  • Beim hyperaktiven Delir agieren die Betroffenen unruhig und sind auffällig laut. Dabei wird manchmal auch ein aggressives Verhalten beobachtet. Die Patienten reißen sich im Krankenbett unter Umständen Schläuche und lebensnotwendige Zugänge heraus und schreien oder schlagen um sich.
  • Beim hypoaktiven Delir verhalten sich die Patienten hingegen eher introvertiert und apathisch. Sie sind stark verängstigt und wollen beispielsweise nicht mehr aufstehen. Ein hypoaktives Delir wird häufig übersehen und spät erkannt, da die Betroffenen leise und kaum ansprechbar sind.

Was ein Delir von einem Durchgangssyndrom unterscheidet

Jahrelang wurde die Funktionsstörung des Gehirns als "Durchgangssyndrom" bezeichnet und damit oft bagatellisiert. Mit dem Begriff wurde die Annahme verbunden, dass im Zuge der Operation nur mit einem vorübergehenden Verwirrtheitszustand zu rechnen sei, der vergleichsweise harmlos ist.
Heute ist bekannt, dass ein Delir nicht nur den Heilungsverlauf beeinträchtigen kann, sondern auch lebensbedrohliche Komplikationen drohen. "Jeder zweite Delir-Patient ist akut gefährdet, an den Komplikationen eines Delirs durch Stürze, durch Nierenversagen oder aber Infektionen zu versterben," betont Schulz.
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Unklare Auslöser für Delir

Warum das Gehirn gerade nach großen, stationär durchgeführten Eingriffen aus dem Gleichgewicht gerät, ist nicht restlos geklärt. Offenbar handelt es sich um eine Kombination verschiedener Auslöser. Dazu gehören krankheitsbedingte Entzündungsreaktionen im Körper sowie Medikamente, die eine Wechselwirkung mit Narkosemitteln haben können. Das ist oft dann der Fall, wenn Patienten viele verschiedene Medikamente gleichzeitig einnehmen.

Maßnahmen zur Prävention eines Delirs

Um der Entwicklung eines Delirs vorzubeugen, werden die Dauer der Anästhesie, die Narkosebelastung sowie die Anzahl der verabreichten Medikamente genau geprüft. Schulz empfiehlt vor operativen Eingriffen eine sogenannte Medikamententoilette. Das bedeutet, dass bestimmte Medikamente, wenn möglich, von den behandelnden Ärzten rechtzeitig vor der Operation abgesetzt werden.

Immer mehr Krankenhäuser setzen bei der räumlichen Gestaltung im Aufwachraum und auf den Stationen auf innovative Farb- und Lichtkonzepte. Diese sollen den Patienten eine bessere zeitliche und räumliche Orientierung geben.

So ist zum Beispiel eine automatische Licht-Simulation möglich, die den natürlichen Tag-Nacht-Rhythmus nachempfinden lässt. Auch sogenannte Orientierungswände, die in verschiedenen Farbtönen angestrichen sind, tragen dazu bei, dass sich Patienten in der fremden Umgebung einer Klinik besser zurechtfinden.

Zuwendung hilft, Patienten vor einem Delir zu bewahren oder sie schneller wieder aus diesem Zustand herauszuholen. In einigen Krankenhäusern kümmern sich speziell geschulte Pflegekräfte vor und direkt nach der Operation um "delirgefährdete" Personen. Sie achten auf eine frühzeitige Mobilisation und schnelle Orientierung.
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Untersuchungen zeigen, dass Patienten in der fremden Krankenhausumgebung großen Ängsten und hohem Stress ausgesetzt sind. Dem entgegenzuwirken sei wichtig, um das Risiko für ein Delir zu reduzieren, so Schulz.

Die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten beim Delir sind begrenzt.

Prof. Dr. Ralf-Joachim Schulz, St. Marien-Hospital, Köln

Wichtig sei, eine Tagesstruktur und zeitlich räumliche Orientierung herzustellen, so Schulz.

Um das Risiko für ein Delir zu minimieren, können Patienten und Angehörige einiges beachten: Zur besseren Orientierung sollten persönliche Gegenstände wie Brille, Gebiss, Hörgeräte und Kleidung dabei sein. Außerdem hilft es einen Kalender und eine Uhr aufzustellen. Durch Fotos von nahestehenden Personen und Bücher können Erinnerungen geweckt werden.

Außerdem sind Besuche von vertrauten Personen kurz nach der Operation und in der Zeit danach wichtig. Kleine Strecken innerhalb der Station sollten gemeinsam gegangen werden. Angehörige sollten mit der Person sprechen, die Hand halten und sie beruhigen. Es ist hilfreich, aus dem Lieblingsbuch oder der Tageszeitung vorzulesen. Vertraute persönliche Kontakte sind in dieser Zeit durch nichts zu ersetzen.

Delir kann ausheilen

Ein Delir ist sowohl für die Betroffenen als auch für die Angehörigen eine schwierige und herausfordernde Situation. Rund 25 Prozent der Patienten behalten nach einem Delir Funktionsstörungen des Gehirns zurück. In den meisten Fällen heilt ein Delir jedoch vollständig aus. Voraussetzung ist jedoch, dass nicht nur die Symptome, sondern auch die Bedürfnisse der Betroffenen rechtzeitig erkannt werden. Intensive persönliche Zuwendung ist entscheidend, um das zu gewährleisten.
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Quelle: dpa

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